Bauwelt

Sozialer Wohnungsbau in Palma de Mallorca


Bei einem Ersatzneubau in Palma de Mallorca setzen Harquitectes auf Mauern, die Vitruv’sche Kriterien erfüllen. Die synthetischen „Limecrete“-Blöcke enthalten Steine des Vorgängerbaus. Das Material trägt, nutzt und schmückt – ein Terrazzo für die Vertikale.


Text: Landes, Josepha, Berlin


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    Das Erscheinungsbild der sanft variierenden Steine dient als ruhiger und hochwertiger Hintergrund für die Wohnumgebung.
    Foto: Adrià Goula

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    Das Erscheinungsbild der sanft variierenden Steine dient als ruhiger und hochwertiger Hintergrund für die Wohnumgebung.

    Foto: Adrià Goula

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    Sorgsame Fügung und Oberflächenschliff verleihen den Wänden Eleganz.
    Foto: Adrià Goula

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    Sorgsame Fügung und Oberflächenschliff verleihen den Wänden Eleganz.

    Foto: Adrià Goula

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    Die Wohnungen sind klein, bestehen aus nur zwei Räumen, von denen sich einer zum Hof und einer zur Straße wendet. Die tragenden Wände unterteilen die Einheiten. Nach oben werden die Mauern schmaler.
    Foto: Adrià Goula

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    Die Wohnungen sind klein, bestehen aus nur zwei Räumen, von denen sich einer zum Hof und einer zur Straße wendet. Die tragenden Wände unterteilen die Einheiten. Nach oben werden die Mauern schmaler.

    Foto: Adrià Goula

Stein auf Stein, so hieß es einst, baue man ein Haus. Heute nehmen Häuser in vielerlei Art und Weise Gestalt an. Betonwände werden liegend gegossen und später aufgerichtet. Stützen aus Holz oder Stahl bilden Gerüste für variable Füllungen. 3D-Druckverfahren ermöglichen es gar, ganze Bauteile aus nur einem, fortlaufenden „Faden“ zu spinnen. Freilich ist der Stein nicht ganz aus der Mode. Allerdings finden wir ihn konstruk-tiv eher als Element, denn als Material. Das Prinzip des Synthetischen beginnt beim Klinker und setzt sich fort in mannigfaltigen Hohllochvarianten. Für einen Sozialwohnungsbau in Palma de Mallorca haben Harquitectes den „Stein“ – alias Naturstein – seinem Ursprung wieder nähergebracht: Mit „Limecrete“ entwickelten die Architekten einen Hybrid-Formstein, der im Wesentlichen aus Gesteinsbrocken besteht. Dieser Zuschlag bestimmt den Charakter des Materials.
Das zur Straße drei-, zum Hof fünfgeschossige Haus markiert die Ecke eines, von höheren Gebäuden dominierten Blocks. Es ersetzt eine alte Schule, die zu marode war, um sich als erhaltenswert zu erweisen. Sie bestand jedoch aus dem auf den Balearen traditionell gebräuchlichen Marés-Kalkstein. Marés war als vernakuläres Baumaterial beliebt, da er sich aufgrund seiner feinen Porigkeit leicht bearbeiten lässt, sowie Schall und Wärme gut isoliert. Die Architekten beschlossen, den Abraum nicht zu entsorgen, sondern für den Neubau aufzuarbeiten.
Die verwitterten Steine wurden nach Größe sortiert, teilweise zerkleinert und anschließend mit Kalkbeton zu zweiundvierzig Zentimeter starken Platten vergossen. Aus diesen wurden dann Blöcke geschnitten, die das tragende Sichtmauerwerk der oberirdischen Geschosse ausmachen. Die Blöcke des Erdgeschosses sind 64 Zentimeter stark, nach oben verjüngen sich die Mauern um je zehn Zentimeter, sodass sie im obersten Stockwerk 34 Zentimeter messen.
Die tragenden Limecrete-Wände stehen als Schotten quer zur Straße und unterteilen das Haus in kleine, durchgesteckte Wohnungen, die ein hofseitiger Laubengang erschließt. Die Re-geleinheiten in der ersten und zweiten Etage verfügen über je einen zum Hof orientierten Wohnraum und – getrennt durch ein Mini-Bad und eine Kochnische – ein Schlafzimmer zur Stadt. Das Erdgeschoss ist ähnlich angelegt; lediglich die Gebäudeecke, die darüber je eine größere Wohnung belegt, ist hier dem Hauptzugang vorbehalten. Im Dachgeschoss liegen Wohn- und Schlafzimmer hofseitig nebeneinander, Küche und Bad sind der straßenseitigen Terrasse vorgeschaltet. Auf Niveau des abgesenkten Hofs, ist das Prinzip so angepasst, dass sich die Einheiten einzig zum Freiraum hinwenden.
Die Räume zehren von der Sichtbarkeit des an Terrazzo erinnernden Wandmaterials. Es ruft die wahrhaftige Anforderung an jegliche Architektur wach: Firmitas, Venustas, Utilitas – die Wände tragen, zieren und nutzen. Das grundlegendste Element der Architektur, die Raumfassung, tritt hier mit solcher Wucht zutage, dass sie vor Augen führt, wie wichtig sich häufig die Ausstattung macht. Die wurde hier äußerst simpel gehandhabt: Leitungen sind in Rohren auf den Wänden verlegt, Dosen und Schalter in Standard-ausfertigung gewählt, Fliesenspiegel und Küchenausstattung aufs Notwendige reduziert.
Dabei verlassen sich die Architekten bei weitem nicht nur auf die wirkmächtige Eigenheit des Steins. Sie verstehen auch, ihn zu fügen. Die Fugen sind daumendick und plan ausgeführt, sodass jede Wand trotz sichtbaren Verbands eine ebene Fläche mimt. Die Eckstöße ordnen sich dem Baustoff unter – während sie in rechtwinkligen Situationen beiläufig bleiben, verzahnen sich die Steine, wo sie spitz aufeinandertreffen, und ihre Kanten springen aus der Flucht hervor. An Boden und Decke schließen die Wände unvermittelt an. Mehr noch, laufen die Elemente gar ohne viel Aufsehens in die Fassade fort – klarerweise vom Mittelmeerklima begünstig.
Das Projekt entstammt dem Portfolio des Instituto Balear de la Vivienda (IBAVI), das seit 1986 kostengünstigen Wohnraum auf den Balearen vermietet, pflegt und mitunter errichten lässt. Die oft einfachen, aber einfallsreichen Neubauten stammen u.a. von TEd’A, Peris+Toral oder Vivas. Harquitectes ergänzen die Reihe ehrenwert.



Fakten
Architekten Harquitectes, Sabadell
aus Bauwelt 01.2026
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