Bauwelt

Was tun mit den Atommeilern?

Umnutzungsideen für riesige Energiearchitekturen

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

Was tun mit den Atommeilern?

Umnutzungsideen für riesige Energiearchitekturen

Text: Hamm, Oliver G., Berlin

Das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) in Berlin ist dem Bundesumweltministerium angegliedert und kümmert sich um die Endlagerung radioaktiver Abfälle. Nicht zuständig dagegen ist es für den Rückbau oder die Nachnutzung der 31 deutschen Kernkraftwerke. Diese Aufgabe obliegt den jeweiligen Eigentümern – außer bei Kernforschungszentren sind dies ausschließlich Energieversorgungs­unternehmen – sowie den oftmals sehr kleinen Kommunen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Bundesamt, im Foyer seines Dienstsitzes, einer Ausstellung ein Podium bietet, die neben einer Rückschau zur Kernkraftgeschichte in Deutschland mögliche Alternativlösungen zu einem Abriss der Kernkraftwerke bietet.
Die Ausstellung und die Begleitpublikation sind Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojekts vom Fachgebiet Städtebau der Universität Kassel (siehe Seite 20 dieses Heftes). Studenten erarbeiteten sieben Konversionsprojekte für fünf Kraftwerksstandorte, die im BASE-Foyer ausführlich dokumentiert werden. Zwei Fotoessays – ein historischer („Protest und Exekutive“ von Günter Zint, leider ohne Bildlegenden) und ein aktueller („Landschaft und Alltag“, eine Bestandsaufnahme aller KKW-Standorte von Nils Stoya) sowie der einstündige Dokumentarfilm „Unter Kontrolle“ von Volker Sattel aus dem Jahr 2011 ergänzen die Ausstellung.
Nicht nur der Zeitraum für den Rückbau eines jeden Kernkraftwerks von zehn bis 15 Jahren, sondern vor allem das Bauschuttvolumen verbieten in einer Zeit, die vom Nachhaltigkeitsgedanken geprägt ist, eigentlich jeden Gedanken an einen Totalabbruch: Allein der sogenannte Kontrollbereich eines KKW ließe 150.000 Tonnen Bauschutt entstehen. Bei einem Druckwasserre­aktor müssen nur rund vier Tonnen radioaktiver Abfall zwangsläufig in einem Endlager deponiert werden, das heißt gut 97 Prozent der Baumasse inklusive Anlagenteilen könnten wiederverwendet werden. Nicht verschwiegen werden sollte allerdings, dass ausgerechnet die gesetzlich vorgeschriebenen Zwischenlager, die bis zur In­betriebnahme eines Endlagers (frühestens 2050) an den Standorten verbleiben müssen, Nachnutzung beeinträchtigen können.
Es gibt bereits erste Beispiele für eine erfolg­reiche Konversion von Kernkraftwerken: Der nie ans Netz gegangene „Schnelle Brüter“ in Kalkar dient heute als Freizeitpark und Tagungsstätte, und das Maschinenhaus des Kernkraftwerks Greifswald wird zur Kranherstellung genutzt. Die Ausstellungsmacher schreiben, dass die beiden nördlichsten Kraftwerke in Brunsbüttel und Brokdorf als Wasserstoffspeicher dienen könnten, denn sie lägen in unmittelbarer Nähe zu großen Energietransportwegen.
Die im BASE präsentierten studentischen Projekte spannen ein weites Feld für mögliche Nach­nutzungen von Kernkraftwerken auf, zum Beispiel für Kultur, Wissen, Industrie, Energie oder Natur, die jedem KKW-Eigentümer und jeder betroffenen Kommune zum gründlichen Studium empfohlen werden kann. Wer bis Mitte April nicht die Ausstellung im BASE besuchen können wird oder wer sich weiter in das Thema „Nach der Kernkraft“ vertiefen möchte, dem sei der Begleitband ans Herz zu legen.

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