Es gibt nicht einen feministischen Park
Freiräume sind Teil unserer Städte, Orte der Gemeinschaft, aber auch der Ausgrenzung. Für welche Bedürfnisse trägt der Stadtraum, ob grün oder grau, Sorge, für welche nicht?
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Es gibt nicht einen feministischen Park
Freiräume sind Teil unserer Städte, Orte der Gemeinschaft, aber auch der Ausgrenzung. Für welche Bedürfnisse trägt der Stadtraum, ob grün oder grau, Sorge, für welche nicht?
Text: Kraft, Caroline, Berlin
Ich radle durch den Park, es ist Abend und schlecht beleuchtet, auf einer Seite des Wegs ist ein Baustellenzaun, auf der anderen wuchert Dickicht. Ich muss hier durch, bin spät dran. Laufen tun nur Männer. Die wenigen Frauen fahren Rad. Ich fühle mich unsicher. Ist ein dunkler Park in meiner Stadt für mich als Frau Sperrgebiet?
In Berlin gibt es etwa 2500 Parks und Grünanlagen. Sie machen laut Referat Freiraumplanung und Stadtgrün knapp elf Prozent der Gesamtfläche der Stadt aus. Einer der meistdiskutierten ist der Görlitzer Park in Kreuzberg. Der schwarz-rote Senat möchte ihn bis Ende des Jahres umzäunen, dem Protest einer überwiegend kritischen Zivilgesellschaft und der grü-nen Bezirksregierung zum Trotz. Er soll nachts abgeriegelt werden, um den Drogenverkauf ein-zudämmen. Geht es also nach der amtierenden Stadtregierung, kann einer der größten Berliner Grünräume bald nachts von keinem Menschen mehr durchquert werden. Zusätzlich zur Umzäunung ist die Installation von Flutlichtern vorgesehen. Ein menschenleerer Park kriegt Festbeleuchtung. Welche Art der Kriminalität wird hier unterbunden? Der Park an sich ist nicht das Problem. Es ist vielmehr, wer oder was im öffentlichen Raum Priorität hat und wem sie genommen wird, für wen eine Stadt also sorgt.
Kollektives Unwohlsein
Polina Medvedeva, Alexia Dufour und Sveta Gorlatova möchten die Prioritäten neu setzen. Seit 2023 engagieren sie sich als „feminist park collective“ (FPC) in Berlin. Studiert haben sie Gender Studies, Urban Studies, Sozial- und Kulturanthropologie und Kulturwissenschaften, Arbeitserfahrungen im Marketing, PR, der Museumsarbeit und der Stadtforschung. Sie haben zu gendergerechten Städten, feministisch-stadtplanerischem Aktivismus und zu Sicherheitsbedürfnissen im Stadtraum recherchiert. Einen feministischen Park gebe es nicht, sagen sie. „Das wären so viele Versionen eines Parks.“ Beispiel öffentliche Toilette. Da die Bedürfnisse Drogensüchtiger unsichtbar gemacht würden, gebe es für sie keinen sicheren Ort. Also müssten sie öffentliche Toiletten nutzen, weshalb andere es nicht mehr könnten.
Inklusion statt Macho-Buildings
Nach dem Verständnis von FPC sind unter anderem Frauen, Lesben, inter-, nicht-binäre, trans- und agender-Personen (FLINTA*) und von Rassismus und Klassismus betroffene Menschen im Alltag benachteiligt. FPC möchte diese Gruppen in offenen Workshops, durch „Safety-Walks“ und weitere Formate stärken, vernetzen und einladen, Impulse für die Entwicklung eines inklusiven Stadtraums zu geben. „Workout like FLINTA*“ ist eine Chatgruppe von inzwischen etwa 70 Personen, die sich (in kleineren Gruppen) auf öffentlichen Sportplätzen zum Trainieren treffen. Es geht um das Aneignen eines Sicherheitsgefühls in einem männerdominierten Umfeld. Und darum, sichtbar zu machen, dass das Gefühl der Unsicherheit kollektiv ist und kein Einzelfall.
FPC wählt digital vor allem Instagram, einen Newsletter und Chatgruppen, um zu kommunizieren. Auf die Frage, ob sie erreichen, wen sie ansprechen wollen, schütteln alle den Kopf. Wenn es um intersektionale Perspektiven gin-ge, sei es schwer, an alle heranzukommen, zu vielfältig die Sprachen, der Bildungshintergrund, die Informationsbeschaffung. Das Kollektiv ist sich auch seiner eigenen Wirkung bewusst: Die Sprache, meist Englisch, seltener Deutsch, Russisch oder Französisch, ist akademisch; manchmal, sagen die drei selbst, vielleicht zu abstrakt und theoretisch. Es ist, wieder einmal, schwer, die eigene Blase zum Platzen zu bringen. Wichtiger ist aber im Moment sowieso, sie zu stärken. Auch mit jungen Mädchen hat FPC schon gearbeitet.
2024 fand am leerstehenden Berliner Mäusebunker das „Festival für urbanes Wohlergehen“ statt, initiiert vom Netzwerk Urbane Praxis. Die mögliche Zukunft des ehemaligen Tierversuchslabors wurde an zehn Tagen diskutiert. FPC machten „Safety-Walks“. Die Spaziergänge waren explizit für alle offen, es kamen nur FLINTA*. Unter ihnen Studentinnen aus der Planung, die aus Eigeninitiative ihr Wissen zum Thema Sicherheit im öffentlichen Raum erweitern wollten.
Ziel der moderierten Spaziergänge war es, sichder Momente bewusst zu werden, in denen etwa Frauen als Nutzerinnen des Stadtraums verdrängt werden. Tagsüber, abends und in der Nacht untersuchten mehrere Gruppen die Umgebung am Teltowkanal rund um das „Macho-Building Mäusebunker“ auf gendersensible Planung. Dabei entstand eine Karte, auf der „Fallen“ vermerkt sind: Bauzäune, unausgeschilderte Sackgassen, Korridore zwischen Zaun und Kanal ohne Fluchtmöglichkeit. Nun ist der Mäusebunker weder repräsentative städtische Architektur, noch ist die angrenzende Umgebung auf Zeitverbringen ausgelegt. Deshalb ist es wie mit einem Brennglas: Die Angsträume und Problemzonen, die wir aus der Stadt kennen, werden gebündelt. Die Karte sollte längst dem Senat präsentiert werden, Medvedeva, Dufour und Gorlatova kennen den aktuellen Stand dazu nicht.
Toiletten und Tischtennis
FPC hat keinen akademischen Hintergrund in der Planung. Trotzdem macht das Team auf eine fehlerhafte Planungskultur aufmerksam – übrigens oft ohne finanzielle Entlohnung. Das Kollektiv hat bereits mit Architekturfakultäten zusammengearbeitet, um anzusetzen, bevor es in die Praxis geht. Oft fehlen im Curriculum kritische, sozialwissenschaftliche Inhalte. Bei Workshops mit Architekturstudierenden ermutigt das Kollektiv zum Perspektivwechsel, um bestimmten Gruppen bewusst zu machen, dass andere sich im Stadtraum unsicher fühlen könnten. „Sie waren teilweise sehr überrascht darüber. Und: Sie waren fast fertig mit dem Studium. Das Thema Sicherheit im öffentlichen Raum kam in der Lehre kaum vor.“
Was ist der Lieblingspark von denen, die sich so sehr mit deren Schwachstellen beschäftigen? Eine Weile ist es still. Es sind nicht die großen, bekannten. Es geht um emotionale Bindung, positive Erfahrungen und die Menschen, die dort sind. Ob es Toiletten – nicht nur Pissoirs – gibt, intakte Natur, genug Schatten, Trinkbrunnen oder Tischtennisplatten. Würden sie nicht schon so viel anderes machen, sagen die drei, könnten sie vielleicht einmal Workshops für Männer anbieten – unlearn patriarchy statt längeren Röcken.
Alexia Dufour ist Aktivistin und Mitbegründerin des Feminist Park Collective in Berlin. Sie studierte Ethnologie und Gender Studies und ist aktuell im Master Sozial- und Kulturanthropologie an der FU Berlin, wo der Schwerpunkt auf machtkritischen und intersektionalen Analysen von Stadtentwicklung, Gender und medizinischer Anthropologie liegt.
Sveta Gorlatova ist feministische Forscherin, Aktivistin und kulturelle Managerin. Sveta ist Mitbegründerin des Feminist Park Collective in Berlin. Sveta hat einen Abschluss in Gender Studies und beschäftigt sich mit queerer Geografie, intersektionalem Feminismus und Umweltgerechtigkeit.
Polina Medvedeva ist Stadtforscherin, Aktivistin und Mitbegründerin des Feminist Park Collective in Berlin. Ihr Fokus liegt auf sozialen Fragen, intersektional-feministischen Perspektiven sowie künstlerischen Methoden der Wissensproduktion und auf inklusiver und solidarischer Gemeinschaftsbildung.
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