Bauwelt

Bauwende rückwärts

Als Ophelis 2022 seine Schauhalle von Ludloff Ludloff einweihte, sprach die Fachwelt von einer ausgefeilten Konstruktion und regionaler Verantwortung. Inzwischen ist die Firma insolvent, und ein Investor schlägt kurz und klein, was zuvor als Konsens galt.

Text: Siegele, Claudia, Stuttgart

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    Im Jahr 2022 noch bei der Eröffnung gefeiert, ...
    Foto: Jan Bitter

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    ... und nach drei Jahren abgerissen: die Ophelis-Ausstellungshalle in Bad Schönborn von Ludloff Ludloff Architekten
    Foto: Jens Ludloff

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    ... und nach drei Jahren abgerissen: die Ophelis-Ausstellungshalle in Bad Schönborn von Ludloff Ludloff Architekten

    Foto: Jens Ludloff

Bauwende rückwärts

Als Ophelis 2022 seine Schauhalle von Ludloff Ludloff einweihte, sprach die Fachwelt von einer ausgefeilten Konstruktion und regionaler Verantwortung. Inzwischen ist die Firma insolvent, und ein Investor schlägt kurz und klein, was zuvor als Konsens galt.

Text: Siegele, Claudia, Stuttgart

Als wäre ein UFO aus einer anderen Baukultur in dem tristen Gewerbegebiet in Bad Schönborn gelandet, so dramatisch kam es einem vor, als die fallenden Gerüstplanen die mit dunklem Holz verschalte Ausstellungshalle mit umlaufendem Lichtband dem Betrachter freigaben. Man könnte sich auch erinnern: Ein kostbares Juwel erstrahlte 2022 inmitten des Chaos, geschaffen von den Berliner Architekten Ludloff Ludloff für den Büromöbelhersteller Ophelis (Bauwelt 8.2022). Eine experimentelle Architektur, die mitsanftem Schwung eine außergewöhnliche Konstruktion umhüllt, getreu dem Leitmotiv des Unternehmens, klassische Schreibtischarbeitsplätze in visionäre Arbeitswelten zu verwandeln.
Eine durchaus erfolgversprechende Strategie, wäre nicht die Corona-Pandemie dazwischen gegrätscht, die das Homeoffice populär und in-folgedessen den Büromöbelhersteller platt gemacht hat. Nur zwei Jahre währte die Hoffnung, sodann ward im zweiten Akt des Dramas mit der Insolvenz der Schlussstrich unter Ophelis gezogen, hervorgegangen aus der 1978 in dem nordbadischen Kurort ansässig gewordenen Pfälzischen Möbelfabrik. Platt gemacht ist inzwischen auch der nur drei Jahre alte, 2023 mit der Hugo-Häring-Auszeichnung prämierte Schauraum, der im selben Jahr zu den best architects-Gewinnern zählte und für den DAM-Preis nominiert war.
Abriss mit der Birne statt Rückbau mit Köpfchen
Womit wir beim dritten und letzten Akt der Tragödie angekommen sind, welcher das grausame und sinnlose Ende des einst am Architektenfirmament strahlenden Protagonisten erzählt. Nach dem Verkauf des Geländes und der darauf stehenden Produktionsgebäude nebst der besagten, 1200 Quadratmeter großen Ausstellungshalle an den texanischen Immobilienentwickler Hillwood begannen im Juni 2025 die Bagger mit den Abriss-arbeiten auf dem Areal, um für ein gesichtsloses Logistikzentrum Platz zu schaffen, dessen Dimension mit mehr als 30.000 Quadratmeter Mietfläche das kleine Gewerbegebiet förmlich verschlucken wird. Im September dann, als auch dem letzten Mitarbeiter in der Kommune zu Ohren gekommen sein musste, dass auf dem Ophelis-Gelände kein Stein mehr auf dem anderen steht, verbissen sich die Greifzangen schließlich an der Fassade und dem Holztragwerk der Ausstellungshalle.
Wie dabei vorgegangen wurde, macht fassungslos: Obwohl ein detaillierter digitaler Zwilling des konsequent elementiert vorgefertigten und verschraubten Gebäudes vorliegt, erfolgte der Abriss der neuwertigen Bauteile mittels blinder Zerstörung. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Halle vor diesem Schicksal zu bewahren, sie umzunutzen, rückzubauen, wiederzuverwerten, an anderer Stelle wieder aufzubauen.
Der Hallenbau wurde ungeachtet jeder Verwertbarkeit in wertlose Trümmer gelegt. Dämmstoffe, Abdichtungsbahnen, Stahlbauteile, Massivholz und Holzwerkstoffe, Lichtband, Türen – alles ohne kontrollierten Rückbau so dem Erdboden gleich gemacht, dass kein einziges Bauteil davon wiederverwertet werden konnte. Dem voraus ging keine Recherche und Nachfrage beim Architekturbüro oder bei der Kommune, es gab für den Abriss keine behördliche Auflage, es war nicht einmal unverständige Nachlässigkeit. Sondern eine eiskalte Demonstration von Investoren und Grundstücksverwertern ihres absoluten Desinteresses an ökologischer, ökonomischer und regionaler Verantwortung.
Desinteresse bei Kommune und Behörden
Man fragt sich: Wie kann so etwas unter den Augen der Behörden geschehen? Warum bewertet die Gemeinde ihre Ressourcen und baukulturellen Werte derart gering, dass sie keinerlei Initiative und Interesse an den Tag legt, einen vor drei Jahren hoch gelobten Standort traditioneller Wertschöpfung zu bewahren und quasi ein halbes Gewerbegebiet in die Hände eines globalen Entwicklers legt? Ohne zu hinterfragen, was mit dem Bestand geschieht und welche Konsequenzen eine Logistikzentrale derartigen Ausmaßes hat? Es bedurfte keiner Abrissgenehmigung, niemand hat nachgefragt oder geprüft, welchen Schwerlastverkehr das Projekt nach sich zieht. Vermutlich weiß in dem Kurort und im Regierungspräsidium Karlsruhe kaum jemand, was für ein Frevel sich im Gewerbegebiet abspiel-te und was genau dort alsbald aus dem Boden gestampft wird.
Wie ernst gemeint war der ganze Stolz auf ein Gebäude, das sich durch schonenden Umgang mit den Ressourcen auszeichnet, wenn die Kommune es dann gedankenlos an einen anonymen Investor verschleudert? Welchen Wert hat die Mühe des nachhaltigen Bauens und Ökobilanzierens, wenn dieses kurzerhand zum vergeblichen Bauen wird und Urban Mining nicht mehr als ein Lippenbekenntnis bleibt? Wen wundert es in Anbetracht der Bilder vom Abriss der Ophelis-Ausstellungshalle noch, dass die deutsche Bauwirtschaft für 55 Prozent des Müllaufkommens verantwortlich ist?
Bauturbo statt Urban Mining
Die jüngst novellierte Landesbauordnung von Baden-Württemberg, die einem „Bauturbo“ Rechnung trägt, vergisst im Eifer des Gefechts um neue Wohnungen den Schutz der größten Ressource: der vorhandenen Bausubstanz. Nach wie vor ist der Abriss von freistehenden Gebäuden der Gebäudeklassen 1-3 verfahrensfrei und damit nicht anzeigepflichtig. Der Abriss der Ophelis-Ausstellungshalle macht exemplarisch deutlich, wie fern wir noch von einer Kultur des globalen Denkens und lokalen Handelns sind, die den Prinzipien der Nachhaltigkeit und der Schonung unserer begrenzten Ressourcen Rechnung trägt. Was in Bad Schönborn geschah, findet alltäglich leider auch anderswo statt: in Berlin, in Paris, im Osten, im Westen, auf dem Land und im Quartier. Wenn wir nicht hinschauen, uns nicht entsetzen und nicht dagegen auflehnen, wird sich nichts ändern. Hier sind Gesetzgebung und Bauüberwachung gefragt – das Gewissen und der Markt regeln diese sinnlose Verschwendung noch auf lange Zeit hinaus jedenfalls nicht.

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