Bauwelt

Kunst am Bau ohne Gebäude

Nach dem Ende der DDR wurden viele Gebäude abgerissen, mit ihnen ver­schwan­den auch die künstlerischen Arbeiten daran. Eine Tagung in Berlin widmete sich dem stadtgestalterischen und gesellschaftlichen Auftrag von baubezogener Kunst.

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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    Josep Renaus Wandbild in Erfurt während der Neu-Montage.
    Foto: Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung

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    Josep Renaus Wandbild in Erfurt während der Neu-Montage.

    Foto: Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung

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    Eine histo­ri­sche Aufnahmen von 1958.
    Foto: Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung

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    Eine histo­ri­sche Aufnahmen von 1958.

    Foto: Landeshauptstadt Erfurt, Stadtverwaltung

Kunst am Bau ohne Gebäude

Nach dem Ende der DDR wurden viele Gebäude abgerissen, mit ihnen ver­schwan­den auch die künstlerischen Arbeiten daran. Eine Tagung in Berlin widmete sich dem stadtgestalterischen und gesellschaftlichen Auftrag von baubezogener Kunst.

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Im Dezember 2019 wurde in Erfurt die Wiederanbringung von Josep Renaus Monumental-Wandbild „Die Beziehung des Menschen zu Natur und Technik“ (1984) an seinem alten Ort, nun jedoch an einer frei vor einem Neubau stehenden Betonkonstruktion, gefeiert. Auch in anderen Städten setzen sich Fachleute, Ostmoderne-Fans und Plattenbau-Bewohner für den Erhalt, die Rettung oder Wiederaufstellung von weiteren Kunstwerken aus der DDR-Zeit ein. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) nahm das zum Anlass, zusammen mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) im Januar 2020 in Berlin eine Tagung zur „Kunst am Bau in der DDR“ zu veranstalten.

Am Bau, im Bau oder im öffentlichen Raum?

Die Kunst am Bau hat seit der Weimarer Republik ein umfangreiches Erbe hervorgebracht − in beiden Teilen des Landes. In den letzten 70 Jahren entstanden rund 10.000 Arbeiten. Die Förderung der Kunst war in der DDR Teil der sozialistischen Kulturpolitik. Eine erste Verordnung legte 1950 den Etat für baubezogene Kunstwerke an staatlichen Verwaltungsbauten auf ein bis zwei Prozent der Bausumme fest, 1952 wurde es auf Kultur- und Sozialbauten ausgeweitet. Bei der künstlerischen Ausgestaltung der Fassaden und Innenräume konnten sowohl fest mit dem Gebäude verbundene Wandbilder, Sgraffiti, Reliefs, Bauplastiken, aber auch freie Gemälde, Grafiken und Skulpturen realisiert werden. Kunstwerke im Stil des „Sozialistischen Realismus“ waren zunächst gefordert, diese Vorgabe lockerte sich später – wie der Architekturhistoriker Thomas Flierl anschaulich darstellte. Max Lingner musste seinen Entwurf für das Wandbild am ehemaligen Reichsluftfahrtministerium in Berlin (1952), das zu DDR-Zeiten als Haus der Ministerien genutzt wurde, nach den Vorstellungen des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl überarbeiten. Andere Wandgestaltungen wurden, wenn sie dem Auftraggeber missfielen, übermalt oder abgedeckt; Tafelbilder entgegengenommen, bezahlt und gleich ins Depot gestellt.
Bei größeren Ensembles konnten die Budgets auch zusammengefasst, auf einzelne Bauten konzentriert oder aber für Arbeiten im öffentlichen Raum verwendet werden. Deshalb gab es viele Brunnenanlagen und aufwändig gestaltete Freiflächen. Ab 1959 wurde auch Kunst an Wohnbauten gefördert, allerdings nur mit 0,2 bis 0,5 Prozent der im Plan vorgesehen Baukosten, mit sinkender Tendenz. In der Spätphase der DDR standen dafür nur noch 45 Mark pro Wohneinheit zur Verfügung, so dass meist nur sehr einfache, dekorative Arbeiten angebracht wurden.
Neben vielen baulichen Verlusten gibt es nur wenige Vorzeigebeispiele mit gut erhaltener Kunst wie das vom Architektenkollektiv um Roland Korn und Hans-Erich Bogatzky entworfene, mittlerweile von der European School of Management and Technology genutzte ehemalige Staatsratsgebäude (1964) am Schlossplatz in Berlin. Hier sind – neben einem translozierten, in die Fassade eingebauten Portal des alten Schlosses – im Festsaal auch noch ein DDR-Staatsemblem mit Hammer und Sichel, im Parkettsaal ein 40 Meter langes Friesband aus Meißner Porzellan von Günther Brendel, in der Treppenhalle eine großformatige Glasfenstergestaltung zum Thema der deutschen Arbeiterbewegung von Walter Womacka sowie im Garten ein von Ortrud Lerch entworfener Mosaikbrunnen zu finden.
Auf der Tagung wurden weitere Ost-Berliner Arbeiten von Walter Womacka vorgestellt: seine „Bauchbinde“ am Haus des Lehrers, das Metallrelief am Haus des Reisens sowie sein früher am DDR-Bauministerium sitzendes Wandbild „Der Mensch, das Maß aller Dinge“, das beim Abriss des Gebäudes gesichert, eingelagert und später in der Nähe des alten Standorts an einem Wohnhaus an der Friedrichsgracht wieder angebracht wurde. Abstraktere baugebundene Arbeiten wie die Metallfassaden der Warenhäuser oder durchbruchplastische Wände aus Beton wurden nicht thematisiert. Um so erfreulicher, dass der Kunsthistoriker Paul Kaiser ein historisches Atelier-Foto der Dresdener Produktionsgenossenschaft „Kunst am Bau“ zeigte (Bauwelt 35.2011), das vom Betonrelief über die Freiplastik bis zum durchbrochenen Formstein das gesamte damals übliche Aufgabenspektrum verdeutlichte.

Gebäudeabrisse, Vandalismus und Metalldiebe

In den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung wurden viele DDR-Bauten abgerissen oder stark verändert. Dabei wurden einzelne künstlerische Arbeiten eingelagert; meist verschwand die Kunst mit den Bauten. Heute hängt der Erhalt der verbliebenen, häufig nicht denkmalgeschützten Werke vom Wohlgefallen und Kalkül der Besitzer und Nutzer ab, bei größeren Umbaumaßnahmen von der Entwurfslinie der beteiligten Architekten. Arbeiten im Stadtraum sind vor allem durch Vandalismus und aufgrund mangelnder Wertschätzung und Pflege auch vom Verfall bedroht, Metallplas­tiken aufgrund der hohen Schrottpreise durch darauf spekulierende Diebe.
Bei der Tagung ging es größtenteils um Werke renommierter Künstler. Während der DDR-Zeit sind aber auch viele deutlich einfachere Arbeiten an Wohn- und Sozialbauten entstanden, die als wichtige identitätsstiftende Objekte kompletter Siedlungen angesehen werden. Ihr Erhalt ist aufwendig, teuer und nicht immer von den aktuellen Eigentümern dieser Immobilien gewollt. Es gibt mittlerweile viele lokale Initiativen, die sich dafür einsetzen, einzelne Arbeiten dauerhaft zu erhalten oder aber – bei Verlusten − wieder zurückzubekommen. Die Wüstenrot-Stiftung hat das Erfurter Glasmosaik-Wandbild von Josep Renau, das nach dem Abriss des Kultur- und Freizeitzentrums am Moskauer Platz jahrelang in Containern einge­lagert wurde, mit großem Aufwand denkmalgerecht restaurieren lassen. Aktuell fördert die Stiftung auch die Freilegung und Restaurierung des geometrisch-abstrakten, von Karl-Heinz Adler und Friedrich Kracht geschaffenen Wandbildes (1975/76) im Plauener Rathaus-Foyer. Wie mit den unzähligen anderen Arbeiten unterschiedlichster Materialität und Form (Skulpturen, Brunnen, Betonformsteine) umzugehen ist, war auf der Tagung jedoch nicht zu erfahren.

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