Bauwelt

Spröde Räume?

Grenzgebäude ohne Grenzverkehr, Tankstellen ohne Leuchtreklamen und Zapfsäulen – in seinen über lange Zeiträume entstehenden Serien zeigt der Fotokünstler Josef Schulz zeit­ge­nössische Zweckarchitekturen als anonyme Skulpturen.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

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    „spfr02“, 2005, C-Print
    Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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    Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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    „Wasser #2“, 2008, C-Print
    Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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    „Wasser #2“, 2008, C-Print

    Foto: © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Spröde Räume?

Grenzgebäude ohne Grenzverkehr, Tankstellen ohne Leuchtreklamen und Zapfsäulen – in seinen über lange Zeiträume entstehenden Serien zeigt der Fotokünstler Josef Schulz zeit­ge­nössische Zweckarchitekturen als anonyme Skulpturen.

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Der Fotokünstler Josef Schulz ist in der Architekturszene nicht unbekannt. 2001 fiel die Wahl der Jury des Europäischen Architekturfotografie-Preises unter knapp 500 Einsendungen auf den Düsseldorfer und seine Arbeit „Centre Commercial“. Die aus vier aneinandergereihten Panoramen bestehende Fotoserie französischer Einkaufszentren vermittelte, so die Jury damals, „durch den kühl-sachlichen Aufbau einen ungeschminkten Blick auf das Horrorszenario mancher Gewerbegebiete“.
Diesem Sujet ist Schulz zumindest in Teilen seiner Arbeit treu geblieben. In seiner Serie „Sachliches“ etwa hat er ab 2001 Industriebauten aus ihrem Kontext isoliert und zu autonomen Körpern werden lassen. Diese Allerweltsbauten sind nun ihrer ganzen Einfalt präsent, ihre gesteigerte Farbigkeit – rot-blau, grau-magenta, schwarz – wird zum titelgebenden und irritierenden Faktor zwischen monochromem Betonboden, synthetischem Rasengrün und milchigem Himmel. Ähnlich ging Schulz in seiner Serie „Terraform“ ab 2007 mit pittoresken Landschafts­situationen vor. Sie liefern ihm keinen Anlass mehr für romantische Sichten, im Gegenteil: Von Mensch, Tier oder Bebauung bereinigt, erblickt man nackte, schroffe Felsformationen oder eine digital aufgeforstete Halbinsel im Vierwaldstättersee, deren Baumbestand bis hinein in den Wasserspiegel reicht. In all diesen Kompositionen mag man eine Zivilisationskritik vermuten, sie wird durch den Hang zum pathetisch Formalen jedoch nicht ostentativ gestützt.
Josef Schulz, Jahrgang 1966, hat ab 1993 in der legendären Fotoklasse von Bernd und Hilla Becher an der Kunstakademie Düsseldorf studiert und 2002 als Meisterschüler unter Thomas Ruff abgeschlossen. Unverkennbar ist die Prägung durch seine Lehrmeister: als Serie konzipierte Bildthemen, große Formate, eine zumindest noch latent dokumentarische Haltung. Nun entsprang der Becher-Schule aber auch eine eindrucksvolle Zahl höchst erfolgreicher Fotokünstler und -künstlerinnen: Nicht nur im US-amerikanischen Kunstbetrieb ist seit Ende der 1990er Jahre „Struffsky“ (in Anlehnung an das Trio der wohl renommiertesten Becher-Schüler Thomas Struth, Thomas Ruff und Andreas Gursky) das Synonym für eine zu gigantischen Formaten auflaufende, farbgewaltige Fotokunst im Geiste der Düsseldorfer Schule. Es muss somit auch besonders für Studierende der späten Jahre schwierig gewesen sein, im Erwartungsdruck zu bestehen sowie in der internen Konkurrenz der Fotoklasse einen eigenständigen Zugang im Medium zu finden.
Schulz drehte gewissermaßen den Spieß um: Aus einer abbildenden Qualität der Fotografie wurde eine bildgebende, den Techniken digitaler Postproduktion gedankt. Und so verläuft sein Arbeitsprozess bis heute in etwa identisch: Ein Motiv, Schulz sagt „Objekt“, wird mit der analogen Plattenkamera auf Negativmaterial aufgenommen, ein großformatiges, farbiges Positiv dann digitalisiert und aufwendig bearbeitet. Einer radikalen Strategie − wie ein Bildhauer oder Farbfeldmaler interessiert an Masse, Fläche, Schatten oder Kolorit − folgen dann auch seine Bildzugriffe auf die Welt: ausschneiden, bereinigen, montieren, spiegeln, die Manipulation scheint kaum Grenzen zu kennen.
Schulz kann aber auch anders: Für seine Serie „Übergang“ porträtierte er ab 2005 aufgelassene Kleinarchitekturen ehemaliger Grenzsicherungen im innereuropäischen Schengenraum. Mag sein, dass für den gebürtigen Polen Josef Schulz Staatsgrenzen brutalere Beschränkungen bedeuteten als für Westeuropäer. Wie Bilder biografischer Betroffenheit schält Schulz die skurrilen Baurelikte präzis durchgezeichnet heraus, während er den landschaftlichen Kontext abmildert – unschöne Erinnerungen, die bitte verblassen mögen. Mit derart narrativer Qualität des Fotografischen näherte sich Schulz nach der globalen Finanzmarktkrise auch suburbanen Situationen in nicht gerade prosperierenden Weiten der USA. Für die Serie „Poststructure“ ab 2010 wählte er den Kunstgriff der American Night – ein Blaufilter verleiht dem leicht unterbelichteten Bild den Effekt geheimnisvollen Mondlichts – und findet so beklemmende Metaphern für eine Kultur ökonomischen, sozialen und politischen Niedergangs.

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