Im vergangenen Sommer erschien rechtzeitig zu seinem 80. Geburtstag Jean Nouvels Buch „Mes convictions“ (Meine Überzeugungen), in dem er sich an Claude Parent erinnert. Im Kapitel „Je me souviens“ schreibt er: „Ich erinnere mich, dass Parent einen Parker mit schwarzer Tinte hatte. Auf meine armseligen, mit Bleistift gezeichneten Blättern setzte er die Gewissheit seiner dicken, vollen und geschwungenen Striche.“ An anderer Stelle schreibt Nouvel: „Ich erinnere mich, während eines großen Frühjahraufräumens einen Yves Klein aus dem Müll gerettet zu haben, und legte ihn auf den Schreibtisch von Parent.“

Bereits 2006 erschien ein Beitrag im Rahmen der Veröffentlichung „Claude Parent, vu par … 50 témoignages du monde entier“, der im neuen Buch von Nouvel nochmals zu lesen ist. Dort schreibt er: „Einige meiner Freunde haben mir oft gesagt: ,Du hast ihm viel zu verdanken‘. Undankbar – aber klarblickend – habe ich stets geantwortet: ,Ich schulde ihm nichts: Alles, was ich von ihm habe, hat er mir ausdrücklich, mit Leichtigkeit und Distanz, bedingungslos gegeben. So habe ich nur das behalten, was ich wirklich wollte‘. Aus diesem Grund habe ich mich immer frei gefühlt und nie auch nur im Geringsten die Versuchung verspürt, den Vater Claude (Parent) … oder den Onkel Paul (Virilio) zu ‚töten‘. Und doch muss man anerkennen, dass ich unter Einfluss stand. Mehr als nur fasziniert. Ich war hingerissen. Ich bin es immer noch. … Doch zurück zum Wesentlichen: Was hast du mir, ohne es so aussehen zu lassen, gegeben? Den Stolz, Architekt zu sein – mit erhobenem Haupt, klarer Stimme, stilbewusst, sportlich unterwegs. Ach, die Freude, einige Monate mit einem deiner Autos fahren zu dürfen: dem khakifarbenen ,Architecture Principe‘-Jeep mit dem großen weißen Logo auf der Motorhaube! Der Auftritt am Abend in Saint-Germain … Erfolg garantiert. Ach, mein erster roter Triumph TR4A – ein Sportwagen, um Claude Parent auf den Baustellensitzungen in Épernay zu vertreten …“

Feiner Anzug und ein Wohnsitz im noblen Vorort Neuilly-sur-Seine – das war auch Claude Parent, der sich in seinem offenen Sportwagen sicher-lich für die 1960 neu eröffnete Stadtautobahn Boulevard Périphérique begeisterte.

In einem weiteren Beitrag, der 2018 erschienen ist, schreibt Nouvel: „Clau-de Parent ist ein Künstler. Ein Künstler lebt in seinen eigenen Welten, aber auch in seinem eigenen Universum. Claude Parents Thema ist die absolute Architektur – eine Architektur, die andere Architekturvorhaben befruchtet … Aber auch eine Architektur, die ihren ganzen Sinn und ihre ganze subversive Kraft aus dem Ausdruck von Utopien schöpft – Utopien, die beweisen, dass unsere reale Welt derzeit viel zu vorhersehbar und begrenzt ist.“

2007 widmete Jean Nouvel seine ebenfalls am Boulevard Périphérique stehende Philharmonie de Paris Claude Parent – ein Ensemble aus Rampen, schrägen Terrassen und scheinbar wegrutschenden Dächern.