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90-Minuten-Leere

Kirsten Klingbeil hatte auf ein paar mehr Spiele gehofft

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

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Kirsten Klingbeil hatte auf ein paar mehr Spiele gehofft


90-Minuten-Leere

Kirsten Klingbeil hatte auf ein paar mehr Spiele gehofft

Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin

Wenn dieses Heft erscheint, steht das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland kurz bevor – ohne das schon lange trostlos ausgeschiedene deutsche Team. Und so sehr der frühe Abschied des Noch-Weltmeisters schmerzt, trauere ich vor allem dem verfrüht zu Ende gegangenen Public-Viewing nach. Auch wenn auf der Fanmeile inmitten des Großen Tiergartens weiter alle Spiele gezeigt wurden, vor den Spätis und in den Bars die Fernseher aufgebaut blieben und die WM weiterverfolgt werden konnte, war eines anders: die 90-Minuten-Leere in der Stadt.
Mit über 25 Millionen Zuschauern allein bei den Vorrundenspielen, saß ein Drittel der Deutschen in dieser Zeit vor den Bildschirmen, ob zu Hause, im Kiez oder auf öffentlichen Plätzen. Es ist nicht so, dass ich keines der Spiele gesehen hätte – doch es hatte eine ganz eigene Qualität in dieser Zeit durch die Stadt zu laufen, Orte aufzusuchen, die man sonst eher meidet, mitten am Tag fast verlassene Ecken zu entdecken. Ein bisschen so, wie früh morgens, deutlich vor der gewohnten Zeit, aus dem Haus zu gehen: Die Leere der Straßenzüge, die geschlossenen Geschäfte mit heruntergelassenen Jalousien, die konträren Routinen lassen einen Ungeahntes entdecken, was in der belebten Hektik einfach übersehen wird. Ohne die deutsche Mannschaft fielen beim WM-Schauen diejenigen Millionen weg, die Fußball ausschließlich während EM und WM interessiert; sie gingen, als sei das Turnier bereits beendet, wieder ihrer gewohnten Wege.
Man könnte erwarten, dass es dieses Phänomen der Leere auch sonst in Berlin zu erleben gibt, da die Straßen das ganze Jahr über für Großveranstaltungen verkauft werden und die Massen anziehen. Marathonläufe und Radrennen, Leichtathletikweltmeisterschaften, Straßenfeste, Karnevals und Musikfestivals lassen einen die Stadt ebenfalls neu entdecken. Etwa dann, wenn man wieder einmal nichtsahnend vergessen hat, die gesperrten Hauptstraßen großräumig zu umfahren, und in Autokolonnen durch Nebenstraßen schleicht. Natürlich sucht man sich Berlin als Wahlheimat aus, gerade um Teil dieses urbanen Lebens zu sein, um den öden Kleinstadtsonntagen zu entfliehen, um Fußball an jeder Ecke schauen zu können. Es hätte nur noch ein paar Dinge gegeben, die ich in den 90 Minuten gern allein gemacht hätte.

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