Bauwelt

Großvolumige Ideen und Szenarien

Zwischen Hightech-Romantik, utopischer Stadtplanung und poe­tischer Naturverbundenheit: Die Ausstellung im Nieuwe Instituut in Rotterdam gewährt Einblicke in Ma Yansongs visionäre Entwürfe

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    Das FENIX Museum of Migration wurde im Mai in Rotterdam eröffnet. Es befindet sich im denkmalgeschützten „San Francisco Warehouse“ und wurde vom Architekturbüro MAD umgestaltet.
    Foto: Ossip van Duivenbode

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    Das FENIX Museum of Migration wurde im Mai in Rotterdam eröffnet. Es befindet sich im denkmalgeschützten „San Francisco Warehouse“ und wurde vom Architekturbüro MAD umgestaltet.

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    Ausstellungsansicht mit einem Modell des Shenzhen Bay Culture Park.
    Foto: MAD Architects

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    Ausstellungsansicht mit einem Modell des Shenzhen Bay Culture Park.

    Foto: MAD Architects

Großvolumige Ideen und Szenarien

Zwischen Hightech-Romantik, utopischer Stadtplanung und poe­tischer Naturverbundenheit: Die Ausstellung im Nieuwe Instituut in Rotterdam gewährt Einblicke in Ma Yansongs visionäre Entwürfe

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Mit der doppelläufigen Treppe, die aus dem zum Migrationsmuseum umgewandelten Lagerhaus „Fenix“ nach oben steigt, hat Ma Yansong eine bleibende Attraktion in Rotterdams innerstädtischem Hafengebiet geschaffen. Die Treppe mündet auf eine Dachterrasse, die Ausblick satt auf die beständig sich wandelnde Rotterdamer Skyline bietet. Bislang war das von Ma Yansong geführte und in Beijing ansässige Büro MAD in Europa noch sehr punktuell tätig. Das könnte sich ändern, zumal wenn potenzielle Bauherren die Ausstellung besuchen, die das Nieuwe Instituut mit und für Ma Yansong eingerichtet hat.
Das frühere Nederlands Architektuurinstituut (NAi), für ein paar Jahre geleitet von der unlängst verstorbenen Kristin Feireiss, stellt mit MAD ein Büro vor, das Architektur als Bauen für eine bessere, auf jeden Fall spektakuläre Zukunft versteht. Die glänzenden Edelstahlbrüstungen ihrer „Fenix“-Treppe mögen der Horror der dortigen Putzkolonne sein, sie stellen jedoch mit ihren Spiegelungen die Welt buchstäblich auf den Kopf. Und so sind auch die Architekturvisionen, die Ma Yansong und sein Team im Museum zeigen.
Ma Yansong ist auch der Architekt des derzeit im Bau befindlichen Lucas Museum of Narrative Art in Los Angeles, der Welthauptstadt des schönen Scheins und der Filmindustrie, der Museumsstifter George Lucas seinen Reichtum verdankt. Doch die Ausstellung ist auf China ausgerichtet. Großflächige Modelle zeigen großvo­lumige Ideen, angefangen mit der „Schwimmenden Insel“, die Ma Yansong für seine Master­arbeit an der Yale-Universität entwickelte. Sie steht in der Tradition von Utopien wie der Manhattan überspannenden Kuppel von Buckminster Fuller.
Für Beijing entwickelte Ma Yansong in der Zeit der Olympischen Spiele von 2008 meh­rere Szenarien für die Mitte des 21. Jahrhunderts: wiederum eine Reihe schwimmender Inseln im Geschäftsviertel, dann eine Zusammenballung metallener „Blasen“ über den gefährdeten – und um 2008 massiv zerstörten – traditionellen Wohnhöfen der Hutongs; und schließlich eine radikale Durchgrünung des Platzes des Himm­lischen Friedens, der bis heute eine riesige Aufmarschfläche darstellt.
Eine ganz andere, poetischere Architektur verbirgt sich unter dem Begriff der Shansui City; wobei „Shansui“ „Berge und Wasser“ bedeutet und eine Richtung der traditionellen chinesischen Malerei bezeichnet, die in der Darstellung harmonischer Landschaften eine idealisierte Beziehung zwischen Natur und Menschheit beschwört. Die von dem Raketenwissenschaftler Qian Xuesen vorgeschlagene und von MAD aufgegriffene „Shansui City“ sollte diese Haltung in urbane Konzepte überführen. Im Projekt Chaoyang Park Plaza im Südwesten von Beijing hat MAD in diese Richtung arbeiten können: Zwei Bürotürme sind in eine Umgebung von niedrigen Gebäuden vorwiegend zu Wohnzwecken eingebettet, umgeben von Grün in einer an den klassischen chinesischen Garten erinnernden Gestalt.
Bekannt wurde MAD mit dem Ordos Museum in der Inneren Mongolei. Das Gebäude, dessen Form an einen rundum abgeschliffenen, unregelmäßigen Kiesel erinnert, ist um ein schmales und hohes Atrium herum organisiert. Seine Fassade besteht aus stählernen Lamellen, die gegen die harten Winter und die häufigen Sandstürme abschließen. Zugleich sollen sie den Schutz der Kultur vor den Zumutungen der Urbanisierung symbolisieren, die längst auch in einer zuvor abgelegenen Wüstengegend wie der Inneren Mongolei Platz greift.
Stets geht es MAD auch um Emotionen. Ihre Bauten lassen nicht gleichgültig, und in der wiederholten Anmutung von Raumschiffen – der polierte Edelstahl! – transportieren sie eine unbestimmte Sehnsucht nach einer besseren Zukunft. So wie das Opernhaus in der nordchi­nesischen Industriestadt Harbin, das in seinen durchweg geschwungenen Formen an Eero Saarinens berühmtes TWA Terminal in New York denken lässt, in einem ungleich größeren Maßstab und mit einer Vielfalt gekurvter Formen, wie sie nur noch der Computer berechnen kann. In den schneereichen Wintern Harbins wird der Opernhaus-Komplex vollends zum strahlenden Ufo, aus einer unbestimmbaren Ferne gekommen, von innen her leuchtend und dem Weiß der Schneedecke nahtlos eingepasst. Da tritt die emotionale Komponente der Architektur von Ma Yansong zutage. Vielleicht muss ein Kulturbau so aussehen, der in einer Stadt prosaischer Nüchternheit seinen Platz beansprucht.
Fakten
Architekten MAD, Peking/Los Angeles
aus Bauwelt 17.2025
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