Bauwelt

Welche Funktion hat ein Museum?

Neue gesellschaftliche Herausforderungen für Museen im 21. Jahrhundert

Text: Mezzalama, Giulia, Turin

Welche Funktion hat ein Museum?

Neue gesellschaftliche Herausforderungen für Museen im 21. Jahrhundert

Text: Mezzalama, Giulia, Turin

Im August 2022 hat das International Council of Museums eine neue Definition des Museums herausgegeben. Sie ersetzt einer Vorgängerdefinition von 2007 und legt einen neuen Schwerpunkt auf Begriffe wie Zugänglichkeit, Inklusion, Diversität und Teilhabe, mithin auf die soziale Rolle kultureller Institutionen.
Im angelsächsischen Raum sind in den letzten zehn Jahren viele Studien veröffentlicht worden, die zeigen, wie ein Museumsbesuch dazu beitragen kann, soziale Isolierung, Stress und Angst zu bekämpfen und Selbstachtung und Zugehörigkeitsgefühl zu stärken (vgl. Chaterjee, Camic 2015). Es handelt sich hierbei um eine recht neue Art und Weise, auf Museen zu blicken, die sich bereits in einer Umgestaltung der musealen Räume ausdrückt. Das Singapore National Museum hat kürzlich einen „Calm Room“ eingerichtet, in den sich Besucher zurückziehen können, um sich von einer eventuellen Reizüberflutung zu erholen. Ähnlich der „Room to Breathe“ in der Manchester Art Gallery, der nach Prinzipien der Achtsamkeit funktioniert. Die Turiner Museen nehmen an einem Pilotprojekt teil, in dem das Wohlbefinden, das durch einen Museumsbesuch entsteht, untersucht werden soll. Außerdem hat die „Fondazione per l’Architettura“ unter dem Titel „Cultura di Base“ Arztpraxen in Museen eingerichtet, und das Projekt „Luoghi Comuni“ des Vereins „Mad in Design“ thematisiert den posi­tiven Effekt freundlicher öffentlicher Orte wie Museen auf Menschen, die an einer psychischen Störung leiden.
Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass solche Projekte in der Zeit der Pandemie entstanden sind. Diese hat die Verletzlichkeit der Gesellschaft aufgezeigt – auf dieser Grundlage muss das Verhältnis zwischen Museen und ihren Zielgruppen neu definiert werden. Die Online-Tagung „Museums, Health and Wellbeing”, die am 6. und 7. Februar stattfand, eröffnete einige neue Perspektiven. Die meisten Teilnehmer kamen aus dem Vereinigten Königreich und den USA, während außer Belgien kein einziges kontinental­europäisches Land vertreten war. Dies kann kaum überraschen, sind doch die ersten Studien zur Auswirkung von Kunst auf die Gesundheit vor allem in England entstanden (vgl. Fancourt, Saoirse, 2019).
Das University College in London beispielsweise stellte das „UCL Museum Wellbeing Measures Toolkit“ vor, das bereits englandweit zum Einsatz kommt. Und der finnische Museumsverband präsentierte eine Studie, der zufolge sich der Wert des durch einen Museumsbesuch erzeugten Wohlbefindens auf rund 800 Euro beziffern lasse. Dieser Wert kam zustande, indem 4000 Probanden die Steigerung ihres psychischen und physischen Wohlbefindens nach einem Museumsbesuch mit einem Schätzwert in Euro angeben sollten (Falk, 2023). Dass man vom Arzt einen Museumsbesuch verschrieben bekommt, was 2018 in Montreal und kürzlich auch in Brüssel erprobt wurde, scheint vor diesem Hintergrund nicht mehr so weit entfernt zu sein. Eine erneute Gelegenheit, über diese Themen zu diskutieren, wird es am 18. Mai geben, wenn die ICOM den International Museum Day unter dem Motto „Museums, Sustainability and Wellbeing“ ausrichten wird.
Aus dem Italienischen: Leonardo Costadura

0 Kommentare


loading
x
loading

9.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.