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Mitgenommen

Therese Mausbach muss feststellen, dass Berliner Parks auch für weibliche Statuen gefährlich sind.

Text: Mausbach, Therese, Berlin

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Therese Mausbach muss feststellen, dass Berliner Parks auch für weibliche Statuen gefährlich sind.


Mitgenommen

Therese Mausbach muss feststellen, dass Berliner Parks auch für weibliche Statuen gefährlich sind.

Text: Mausbach, Therese, Berlin

Der Weg durch den Kiez führt am Friedrichshainer Traveplatz vorbei. Jedes Mal begegnet mir eine Frau. Sie sitzt. Auf ihren angewinkelten Beinen liegen ihre Arme, darauf ihr Kopf, zur Seite gedreht. Sie blickt nachdenklich in die Ferne. Der Anblick der Skulptur des Ostberliner Bildhauers Siegfried Krepp (1930–2013) löst regelmäßig nachbarschaftliche Fürsorge und Mitgefühl aus. Was haben sie diesmal mit dir gemacht? „Die Sitzende“ muss alles über sich ergehen lassen – silberne Sprühfarbe wird die Woche darauf von schwarzer übertüncht, aus einer Pechmarie wird kurz darauf eine Goldmarie. Nicht zuletzt entscheiden Unbekannte über die Message, die die friedlich Sitzende transportieren soll. Seit einigen Monaten trug sie auf ihrem Rücken die kurdische Flagge, keiner im Kiez wagte sich da ran. Ab und an klopfe oder streichele ich die Frau mit ihrer unverändert ernsten Miene. Die vielen Farbschichten lassen nicht erkennen, dass sie 1975 in glänzender Bronze gefertigt den Platz bezog. Der L-förmige Granitsockel erinnert an ihre verflossene Partnerschaft, denn neben ihr stand einst ein Gitarrist, zu dem sie blickte. Sie wurden getrennt. Seit über dreißig Jahren steht er nun ein paar Kilometer weiter im Volks- park Friedrichshain. Unabhängig gefällt sie mir besser.
Kürzlich kam ich von einer Reise zurück und freute mich über den Gang durch die Nachbarschaft. An der altbekannten Stelle jedoch: Leere. Die Frau war weg. Auf dem Sockel deutet nur der Abdruck des Hinterns auf die Sitzende hin. Drumherum: Farbe. Auf dem Polizeirevier erklärte man mir, es habe wieder einen Vorfall gegeben. Sprayer montierten sie für das nächs­te Graffiti diesmal vom Sockel ab. Das ging zu weit. Die Polizei brachte sie in Sicherheit. Kurze Zeit verweilte sie im Innenhof der Wache neben dem Berghain, jetzt ist sie umgezogen in die Verwaltung. Das kann ewig dauern mit der Rückkehr.

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