Bürogebäude an der Darwinstraße in Berlin
„Fläche zurückgeben“ heißt oft nur Gründach. Grüntuch Ernst und Capatti Staubach zeigen in Berlin, dass ein Dachpark mehr kann – ein öffentlich erlebbares Experiment.
Text: Kasiske, Michael, Berlin
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Das neue Bürogebäude entlang der Darwinstraße ist ein erster Baustein auf dem Gelände eines ehemaligen Kraftwerks.
Foto: Hanns Joosten
Das neue Bürogebäude entlang der Darwinstraße ist ein erster Baustein auf dem Gelände eines ehemaligen Kraftwerks.
Foto: Hanns Joosten
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Vor etwa 10 Jahren gab es für den östlichen Teil des Areals die Idee, hier die „WerkBundStadt Berlin“ entstehen zu lassen.
Foto: Hanns Joosten
Vor etwa 10 Jahren gab es für den östlichen Teil des Areals die Idee, hier die „WerkBundStadt Berlin“ entstehen zu lassen.
Foto: Hanns Joosten
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Alle Flächen des achtgeschossigen Gebäudes sind offen und flexibel gestaltet.
Foto: Hanns Joosten
Alle Flächen des achtgeschossigen Gebäudes sind offen und flexibel gestaltet.
Foto: Hanns Joosten
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Von allen Ebenen gibt es einen direkten Zugang zum Dachgarten, der auch Besuchern offenstehen soll.
Foto: Hanns Joosten
Von allen Ebenen gibt es einen direkten Zugang zum Dachgarten, der auch Besuchern offenstehen soll.
Foto: Hanns Joosten
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Das Foyer ist einladend und bereits fertiggestellt; ...
Foto: Hanns Joosten
Das Foyer ist einladend und bereits fertiggestellt; ...
Foto: Hanns Joosten
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... noch warten die offenen Büroflächen mit Weitblick über die Stadt auf ihre Nutzer.
Foto: Hanns Joosten
... noch warten die offenen Büroflächen mit Weitblick über die Stadt auf ihre Nutzer.
Foto: Hanns Joosten
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Auf dem Dach spannt sich der Park über die gesamte Fläche.
Foto: Hanns Joosten
Auf dem Dach spannt sich der Park über die gesamte Fläche.
Foto: Hanns Joosten
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Hier wachsen bereits erstaunlich große Bäumen neben einer Vielzahl anderer Gewächsen, ...
Foto: Hanns Joosten
Hier wachsen bereits erstaunlich große Bäumen neben einer Vielzahl anderer Gewächsen, ...
Foto: Hanns Joosten
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... ausschließlich regionale Arten.
Foto: Hanns Joosten
... ausschließlich regionale Arten.
Foto: Hanns Joosten
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Rasenflächen, Plateaus und Bänke laden zum Verweilen.
Foto: Hanns Joosten
Rasenflächen, Plateaus und Bänke laden zum Verweilen.
Foto: Hanns Joosten
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Die Bäume wurden über zwei Jahre für die Pflanzung auf dem Dach vorbereitet. Drahtkörbe für die eher kompakten Wurzelballen stabilisieren ihren Halt.
Foto: BAUWENS
Die Bäume wurden über zwei Jahre für die Pflanzung auf dem Dach vorbereitet. Drahtkörbe für die eher kompakten Wurzelballen stabilisieren ihren Halt.
Foto: BAUWENS
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Das abgestufte Dach erreicht man über die an der straßenabgewandten Seite liegende Treppe.
Foto: Hanns Joosten
Das abgestufte Dach erreicht man über die an der straßenabgewandten Seite liegende Treppe.
Foto: Hanns Joosten
Nördlich der Spree, bevor der Fluss den Park von Schloss Charlottenburg passiert, entsteht ein neues Quartier auf einem lange stadtbildprägenden Kraftwerksgelände. Denkmalgeschützte Bauteile sind bereits freigestellt, die historische Straße „Am Spreebord“ ist nun durchgängig erschlossen. Für den östlichen Teil, auf einer zuvor von Öltanks belegten Fläche, war vor rund zehn Jahren die so genannte „WerkBundStadt Berlin“ vorgesehen, mit der 33 Architekturbüros den aktuellen Wohnungsbaudiskurs befeuern wollten. Obwohl „die Zukunft des Wohnens bisweilen verdächtig alt wirkt“ (Heft 37.2016), wäre angesichts der nebenan entstandenen banalen Wohnungsstapelei zumindest eine architektonische Haltung geboten worden.
Das Gelände ist nach wie vor unbebaut, nur am Kopf der Röntgenbrücke erhebt sich seit letztem Jahr ein auf acht Geschosse ansteigender Riegel, der von Grüntuch Ernst Architekten nach der Adresse „Bürohaus Darwinstraße“ genannt wird. Das Berliner Büro gehörte nicht zu Initiatoren der WerkBundStadt Berlin, die einen vielversprechenden Standort ins Auge gefasst hatten: der ehedem durch Gewerbe bestimmte Stadtraum weist partiell eine erstaunlich ländliche Wirkung auf, durch die Uferzonen von Spree sowie von Landwehrkanal und Charlottenburger Verbindungskanal, die hier einmünden. Über letzteren schlugen in den 1970er Jahre Alison und Peter Smithson, eingeladen von einer Berliner Tageszeitung, „Laubenbrücken“ zum Picknicken vor. Eine vielleicht dadurch angeregte Plattform ist derzeit wegen Baufälligkeit gesperrt. Nun stellen Grüntuch Ernst zusammen mit Capatti Staubach einen Ort zum Verweilen bereit.
Aus der Idee, einen Park auf dem Dach zu schaffen, ergibt sich die Figur des Baukörpers. An der straßenabgewandten Längsseite führen vier von üppig bepflanzten Beeten begleitete Treppenläufe bis auf die Höhe des vorhandenen Blockrands. Dann – in entgegengesetzter Richtung – bringen drei Treppenanlagen uns Spaziergänger in luftige Höhen, wo sich über Spree und die Kanäle ein beeindruckendes Panorama eröffnet. Außer Menschen und Insekten, für deren Brut kreisrunde Sandbäder vorgehalten werden, finden auch Füchse, Waschbären und andere Wildtiere den Weg hinauf. „Wer die Natur einlädt, bekommt auch alles“, stellt Almut Grüntuch-Ernst amüsiert fest und zeigt uns Bilder, auf denen Spuren von Pfoten im Schnee zu sehen sind.
Architektur und Pflanzen
Für sie ist das Bürohaus Darwinstraße ein gebautes Beispiel der „Hortitecture.“ Ihr aus „hortus“ (lateinisch: der Garten) und „architecture“ gebildeter Begriff bezeichnet Bauten, bei denen Konzept und Konstruktion zusammen mit Pflanzen synergetisch den ökologischen Fußabdruck verringern und zum Wohlbefinden beitragen. Zu diesem Thema hat Grüntuch-Ernst mehrere Symposien an ihrem Lehrstuhl an der Technischen Universität Braunschweig veranstaltet, in denen es neben Dach- auch um Fassadenbegrünung, Wassermanagement und deren klimatische Wirkungen ging.
Das Gebäude wurde nach Paragraph 34 BauGB genehmigt, der Dachpark mit einem städtebaulichen Vertrag besiegelt, in dem unter anderem ein öffentlicher, wenn auch zeitlich beschränkter Zugang festgeschrieben wird. Für die Menschen, die zukünftig in dem Bürohaus arbeiten werden, rückt die Naherholung sogar vor die Tür. Die unteren fünf Geschosse sind seitlich über die Podeste mit dem Grün verbunden, die oberen drei Geschosse, über die sich der Park in Stufen hochschiebt, über die Stirnseiten. „Das Gebäude soll atmen“, so Grüntuch-Ernst.
Ein Vorbild war der „Bosco Verticale“ von Stefano Boeri, auf dessen Balkone Bäume in Trögen stehen. Wie seinerzeit bei den in Mailand vor rund zehn Jahren fertiggestellten Zwillingshochhäusern testeten auch hier die Planer die Pflanzen in Windkanälen. Danach bestimmten Capatti Staubach die geeigneten Arten und ließen bereits hochgewachsene, durch Verschulen jedoch mit einem kompakten Wurzelballen ausgestattete Bäume per Kran auf die jeweiligen Ebenen heben. Dort wurden die Gehölze auf so genannte „Baumstühle“ gesetzt – das sind Drahtkörbe aus Stahl, die in der Betondecke verankert sind und durch Verwurzeln die Standfestigkeit der Bäume erhöhen; ein ähnliches Prinzip kam schon beim „Bosco Verticale“ zur Anwendung. Die Substrathöhe für die Bäume beträgt dann auch, gesteigert durch kegelförmige Hügel, bis zu 1,50 Meter, während die Beete sich mit einem 40 Zentimeter tiefen Wurzelraum begnügen. Die Zwischenspeicherung des Regenwassers leistet ein mehrschichtiges Retentionsdach.
Diese Informationen machen auf dem Weg nach oben den Aufwand bewusst. Die Biotopqualität, wie Grüntuch-Ernst versichert, und der von zahllosen Hummeln umschwärmte Lavendel können nicht darüber hinwegtäuschen, wie weit der gewachsene Boden entfernt ist. Details wie die Einfassungen aus Cortenstahl vermitteln die gebotene Künstlichkeit. Auf den oberen Terrassen haben Capatti Staubach die Beete abschüssig zu den Rändern angelegt, wodurch die transparenten Absturzsicherungen niedrig wirken, obschon sie vorschriftsmäßig 1,10 Meter hoch sind. Durch die Tiefe der blumenreichen Beete werden wir ohnehin auf Abstand gehalten, was das Sicherheitsempfinden stärkt.
Im noch leeren Bürohaus wirken die rund drei Meter hohen, mit Heiz- respektive Kühldecken ausgestatteten Etagen offen und licht dank der großen Festverglasungen, vor denen niedrige, breite Fensterbänke aus Holz zum Sitzen einladen. Die seitlich angeordneten Lüftungsklappen lassen sich auf ganzer Höhe öffnen und sind nach außen durch Lochbleche abgeschirmt, auch der Sonnenschutz liegt außen. Räumlich wären Großraumbüros am passendsten, oder – ein spontaner Wunsch – offene Wohnzonen, was dem angenehm informellen Charakter des Gebäudes geschuldet ist.
Die üblicherweise die Dächer verunzierende Technik konzentrieren die Architekten im Untergeschoss. Dort befinden sich, gemessen an der Gebäudegröße, nur wenig Parkplätze, ein Verschlag für Fahrräder sowie Duschen, deren Ausstattung sich wohltuend von der Kelleratmosphäre abhebt.
Das zweigeschossige Foyer, das die volle Breite an der Spitze des Gebäudes einnimmt, ist schon von der anderen Seite der Brücke einzusehen. Dass die Architekten sich für einen nicht rechteckigen Abschluss entschieden, lässt das Bürohaus als eine gefällige Landmarke am Brückenkopf erscheinen, verstärkt durch die Gleichförmigkeit des Fassadenrasters aus Betonfertigteilen.
Die Architekten sind nach wie vor erfreut, dass sich der Bauherr von einem Park auf dem Dach begeistern ließ. Laut Grüntuch-Ernst ist Ökologie inzwischen auch ein Thema bei Projektentwicklern, denen bewusst sei, dass „Greenwashing“ für die Akzeptanz der Nutzer und der Anwohner nicht hinreicht. Nach Inbetriebnahme soll das Dach für die Öffentlichkeit zugänglich werden, somit wird es dort nicht die von Goethe beschworene „In allen Wipfeln spürest Du kaum einen Hauch“-Stille eintreten. Und wir werden erfahren, wie ein dem Boden entrückter Grünraum im Gebrauch wahrgenommen wird: ob als visuelles Surrogat und eben doch als Ort, der Kontemplation verschafft.
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