Bauwelt

Gebaute Zeichen

Symboltheorie der Architektur

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

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Gebaute Zeichen

Symboltheorie der Architektur

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

Es sind nicht die besten Zeiten für Theorie. Die Suhrkamp-Bestände sind ins (Marbacher) Archiv gewandert, und auch die Architekturtheorie scheint nur noch schwach vernehmbar, da sich die Architektur selbst an Fragen der Wärmedämmung abarbeitet.
Fast verwegen kommt einem da ein Band wie „Gebaute Zeichen“ – eine Symboltheorie der Architektur“ (Ontos Verlag) vor, der eher im Himmel platonischer Ideen denn im Alltag heutiger Büros angesiedelt scheint. Und doch besitzt das Buch, das auf über 500 Seiten jede Menge schnörkellose philosophische Argumentationskunst auffährt, einen Bezug zur Praxis, jedenfalls zu der des Architekturkritikers.
Die Spur, die der Autor verfolgt, ist von einem philosophischen Klassiker vorgegeben, dem Amerikaner Nelson Goodman, der in den 1960er Jahren eine weit beachtete Symboltheorie („Sprachen der Kunst“) entwarf und darin Musik, Malerei, Skulptur etc. in ihren symbolischen Grundfunktionen miteinander verglich. Es ging um Fragen wie die, was ein Gemälde eigentlich darstelle bzw. repräsentiere, ob in der Musik das Werk, das wir bewundern, in der konkreten Aufführung oder in der Partitur läge. Parallelen zur Architektur sind durchaus vorhanden; so ist die Frage der zeitlichen und lokalen Identität eines architektonischen Werkes relevant für die Frage der Beurteilung von Rekonstruktion – die Rekon­struk­tion des Mies’schen Barcelona-Pavillons 1986 am ursprünglichen Ort gilt gemeinhin nicht als Original.
Im Zentrum des Buches aber steht die Beobachtung, dass über Architektur meist unscharf geredet wird. Ein Gebäude ‚drückt‘ etwas ‚aus‘, heißt es. Es deutet an, repräsentiert, manifestiert, zitiert, verkörpert etwas usw., wobei es dem Autor auf das ‚Wie‘ dieses so schillernden Verhältnisses ankommt, nicht so sehr, ob die Chaumont-Kapelle nun mit einem Schiff, einer Ente oder einem ausgestreckten Finger verglichen wird, ob am zurückhaltenden oder dominierenden Gestus eines Gebäudes die demokratische Verfasstheit oder umgekehrt die autoritäre Macht des Staates ablesbar wird. Es geht vielmehr darum, welche formalen, konstruktiven oder funktionalen Eigenschaften weitergehende Urteile und Kennzeichnungen begründen können. Das Urbild, nach dem Baumberger dieses symbolische Verhältnis versteht, ist das eines Stoffmusters, das dazu dient, bestimmte Eigenschaften (z.B. Webart, Farbe) anschaulich zu machen, andere aber nicht (seine Größe). Bauwerke funktionieren daher überwiegend wie Muster, indem sie ästhetisch wichtige Eigenschaften hervorheben oder, so der Fachausdruck, exemplifizieren. Resümee: Alles kann zählen; es kommt wie immer auf die Betonungen an.
Das Buch macht seine Thesen erfreulicherweise durch eine Fülle von (wenn auch drucktechnisch schlechten) illustrierten Beispielen anschaulich. So breitet es in der Tat ein Instrumentarium an potentziell qualifizierenden Architektur-Elementen für die Interpretation aus – was historische Kenntnisse alles andere als überflüssig macht. Dass Herzog & de Meurons entstehende Elbphilharmonie gar den Typus einer Philharmonie exemplifiziert, wird nur dem deutlich, der erkennt, wie mit der Dachform auf einen anderen Klassiker angespielt wird, auf Scharouns Berliner Philharmonie nämlich. Die Theorie ist, recht verstanden, nicht zuletzt ein indirektes Plädoyer auch für Architekturgeschichte.
Fakten
Autor / Herausgeber Christoph Baumberger
Verlag Ontos Verlag, Heusenstamm 2010
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aus Bauwelt 18.2011
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