Distillery in Leipzig
Nach zwei Jahren Umbau hat im August die Leipziger „Distillery“ wiedereröffnet. Der älteste Techno-Club Ostdeutschlands zog nebst seiner über die Jahre angesammelten und teils selbstgebauten Ausstattung auf die Alte Messe. Ob die Station zum Domizil werden darf, bleibt zu hoffen.
Text: Menting, Annette, Leipzig
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Der Club nutzt den ehemaligen Küchentrakt der Messehalle 7. Zugang und Garderobe befinden sich in einem separaten Pavillon.
Foto: Jens Stöbe
Der Club nutzt den ehemaligen Küchentrakt der Messehalle 7. Zugang und Garderobe befinden sich in einem separaten Pavillon.
Foto: Jens Stöbe
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Eine Pergola verknüpft beide. Formal referenziert sie die Fassade der Halle.
Foto: Jens Stöbe
Eine Pergola verknüpft beide. Formal referenziert sie die Fassade der Halle.
Foto: Jens Stöbe
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Innen bietet der Club eine offene Raumfolge, die sich über großformatige Rolltore auch in den Tanzgarten fortsetzen lässt.
Foto: Jens Stöbe
Innen bietet der Club eine offene Raumfolge, die sich über großformatige Rolltore auch in den Tanzgarten fortsetzen lässt.
Foto: Jens Stöbe
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Viele Ausbauelemente sind aus dem alten Club umgezogen, etwa Bar, Leuchten oder DJ-Pulte.
Foto: Jens Stöbe
Viele Ausbauelemente sind aus dem alten Club umgezogen, etwa Bar, Leuchten oder DJ-Pulte.
Foto: Jens Stöbe
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Sie treten in Resonanz mit dem Bestand der Halle.
Sie treten in Resonanz mit dem Bestand der Halle.
Die Leipziger Distillery ist der älteste Techno-Club Ostdeutschlands: 1992 entstand sie aus der Subkultur-Szene heraus in einer ehemaligen Brauerei in Connewitz – daher rührt auch ihr Name. Der blieb Programm, auch nach der Verdrängung wegen eines Stadtentwicklungsprojekts; in ihrem Ausweichquartier, in einer 1995 bezogenen Halle auf stillgelegtem Bahngelände, erlangte die „Tille“ überregionale Bekanntheit. Und doch musste sie 2023 erneut weichen.
Nach wie vor sind Club-Existenzen gefährdet. Es fehlt oft an Wertschätzung ihrer Kulturarbeit. Und auch Baurecht, Lärmschutz und Baunutzungsverordnung stellen Herausforderungen für Genehmigung und Erhalt dar. Eine der Initiativen, die sich für ein Umdenken in der Kulturpolitik engagieren, ist die Leipziger Club- und Kulturstiftung. Ins Leben gerufen hat sie 2019 der Distillery-Geschäftsführer Steffen Kache. Inzwischen sind Clubs zwar aus baurechtlicher Sicht als Kulturstätten wie Theater anerkannt, doch stehen Novellierungen aus, um Standorte zu sichern oder zumindest einen Umzug zu unterstützen.
Das Aus der Distillery auf dem Areal des ehemaligen Bayerischen Bahnhofs folgte auf einen Stadtrat-Beschluss aus dem Jahr 2019 zum Neubau eines Wohnquartiers. Doch es gab Unterstützung aus der Stadtpolitik und -gesellschaft für ihre Weiterführung andernorts. Zunächst war wiederum die Umwidmung eines Bahngeländes im Gespräch; die dazu notwendige Bebauungsplan-Aufstellung allerdings gestaltete sich schwierig. So war, aufgrund der Dringlichkeit, das Angebot der Leipziger Entwicklungs- und Vermarktungsgesellschaft willkommen, einen Teil der Alten Messehalle 7 bis 2034 interimsweise zu nutzen. Der Ostmoderne-Bau war 1977 nach einem Entwurf von Rüdiger Sudau errichtet worden. Als die Messe 1996 an den Stadtrand verlagert wurde, stand er zehn Jahre leer, ehe eine Teilnutzung als Indoor-Fußballfeld begann.
In Clubs wirken Ausstattung, Licht, Musik und Performance zusammen – nur selten werden sie von Architekten entworfen. Hier waren jedoch architektonische Studien zur Standortfindung erforderlich. Dafür wandte sich Steffen Kache an Libero Architekten. Angesichts der kurzfristigen Realisierbarkeit bei begrenztem Budget konzentriert sich der Entwurf auf den nördlichen Kopfbau, auch weil so die brandschutztechnische Trennung von der Messehalle gut umsetzbar war – mittels einer hinter dem ehemaligen Küchentrakt eingezogenen Ziegelwand. Um ausreichend Fläche zu generieren, bezogen Libero einen früherer Verkaufspavillon in das Club-Konzept ein. Dort finden Einlasskontrolle, Garderobe sowie eine Bar Platz und er lässt sich durch Rolltore zumClub-Hof öffnen. Eine neue Stahlpergola zwischen diesem Pavillon und dem Kopfbau setztein markantes Zeichen. Ihr Betonsockel gleicht die unterschiedlichen Geländehöhen zwischen Straße und Club aus, und obenauf steht die Lüftungsanlage. Das sichtbar belassene Wellblech und der geriffelte Betonsockel greifen die Ver-tikalität der Hallenfassade auf.
Im Kopfbau wurden die Stahlbetonstützen und -decken freigelegt. Im Erdgeschoss befindet sich, in den Bestand eingepasst, ein kleiner Dancefloor, im Obergeschoss ein größerer. Um sie zu verbinden, wurde eine neue, schmale Treppe eingeschnitten. Die Architekten haben eine so klare Raumfolge geschaffen, dass die Komplexität der Planung im Bestand kaum sichtbar wird. Wegeführung, Brandschutz, Lüftung, Raumakustik und Logistik treten in den Hintergrund. Prägende Bestandsstrukturen wurden geradezu leichtfüßig bewahrt und Potenziale des Raums herausgearbeitet.
Die von den Architekten gelieferte Grundstruktur diente als Rahmen für den Ausbau durch die Nutzer. Der Club war und ist ein permanenter Gestaltungs- und Experimentierraum für die Distillery-Crew; seine Identität hat sich über viele Jahre entwickelt. DIY-Gestaltung von Sound- und Licht-Objekten, DJ-Pulten, Bars, Nischen und Chill-out-Areas machen die Tille aus. Einige Ma-terialien und Objekte wurden mitgenommen, so dass dem Stammpublikum auch am neuen Ort der konsistente Club-Charakter begegnet: Bar-Elemente, Deckenleuchten, sogar Ziegelsteine und Stahlträger wurden wiederverwertet. Recycling und Upcycling prägen die Atmosphäre und korrespondieren mit der Bestandsnutzung. Auch im Außenbereich wurde die Rahmenstruktur weiter ausgebaut: Raue Schwartenbretter und Metallbleche bilden eine zusätzliche Schutzhaut, um den Ort zum Safe Space zu machen. Nach außen mag der Club mit seinem Beton-sockel, der Metallstruktur und einer Stahltür hermetisch erscheinen. Innen aber entfaltet sich dank fließender Übergänge die Offenheit der Distillery-Welt.
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