Gesamtkunstwerk Berlage
Retrospektive in Den Haag
Text: Baumeister, Ruth, Rotterdam
Gesamtkunstwerk Berlage
Retrospektive in Den Haag
Text: Baumeister, Ruth, Rotterdam
Das Gemeentemuseum Den Haag ist das letzte Werk von Hendrik Petrus Berlage (1856–1934). Anlässlich seines 75-jährigen Bestehens hat das Museum seinem Architekten eine Ausstellung gewidmet: „Berlage Total!“
Was steht hinter dem etwas reißerischen Ausstellungstitel? Geht es um das außergewöhnliche Bauwerk, eine Ikone des modernen Museumsbaus? Oder soll der Architekt, ein Wegbereiter der Moderne, etwa als eine Art Gesamtkünstler ins 19. Jahrhundert (zurück-)verwiesen werden?
Ziel war es, so die Kuratoren, Berlage in seiner Vielseitigkeit als Architekt, Designer, Typograf und nicht zuletzt als Person, zu präsentieren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Geschichte des Museums, das erst ein Jahr nach Berlages Tod fertiggestellt wurde. Bis heute besticht es durch seine außergewöhnliche Lichtführung. Das Begleitprogramm bietet Vorträge und Exkursionen zu den Haager Bauten des Architekten an. In der Ausstellung selbst wurden Interieurs aufgebaut, die von der Qualität und Zeitlosigkeit seines Gebrauchsdesigns zeugen. Interessant sind die extra für die Schau gefertigten Reproduktionen der Tapetenentwürfe in der Arts-&-Crafts-Tradition. Eine kleine Entdeckung: die wenig bekannten typografischen Arbeiten Berlages etwa für Buchumschläge oder seine Reiseskizzen.
Berlages Möbeldesign ist von der Handwerkskunst und der Ehrlichkeit im Materialgebrauch geprägt. Dekoration und Ornament weichen zunehmend der Sachlichkeit und dem Gebrauchskomfort. Ein ganzer Ausstellungsraum widmet sich der Entwicklung seines Stuhldesigns. Dabei werden Verbindungen zu Gottfried Semper und zu ägyptischen Stühlen aufgezeigt. Dass Berlages Ideen selbst auf heutiges Design ausstrahlen – deutlich etwa bei Richard Huttens Stühlen im Museumscafé zu sehen – wird leider nicht thematisiert. Und warum von Berlages Bauten ausgerechnet das Einfamilienhaus Henny und die Versicherung „De Nederlanden“ vorgestellt werden, bleibt unklar. Möglicherweise weil es sich hierbei um Gebäude in und um Den Haag handelt? Will man Berlage in seiner Vielseitigkeit zeigen, so stellt sich die Frage, warum keiner seiner städtebaulichen Entwürfe präsentiert wird. Schließlich hat er etwa für Amsterdam und Den Haag wichtige städtebauliche Planungen verfasst und umgesetzt. Das „Gesamtkunstwerk Berlage“ wird also doch nur ausschnittweise beleuchtet, die Logik der Auswahl erschließt sich nicht an jeder Stelle.
Die Präsentation wirkt etwas angestaubt: Die Interieurs sind in riesige Glaskästen verpackt, wodurch die Ausstellungsarchitektur bedauerlicherweise zur Musealisierung der eigentlich überaus aktuellen Designobjekte beiträgt. Lobend zu erwähnen: die neue Audiotour durch das Museum, die für die Ausstellung entwickelt wurde, aber auch danach für die Besucher verfügbar bleibt.
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