Arts And Crafts
Text: Landes, Josepha, Berlin; Kraft, Caroline, Berlin
Arts And Crafts
Text: Landes, Josepha, Berlin; Kraft, Caroline, Berlin
1990 entschieden die Bürger und Bürgerinnen: Karl-Marx-Stadt soll wieder Chemnitz heißen. Nun ist das „Sächsische Manchester“ Kulturhauptstadt Europas – neben Nova Gorica in Slowenien und dessen italienischer Nachbarstadt Gorizia. Brüche prägen die Identität beider Orte: Während Gorizia nach dem Zweiten Weltkrieg zu zwei unterschiedlichen Staaten zugehörigen Teilen wurde, fand Chemnitz, das in der Gründerzeit als industrielles Zentrum mit Textilfabriken und Automobilherstellung floriert hatte, sich plötzlich in einem politischen Einflussgebiet hinterm Eisernen Vorhang wieder. Es sollte Vorzeige-Arbeiterstadt werden – deshalb erfolgte 1952 die Taufe nach Karl Marx.
Das Wechselspiel der Namen verleiht einer Spannung Ausdruck, die auch das Stadtbild zeigt: Das im Sinne der sozialistischen Planung angelegte Zen-trum kam nie in avisierter Weise zum Strahlen. Nach der Wiedervereinigung setzte man auf Konsumtem-pel in West-Manier, und die Relikte der goldenen Jahre – etwa das unterdessen zum Archäologischen Museum umgebaute Kaufhaus Schocken – finden sich heute um brandaktuelle, mitunter fragwürdige Neubauten ergänzt. Kaum verwunderlich, dass bei all dem Gesinnungswechsel gerade die Karl Marx-Büste – der „Nischl“ (Kopf) – als Wahrzeichen überlebte. Karl Clauss Dietel, Formgeber diverser DDR-Design-Klas-siker, pointierte den Identitätskonflikt seiner Wahlheimat, indem er sie „Karl-Chemnitz-Stadt“ nannte. Vielleicht ist dieser ihr eigentlicher Name. Er trifft jedenfalls den Ansatz des Kulturhauptstadtjahres, ihre Qualitäten in den Brüchen zu verorten.
Order an object
Kisten, Schachteln, Päckchen, Boxen. Woran denken Sie jetzt? An die Freuden des Auspackens? Die Neugierde, die einen auf Dachböden überkommen kann, in Lagerhäusern oder Kellern? An den Stress vorm Umzug oder Verreisen? Fällt Ihnen ein, dass Sie noch ein Paket von der Post holen müssen?
Woran wir seltener denken: die Logistik, die hinter alltäglichen Gebrauchsgegenständen steckt. Unsere Zahnbürste ist vermutlich weiter gereist als wir es je tun werden; nachdem wir sie entsorgt haben, macht sie als „Müll“ wieder eine Weltreise. Und dann gibt es Dinge, die nur unter Sicherheitsauflagen zirkulieren, zu Restaurations-, Ausstellungs- oder Forschungszwecken. Artefakte, Ausstellungsstücke von unschätzbarem Wert, ideell oder aufgrund ihres Materials. Vielleicht, weil das Holz, aus dem sie geschnitzt sind, kunstfertig bearbeitet ist oder weil sie zu etwas ge-hören, das längst verschwunden ist.
In diesem Heft blicken wir auf zwei Projekte des New Yorker Architekturbüros Diller Scofidio + Renfro, das sowohl auf der Architekturbiennale in Venedig als auch im neuen V&A East Storehouse in London Päckchen und Kisten öffnet. Und, so viel sei verraten: Um click & collect kommen wir beiderorts nicht herum.






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