Bauwelt

Die Theresienwiese

Analyse und Betrachtung

Text: Rumpfhuber, Andreas, Wien

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Die Theresienwiese

Analyse und Betrachtung

Text: Rumpfhuber, Andreas, Wien

Architekturforschung, Designforschung, Research by Design, all dies sind geflügelte Worte in der Architektur und Design Community. Unzählige Publikationen beschäftigen sich mit Forschung im Design und in der Architektur.
Renommierte Büros eröffnen Forschungsunternehmungen, um sich auch am Markt der neuen Servicedienstleistung für die Industrie und die Politik zu etablieren. Aber auch immer mehr junge Büros nennen ihre spekulativen Studienprojekte und Konzeptstudien heute Research und sind scheinbar zum Publizieren gezwungen, um in der Aufmerksamkeitsökonomie des kognitiven Kapitalismus nicht übergangen zu werden.
Mit dieser Unmenge an immer professionelleren und schöneren Publikationen stellt sich die Frage, welche Form von Wissen Architektenforschung eigentlich produziert. Zwei wunderbare Beispiele belegen zumindest eine affirmative Tendenz. Das eine Buch wurde vom Wiener Architekturduo Heidi Pretterhofer und Dieter Spath zusammen mit dem deutschen Stadtforscher und Publizisten Kai Vöckler herausgegeben. Das Buch „Land. Rurbanismus oder Leben im postruralem Raum“ ist ein buntes, wildes, mitunter auch spannendes Potpourri. Das Bilderlesebuch mit kleinen textlichen wie grafischen Parabeln, der Dokumentation räumlicher Interventionen und mit spekulativen Studien, an denen die Herausgeber seit 2003 arbeiten, will „die Grenzen urban-zentral und ländlich-peripher überschreiten,“ sich also einer Raum­­ty­po­lo­gie hinwenden, „die weder in der Stadt noch am Land, noch dazwischen angesiedelt ist“. In selbstbewusster Architektenmanie postuliert das Vorwort ganz im Sinne des Zeitgeistes sich „in unterschiedlichen Formaten und Disziplinen diesem Phä­nomen genähert [zu ha­ben] und dabei zugleich eine Theorie wie auch eine Praxis des Rurbanismus entworfen zu haben.“
Das andere Buch hat der deutsch-französische Architekt und Kurator Mathieu Wellner anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Oktoberfest-Wiesn in München herausgegeben. Das eigenwillig altmodische, wunderschön gestaltete kleine Buch „Die The­resienwiese, Analyse und Betrachtung“ portraitiert den Ort nicht nur als Versammlungsstätte, sondern auch als städtischen Freiraum, als brach daliegende Wiese eben. Wellners Wiesenbuch enthält reduzierte, klassisch anmutende Freihandskizzen und typologische wie topologische Analysen der Wiese und ihres städtischen Kontextes, als auch die historische Genealogie. In einem zweiten Teil des Buches hat Mathieu Wellner vier „Experten“ eingeladen. Die schreiben über die Aneignung von öffentlichem Raum (Sewing), vom Luxus der Leere (Meuwissen), über Tourismus und Freizeit (Moravánszky) und über Freiräume der Stadt (Kaltenbrunner). Das Buch endet ironisch mit kurzen schriftlichen, ja literarischen Eindrücken verschiedenster Münchner Akteure.
In keinem der beiden Bücher sind die Texte für sich sonderlich spannend. Vor allem in ersterem Buch wurde mir bei den tendenziösen Formulierungen und Anrufung höherer Gewalten (der Philosophen) teilweise schwindelig. Jedoch sind es auch keine reinen Textbücher, sondern eben Bilderbücher. So muss der Versuch unternommen werden, sie auf ihre Collage aus Zeichnungen und Texten hin zu lesen. Dabei ist es eine Freude, sich im Rurbanismus-Buch auf die Spur der grandiosen österreichischen Radiomacher Fritz Ostermayer und Thomas Edlinger und ihren wahn­witzigen Dialogen zu machen und die urbanen Interventionen von Pretter­hofer/Spath genauer zu verfolgen. Im Wiesn-Buch dagegen sind die Aktualisierung der altmodischen Form der Illustration als Analyseinstrument für räumliche Sachverhalte als auch der Beitrag von Joost Meuwissen hervorzuheben. So produzieren beide Bücher auf jeweils ihre eigene Art und Weise ein ungesichertes Wissen, ein Wissen, das sich nicht festschreiben lässt, sondern sich permanent neu ausrichtet.
Fakten
Autor / Herausgeber M. Wellner
Verlag Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2010
Zum Verlag
aus Bauwelt 42.2011
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