Bauwelt

Ende gut: Kunsthalleninterim

Für drei Jahre genießt die Frankfurter Schirn in der Dondorf-Druckerei Bockenheimer Indus­triecharme

Text: Scheuermann, Anna, Offenbach

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    Mit dem Einzug der Frankfurter Kunsthalle beginnt ein neues Kapitel für die Dondorf-Druckerei. Nach nur 14 Monaten Umbaumaßnahmen, feierte die Schirn Einweihung.
    Abb.: © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: De-Da Productions

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    Mit dem Einzug der Frankfurter Kunsthalle beginnt ein neues Kapitel für die Dondorf-Druckerei. Nach nur 14 Monaten Umbaumaßnahmen, feierte die Schirn Einweihung.

    Abb.: © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: De-Da Productions

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    Abb.: © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Norbert Miguletz

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    Abb.: © Schirn Kunsthalle Frankfurt 2025, Foto: Norbert Miguletz

Ende gut: Kunsthalleninterim

Für drei Jahre genießt die Frankfurter Schirn in der Dondorf-Druckerei Bockenheimer Indus­triecharme

Text: Scheuermann, Anna, Offenbach

„Dondi bleibt“ prangt in Großbuchstaben auf einer Wand, daneben „Abrissmoratorium. Kulturzentrum. Pilotprojekt“, auf einem Tor klebt ein Sticker „Besetzen“. Diese Überbleibsel sind Zeugnisse eines heißen Kampfes um die Dondorf-Druckerei im Frankfurter Stadtteil Bockenheim. Die Druckerei war 1890 errichtet und bis 1928 von der jüdischen Familie Dondorf für die Herstellung lithografischer Erzeugnisse betrieben worden. In den folgenden 30 Jahren erlebte sie eine wechselhafte Geschichte, zu deren Tiefpunkten die Beschlagnahmung in der NS-Zeit und die teilweise Zerstörung im Krieg gehören. Schließlich ging sie ins Eigentum der Goethe Universität über, die dort von 1961 bis 2022 das Institut für Kunstpädagogik unterbrachte.
Nach dessen Auszug herrschte Leerstand mit ungewisser Zukunft. Bis das Land Hessen das nach wie vor bebaute Grundstück freigab für einen Neubau des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA). Dagegen regte sich 2023, rund 50 Jahre nach dem „Frankfurter Häuserkampf“, heftiger Widerstand diverser Initiativen. Gleich zwei Mal kam es zu Besetzungen, bei denen für mehrere Monate unter dem Motto „Druckerei für Alle!“ ein Kulturzentrum auf die Beine gestellt wurde. Im Dezember 2023 wurde endgültig geräumt, doch die Geschichte fand ein grundsätzlich gutes Ende: Der Abriss wurde verhindert, denn das MPIEA zog sich Anfang 2024 zurück, und es wurde bekanntgegeben: Die Dondorf-Druckerei wird für die Zwischennutzung durch die Schirn Kunsthalle saniert.
14 Monate Bauarbeiten später: Seit Anfang September beherbergt die ehemalige Druckerei für etwa drei Jahre die Schirn, so lange bis ihr Stammsitz am Römerberg (Bangert, Jansen, Scholz & Schultes, 1986) energetisch auf den neusten Stadt gebracht ist. Anschließend soll der Komplex teilweise abgerissen, der Rest für die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst umgebaut und erweitert werden. Die Politik sieht die Bespielung des Backsteinbaus durch die Kunsthalle als Startpunkt des „Kulturcampus“ – und somit als erstes greifbares Ergebnis eines seit mehr als 25 Jahren andauernden Prozesses.
Alles begann im März 1999, als der „Kulturvertrag“ des Landes Hessen mit der Stadt Frankfurt am Main den sukzessiven Wegzug der Universität aus Bockenheim festhielt und damit die Umnutzung für neue Zwecke, wie Wohnen und Kultur, ermöglichte. Planungsdezernent Marcus Gwechenberger hält den Kulturcampus heute für „eines der spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands“. Dieser erlebe derzeit einen wichtigen Paradigmenwechsel, da statt der ursprünglich geplanten Flächensanierung des rund 17 Hektar großen Areals nun schrittweise und bestandsorientiert weiterentwickelt werde. Über die Zukunft diverser Hochschulgebäude der Nachkriegsmoderne, etwa der Bauten von Ferdinand Kramer (Universitätsbaumeister von 1952 bis 1964), gibt es nach wie vor hitzige Debatten, deren Ausgang ungewiss ist. In der Zwischenzeit erprobt das New-European-Bauhaus-Projekt „Vision 31“ Zwischennutzungen im öffentlichen Raum und in ausgewählten Bauten.
Der Umbau der Dondorf-Druckerei durch das Frankfurter Büro Bjoern Schmidt Architektur, in Zusammenarbeit mit Raumlabor aus Berlin, das für die Innenraum- und Hofgestaltung hinzugezogen wurde, war wegen des knappen Zeitplans ein Kraftakt für alle, doch scheint dies gleichzeitig eine enorme Motivation gewesen zu sein. Der Ansatz der Stadt, den Gebäudekomplex „zu reparieren, statt zu sanieren“ (Gwechenberger), ermöglichte eine Aktivierung des Bestands ohne Neubau-Standard, Priorität hatten die Ressourcenschonung und die Erfordernisse einer Kunsthalle. Unwägbarkeiten und Entdeckungen im Bestand, wie etwa die Freilegung von historischen Stahlstützen, wurden en passant in die laufende Planung und die Baustelle einbezogen.
Für Schirn-Direktor Sebastian Baden und die beiden beteiligten Architekturbüros wurde die Umgestaltung zu einem Herzensprojekt. Die kollaborative Zusammenarbeit und das kreative Zusammenspiel der Zeitschichten werden beim Eintreten ins Erdgeschoss am deutlichsten, dessen Charme von rau belassenen, weiß getünchten Backsteinwänden und kontrastierenden, farbigen Möbeln, Rolltoren und Türen sowie bunt lackierten Stützen und Trägern bestimmt ist. Eine vorgelagerte Terrasse mit Rampenanlage führt barrierefrei durch den neuen dreiteiligen Haupteingang in den Eingangsbereich, wo linker Hand Workshopbereich und Café liegen, mittig die Kasse steht. Hier können unterschiedliche Szenarien geschaffen werden – durch die Schaltung von Rolltoren und das Arrangement von flexiblen Sitzmöbeln und bühnenartigen Elementen.
Über das südliche Treppenhaus und den dortigen Aufzug geht es zum großen Ausstellungsraum und zur Verbindungsbrücke im 1. OG sowie in die weiteren Etagen. Im 2. OG wurde Raum für Initiativen geschaffen, die unter anderem einen Gedenkort schaffen wollen, und im 3. OG sind die Büroräume der Schirn untergebracht; das oberste Stockwerk wurde vorerst nicht reaktiviert. Nicht mehr erkennbar: Der Personenaufzug sitzt im Schacht des bisherigen Lastenaufzugs, der neue Lastenaufzug wurde in ein Gerüst vor das Haus gesetzt, das auch für Werbung genutzt wird. In ähnlicher Art wurden Suffizienz und Effizienz beim Bauen im Bestand auch an anderen Stellen mitgedacht, beispielsweise hat man vorhandene Bodenbeläge belassen und nur stückweise ausgebessert oder Materialien eingesetzt, die in Zukunft auch wieder rückstandsfrei gelöst werden können.
Der Erhalt und die Sanierung der Dondorf-Druckerei für die Schirn Kunsthalle ist ein Pilotprojekt, das beispielhaft für das Motto der Initiative HouseEurope steht: „Fix It! Ja zu Renovierung – Nein zu Abriss“. Mit angemessenen Maßnahmen und durchdachter Gestaltung können unsere Bestandsgebäude in die heutige Zeit versetzt werden, hier am Beispiel eines Interims für eine Kunsthalle. Viele der Kulturorte, die in den 1950er bis 80er Jahren in Deutschland entstanden sind, haben dringenden Sanierungs­bedarf und benötigen Orte, an denen Sie sich zwischenzeitlich niederlassen können.

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