Komfortables Warten
Boris Schade-Bünsow verlangt an Bahnhöfen nach besserer Aufenthaltsqualität für alle
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Komfortables Warten
Boris Schade-Bünsow verlangt an Bahnhöfen nach besserer Aufenthaltsqualität für alle
Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin
Die anhaltenden Verspätungen im Fernverkehr der Deutschen Bahn sind längst mehr als ein betrieblicher Mangel – sie entwickeln sich zu einem strukturellen Problem mit spürbaren Auswirkungen auf den Alltag hunderttausender Reisender. Besonders sichtbar wird das auf den Bahnsteigen großer und mittelgroßer Bahnhöfe, wo sich immer häufiger deutlich mehr Menschen aufhalten, als ursprünglich vorgesehen.
Denn die Infrastruktur ist darauf nicht vorbereitet, schließlich sind Bahnhöfe traditionell auf planmäßige Aufenthalte ausgelegt: kurze Wartezeiten, kalkulierbare Zugfolgen, begrenzte Verweildauer. Wenn sich Verspätungen jedoch auf 30, 60 oder gar 90 Minuten zuspitzen, verwandeln sich Bahnsteige in provisorische Aufenthaltsräume ohne die dafür notwendige Ausstattung. Sitzplätze sind vielerorts Mangelware, geschützte Wartebereiche wurden in den vergangenen Jahren zurückgebaut oder ganz entfernt. Beheizte Warteräume, einst selbstverständlicher Bestandteil größerer Bahnhöfe, stehen häufig nur noch privilegierten Reisenden zur Verfügung. Diese Zustände sind sozial ungerecht. Sie betreffen vor allem ältere Menschen, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Familien mit Kindern – und auch potenzielle Neukunden der Deutschen Bahn.
Wer gezwungen ist, über längere Zeit zu stehen, ungeschützt vor Kälte, Hitze oder Regen, erlebt Mobilität nicht als nachhaltige Alternative, sondern als Zumutung. Besonders gute Beispiele dafür finden sich an den stark frequentierten Knotenpunkten wie Frankfurt (Main), Köln oder Berlin. Gerade dort, wo Verspätungen im Fernverkehr Kettenreaktionen auslösen, sind Bahnsteige oft überfüllt. Ähnliches gilt für Umsteigebahnhöfe wie Hannover, Mannheim oder Erfurt. In kleineren Bahnhöfen verschärft sich diese Situation, da dort Wartehallen außerhalb der Ladenöffnungszeiten geschlossen sind.
Wer ernsthaft möchte, dass die Bahn das Rückgrat des Verkehrs wird, muss akzeptieren, dass Verspätungen die Realität sind und Bahnhöfe entsprechend ausstatten. Andernfalls droht der weitere Verlust von Vertrauen, Akzeptanz und letztlich auch von Fahrgästen.







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