Bauwelt

Für eine nachhaltige Architektur der Stadt

Die Bandbreite der hier versammelten Beiträge ist beachtlich, wird doch versucht, ein Gesamtspektrum von nachhaltigem Planen, Bauen und Nutzen mit der speziellen Gewichtung des urbanen Kontextes aufzuzeigen.

Text: Brensing, Christian, Berlin

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Für eine nachhaltige Architektur der Stadt

Die Bandbreite der hier versammelten Beiträge ist beachtlich, wird doch versucht, ein Gesamtspektrum von nachhaltigem Planen, Bauen und Nutzen mit der speziellen Gewichtung des urbanen Kontextes aufzuzeigen.

Text: Brensing, Christian, Berlin

Unter dem prosaischen Buchtitel und hinter dem unscheinbar grauen Einband verbirgt sich eine vielsagende Ansammlung von 16 Aufsätzen zu einem der Schlagworte unserer Zeit – Nachhaltigkeit. Offen gestanden ein viel strapazierter, wenn gar nicht geschundener Begriff, aber es gelingt dem 190 Seiten zählenden Bändchen mit seinen verstreuten s/w-Illustrationen, die Herausforderungen für Architektur und Städtebau aus unterschiedlichsten Perspektiven zu beleuchten. Nachhaltigkeit wird da-bei zu einer der wesentlichen Bemessungsgrundlagen des Planens und Bauens im Anthropozän. Dem Ganzen liegt eine Veranstaltungsreihe der Stiftung urban future forum e.V. aus Frankfurt am Main zu Grunde, in deren Vorstand sich auch die beiden herausgebenden Architekten befinden.
Die Bandbreite der hier versammelten Beiträge ist beachtlich, wird doch versucht, ein Gesamtspektrum von nachhaltigem Planen, Bauen und Nutzen mit der speziellen Gewichtung des urbanen Kontextes aufzuzeigen. Mit dem anfänglichen Bezug auf Aldo Rossis Traktat „Die Architektur der Stadt“ von 1966 weisen die beiden Herausgeber dezidiert auf die vor sechzig Jahren begonnene kritische Hinterfragung der Veränderungen im städtischen Umfeld hin. Die darin angeprangerten, im europäischen Stadtbild durch die Moderne hinterlassenen Flurschäden sind für Happ und Kleine-Kranenburg die Initialzündung einer zunächst aus der urbanen Historie abgeleiteten Nachhaltigkeit – „einer Nachhaltigkeit, die in erster Linie auf Qualität setzt und die dem Umbau und dem Weiterbau-en im Bestand Vorrang gibt vor dem Neubau“.
Unbestreitbar, vor allem das Neubauen und Betreiben von Gebäuden und Infrastruktur sind gewaltige Ressourcen-Fresser, wie gleich im ersten Aufsatz der Paläontologe Volker Mosbrugger herausstellt. Sein Fazit heißt, eine systemische Nachhaltigkeit anzustreben: „Wie ein konkretes Ergebnis dieses Bemühens aussieht, ist immer eine Frage der vernünftigen Abwägung und der Prioritätensetzung.“ Die damit einhergehende Relativierung – ohne einer Verflachung anheimzufallen – der jeweiligen Aufgaben und Herausforderungen in pointiert gefassten Beiträgen ist ein Pluspunkt dieser Publikation. Das hier abgebildete Spektrum des nachhaltigen Planen und Bauens reicht von pragmatischen Novellierungsvorschlägen für eine Musterbauordnung, eine Analyse der Bodeneigentumsverhältnisse und Bauherrenschaft in Deutschland, über den Sinn und Zweck von Lehmbauten bis hin zu ästhetischen Reaktionen auf unsere Gebäude und Städte, was im Bestfall in einen sinnlichen wie ebenso heilenden Effekt von Nachhaltigkeit übergeht.
Polemischer, aufrüttelnder geht es bei Hans Kollhoff zu. Sein latenter Verdacht des Greenwashing mit eingebautem Profit-Turbo in Bezug auf Gebäudezertifizierung, Baukultur-Elogen und Kreislaufwirtschaft läuft in seinen Worten auf eine schamlose „Tyrannei des gut Gemeinten und Wohlfeilen“ hinaus. Für Kollhoff haben wir damit in der Architektur den „Point of no return“ überschritten.
Wie auch immer, über einen Punkt kommt die Publikation (ebenso wie viele andere) nicht hinaus: Wie erklärt sich, dass bei der so eindringlichen wie erdrückenden Faktenlage, den vielfachen Krisen und ebenso vielen Appellen so wenig als Abhilfe aus der Misere geschieht? Wie kommen wir über diesen toten Punkt hinweg? Ist es uns immer noch nicht bewusst, wie weit wir über die Grenzen des nachhaltigen Wachstums hinausgeschossen sind und sich hinter manchem Quäntchen Fortschritt auch ebenso viel, wenn nicht gar mehr Rückschritt verbirgt? Angesichts dieses gemeinhin als value-action-gap bekannten Auseinanderklaffens von Wertvorstellung und Handlung wünscht man sich eine erweiterte Neuauflage, die dann auch in der Buchaufmachung alle „graue, fantasielose Funktionalität“ hinter sich lässt.
Fakten
Autor / Herausgeber Jens Jakob Happ und Helmut Kleine-Kraneburg (Hrsg.)
Verlag Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2025
Zum Verlag
aus Bauwelt 01.2026
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