Bauwelt

Eigennutz statt Denkmalschutz

Das Land NRW plant eine Novelle des Denkmalschutz-Gesetzes, die den Interessen der Eigentümer, der Politik und der Bauwirtschaft mehr nützt als den Denkmalen.

Text: Mazzoni, Ira, Wiesbaden

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Baudenkmäler der Nachkriegsmoderne wie das Krefelder Stadthaus von Egon Eiermann haben
in NRW einen schweren Stand.
Foto: Steffen Schmitz/wikipedia

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Baudenkmäler der Nachkriegsmoderne wie das Krefelder Stadthaus von Egon Eiermann haben
in NRW einen schweren Stand.

Foto: Steffen Schmitz/wikipedia


Eigennutz statt Denkmalschutz

Das Land NRW plant eine Novelle des Denkmalschutz-Gesetzes, die den Interessen der Eigentümer, der Politik und der Bauwirtschaft mehr nützt als den Denkmalen.

Text: Mazzoni, Ira, Wiesbaden

Normalerweise ist ein Denkmalschutzgesetz dazu da, Denkmale zu schützen und zwar „im öffentlichen Interesse“. Die beabsichtigte Gesetzesnovelle des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Zeug, ein Denkmal-Beseitigungsgesetz im politischen, wirtschaftlichen und privaten Interesse zu werden. Ungeachtet der Tatsache, dass der Denkmalschutz auch in NRW Verfassungsrang hat. Die Fachwelt ist alarmiert, selbst das eher diploma­tische Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz bekundet in seiner Stellungnahme Paragraph für Paragraph juristisch detaillierte Kritik.
Rund 90.000 Baudenkmäler gibt es in dem großen Bundesland, das sind gerademal 1,5 Prozent des Baubestandes: Burgen und Bauernhäuser, Schlösser und Industrieanlagen, Theater, Museen, Rathäuser, Schulen und Siedlungen und Wohnungsbauten, die die Basis für gegenwärtige Baukultur sein könnten.
In der CDU/FDP-Landesregierung ist das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung für Denkmalschutz und Denkmalpflege verantwortlich – nicht das Kultusministerium. Die NRW-Kommunen haben politisch viel Macht, auch beim Denkmalschutz. Dabei gibt es mitunter massive Interessenkonflikte, wenn Bürgermeister lieber entwickeln und neu bauen (lassen). Erklärtermaßen soll das neue Gesetz die Position der Denkmaleigentümer stärken. So stark das Eigentumsrecht in Deutschland qua Grundgesetz ist, so deutlich hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass Denkmalpflege eine „Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang“ ist. Das öffentliche Anliegen am substantiellen, zeugnisgebenden Erhalt historischer Bauwerke muss deswegen in jedem Einzelfall gut begründet mit den Interessen des Denkmaleigentümers abgestimmt werden. In der Regel funktioniert das bisher gut, wenn auch nicht immer reibungslos; das hat die Evaluation der nordrheinwestfälischen Denkmalpflege-Praxis bestätigt. Trotzdem zielt der Gesetzesentwurf auf eine Schwächung der Fachämter und damit des gesamten Systems Denkmalschutz.
Die unteren Denkmalschutzbehörden, die weisungsgebunden bei den Bauämtern der Kommunen angesiedelt sind, erhalten alleinige Verantwortung. Eine inhaltliche Abstimmung mit dem Fachamt, ein ernsthafter Abwägungsprozess zum Wohle des Denkmals, wird nicht mehr vorgeschrieben. Denkmalpflege wird so zur reinen Verwaltungsaufgabe. Der Betrachtungshorizont für Denkmalwerte wird so eng wie die Gemeindegrenze und so weit, wie es sich Politik, Eigentümer und Wirtschaft wünschen. Entsprechend serviceorientiert wird Denkmalpflege im Gesetz als „Gesamt­-heit aller staatlichen Hilfen für die Eigentümer von Denkmälern“ dargestellt. Das ist mehr als dürftig, fehlt dem Gesetz ohnehin eine Präambel, die an erster Stelle den Sinn von Denkmalpflege zu klären hätte. Als Denkmalaufhebungsklausel könnte sich in Zukunft die neoliberale Unzumutbarkeitsbegründung erweisen: „Wenn die Kosten der Erhaltung und Bewirtschaftung dauerhaft nicht durch die Erträge oder den Gebrauchswert des Denkmals aufgewogen werden können“, sei der Erhalt des Denkmals nicht zu fordern. Was soll da die Deutsche Burgenvereinigung sagen? Müssen Kirchenabrisse zwecks Grundstücksverwertung nun hingenommen werden – egal wie bedeutend Architektur und Ausstattung sind? Ein kleines Bauernhaus würde bei inflationären Grundstückspreisen selbstverständlich der urbanen Nachverdichtung weichen. Welches der berühmten Industriedenkmäler des Landes hätte sich je gerechnet? Die Unzumutbarkeitsannahme in Paragraph 8 bedeutet auch, dass sich die prekären Wohnungsbaugesellschaften schrumpfender Städte ihrer Instandhaltungspflicht mit dem Argument entziehen können, die Kosten für denkmalgerechte Erhaltungsmaßnahmen könnten mit einem Mietzins von 4 Euro pro Quadratmeter niemals kompensiert werden.
Diese Öffnungsklauseln für mögliche Denkmalopferungen werden durch den Hinweis ergänzt, die bei den Bauämtern angesiedelte Untere Denkmalschutzbehörde habe „insbesondere die Belange des Wohnungsbaus, des Klimas, des Einsatzes erneuerbarer Energien sowie der Barrierefreiheit“ bei ihren Veränderungsgenehmigungen zu berücksichtigen. Da all diese Fragen in der Praxis so und so bei jeder Baumaßnahme im Denkmal verhandelt werden – immer im Hinblick auf die Bewahrung der für das Denkmal wesentlichen Elemente – ist ein solcher Passus überflüssig. Er zeigt aber, welcher Ärger sich über vermeintliche Blockaden der Fachämter in manchen Kommunen aufgestaut hat. So hatte etwa das Rheinische Denkmalamt bei dem 1951–56 nach Plänen von Egon Eiermann erbauten Krefelder Stadthaus die Reparatur der gestaltbestimmenden, funktionsfähigen, vom Architekten eigens entwickelten Stahlfenster gefordert und sich dem Einbau neuer, DIN-gerechter Fenster verweigert.
Entsprechend denkmalignorant ist die Bestimmung, dass die Untere Denkmalschutzbehörde dem Eigentümer die geplanten baulichen Eingriffe ins Denkmal auch erlauben soll, wenn der Denkmalwert durch den Einsatz „zeitgemäßer Bauprodukte“ und „neuer Bauarten“ „geringfügig“ beeinträchtigt wird. Was „geringfügig“ bedeutet, ist dann wohl Ermessenssache von Bauherren und Genehmigungsbehörde. Die Einführung neuer Bauprodukte und Bauarten ausgerechnet in ein Denkmalschutzgesetz scheint gerade aus umweltpolitischer Sicht völlig unzeitgemäß. Längst ist bekannt, dass die meisten umweltbelastenden Abfälle der Bauindustrie geschuldet sind. Längst propagieren Baukultur-Initiativen und Architektenverbände das Bauen im Bestand, längst setzt sich ein Bewusstsein für Langlebigkeit durch. In der Denkmalpflege erfahrene Ingenieure, Architekten, Restauratoren und Handwerker haben immer wieder nachgewiesen, wie schädlich neue Baustoffe sich auf Baudenkmale auswirken. Sie haben gezeigt, wie man Altes reparieren und ertüchtigen kann, und sie haben „Hightech-Lösungen“ entwickelt, um baufällige Denkmale wieder nutzbar zu machen. Wenn sich jemand auf Ressourcenschonung versteht, dann ist es die Denkmalpflege. Jetzt die letzten 1,5 Prozent des Baubestandes alterungsunfähigen Produkten und unerprobten Techniken zu öffnen – nur weil sie vermeintlich billiger sind –, widerspricht dem Denkmalschutzgedanken. Geschichtszeugnis kann nur sein, was tatsächlich aus vergangener Zeit stammt. Denkmalqualitäten in Zusammenhang mit Stadt- und Siedlungsgeschichte den Bürgern zu erklären, wäre eine dringliche Aufgabe. Im Gesetz fehlt ein verbindlicher Vermittlungsauftrag. Es fehlen alle partizipatorischen Ansätze. Einen Denkmalrat hält das Land NRW für überflüssig.

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