Die Pergola als Verbindung
In Canberra, der grünen Planstadt der Moderne, soll das Botschaftsareal der Bundesrepublik neu geordnet werden. Gefordert waren ein zukunftsfähiger Neubau der Kanzlei sowie der Erhalt und die Anpassung der Residenz.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Die Pergola als Verbindung
In Canberra, der grünen Planstadt der Moderne, soll das Botschaftsareal der Bundesrepublik neu geordnet werden. Gefordert waren ein zukunftsfähiger Neubau der Kanzlei sowie der Erhalt und die Anpassung der Residenz.
Text: Redecke, Sebastian, Berlin
Fragt man Australien-Reisende nach ihren Stadtbesichtigungen werden Sydney, Melbourne, Adelaide, vielleicht Brisbane und an der Westküste Perth genannt. Canberra, die Hauptstadt des Landes mit ihren 450.000 Einwohnern, ist meist nicht dabei. Dabei lohnt ein Blick auf ihre Geschichte: Canberra ist eine Stadtgründung nach einer Planung von 1908 des in Chicago und später lange Zeit in Australien lebenden Architektenpaars Walter Burley Griffin und Marion Mahony Griffin. Man hatte sich nicht auf Melbourne oder Sydney als Hauptstadt einigen können und entschied sich für eine neue Stadt, die im Landesinneren zwischen den beiden liegt – und ihren Status als Kapitale 1927 erlangte. Entstanden ist eine grüne, ausgedehnte Auto-Planstadt ohne jeden Pomp. Ihre Mitte bildet der kreisrunde State Circle mit dem Capital Hill. Das neue Parlamentsgebäude, 1988 eingeweiht, liegt in großen Teilen unter dem Hügel. Die Anlage von Canberra ist deutlich bescheidener konzipiert als die Stadtgründung Brasília, die in den 1950er Jahren entworfen wurde – aber auch hier schließt ein größerer, neu angelegter und weit verzweigter See an. In Canberra führt eine große Straßenachse vom State Circuit über den See weiter nach Norden.
Die Deutsche Botschaft liegt nahe dem Parlamentsgebäude im westlich gelegenen Stadtteil Yarralumla an der Straßenecke Capital Circuit/Turrana Road. Sie ist weiträumig eingebettet in eine Parklandschaft mit altem Baumbestand, zum Teil Eukalyptusbäume, und umgeben von zwei- bis dreigeschossigen Bauten, darunter eine Reihe von Botschaftsgebäuden anderer Länder. Am Circuit steht ein einfaches Wachhaus mit Pultdach und dahinter ein zweigeschossiger Bau, der mit seiner Fassade an ein typisches deutsches Verwaltungsgebäude der Nachkriegszeit erinnert – der Bau entstand tatsächlich 1958. Im Osten schließen sehr bescheiden Residenz und Ergänzungsbauten an. Im Norden liegt ein großer Garten mit Tenniscourt.
Die Aufgabe der 14 nach einem Bewerbungsverfahren eingeladenen Planerteams war die Neuplanung des gesamten Botschaftsareals mit Kanzlei und Residenz. Dabei wurde in der Auslobung „die Instandsetzung bzw. ein teilweiser Erhalt des Residenzgebäudes als nachhaltigste und wirtschaftlichste Lösung erachtet.“ Außerdem war vorgesehen, dass das australische Nachhaltigkeitszertifikat Green Star für die Gebäude mit der Zielsetzung von sechs Sternen erreicht wird.
Die Preisträger Richter Musikowski aus Berlin mit dem Büro Iahznimmo Architects aus Sydney haben großen Respekt vor der ortsspezifischen Landschaft und Topografie, denen auch schon während der Gesamtplanung Canberras viel Beachtung geschenkt wurde. Die Stadt ist umgeben von bewaldeten Hügeln, Grasland und Naturparks. Die Baumkronen auf dem Eckgrundstück der Botschaft beschreiben einen durch die Topografie sanft abfallenden, raumbildenden Bogen. Diesem Naturraum steht das neue, den Entwurf bestimmende Pergola-Dach mit filigranen Stahlstützen gegenüber, das einen Wiesenbereich umgreift. Es verbindet für die Architekten sowohl die Gebäude als auch die Natur miteinander zu einem „repräsentativen und zugleich intimen, poetischen Garten“. Die Vordächer bilden Zwischenräume, dienen als klimatische Pufferzone und Ort der Begegnung. Der dreigeschossige Neubau der Kanzlei und die zweigeschossige Residenz beachten die Maßstäblichkeit der Nachbarbauten und werden zu einer Gesamtfigur verbunden. Richter Musikowski schreiben dazu in der Sprache der Diplomatie: „Die bewohnten Räume unter dem geschwungenen Vordach, das Grasland und der Landschaftspfad, der es umgibt, werden das Teilen von Erfahrungen, den Austausch von Ideen und die Stärkung der bestehenden Beziehungen zwischen Deutschland und Australien fördern.“
Das Residenzgebäude wird erhalten, umgebaut, nach Westen erweitert und um einen Pavillon im Osten ergänzt. Dieser Pavillon mit offener Halle und Außenküche dient Gartenempfängen. Im Obergeschoss liegen Räume für Gäste und Bedienstete. Die Kanzlei soll als Holzrahmen-Konstruktion mit Hanfkalk-Wänden gebaut werden. Auf dem Grundstück ist eine geothermische Wärmepumpe und auf den Dächern sind Photovoltaik-Anlagen vorgesehen. Für die Jury, die einstimmig entschied, überzeugt der Entwurf „sowohl durch seinen landschaftlichen Ausdruck mit der neuen niedrigen Dachtraufe sowie in seiner Einfachheit und Ökobilanz“.
Den zweiten Preis erhielten die Büros Hacke aus Berlin und Kerstin Thompson aus Melbourne. Ihr Entwurf zeichnet sich durch den weitgehenden Erhalt der Residenz mit subtilen Veränderungen und Ergänzungen zur Verbesserung der Funktionalität aus. Die Klarheit der Architektur der 1950er Jahre geht nicht verloren. Die neue Kanzlei besteht aus einem Gebäudeblock, der mit einem Edelstahl-Mesh umhüllt ist, das die Sichtverbindung nach außen einschränkt. Die Jury begrüßt aus ökologischer Sicht die Entscheidung für Holz-Lehm-Hybriddecken und Kerne aus Stampflehm. Im Landschaftsentwurf sollen sich australische mit deutschen Pflanzen in einem überzeugenden Konzept mischen.
Der dritte Preis ging an das Münchener Büro von Dietrich Untertrifaller. Das Botschaftsgebäude wird mit viel Begrünung stark in den Garten integriert. Beide Bauten – Teile des Bestandsgebäudes werden auch bei diesem Entwurf genutzt – sind geprägt von großen Dachüberständen und extensiver Dachbegrünung. Die Architekten schlagen unter anderem einen Brettschichtholz-Skelettbau mit vorgesetzten Lamellen vor. Außerdem kommen Hanfkalk-Ziegel zum Einsatz. Für die Jury sind bei diesem Projekt die Grundrisse in ihrer Raumanordnung und funktional sehr überzeugend gelöst.
Die Auslobung des Wettbewerbs sieht ein Verhandlungsverfahren unter den Preisträgern vor. Bei den Architekten Richter Musikowski, die vor kurzem auch den internationalen Wettbewerb für ein Zukunftszentrum in Halle (Saale) gewannen (Bauwelt 16.2025), darf man mit Blick auf den hohen Anspruch der vielen mit Sorgfalt entworfenen Details ihres 2019 eröffneten Berliner Ausstellungsgebäudes Futurium gespannt sein – in der weiteren Ausarbeitung besonders auf die Konstruktion des den Entwurf prägenden Pergola-Dachs. Mit den zu erwartenden Mühen bedingt durch die große Entfernung und im Austausch mit dem australischen Partnerbüro, das die Fachplanung vor Ort übernimmt, ist dies eine herausfordernde Aufgabe.
Nicht-offener, einphasiger Wettbewerb
1. Preis (31.000 Euro) Richter Musikowski Architekten, Berlin, mit lahznimmo architects und Spackman Mossop Michaels, beide Sydney
2. Preis (22.000 Euro) Buero Hacke, Berlin, mit Kerstin Thompson Architects und Openwork, beide Melbourne
3. Preis (15.500 Euro) Dietrich Untertrifaller Architekten, München, mit Kieran Fraser Landscape Design, Wien
Anerkennung (4500 Euro) allmannwappner mit Schueller Landschaftsarchitekten, beide München
Anerkennung (4500 Euro) Kersten Kopp Architekten mit POLA Landschaftsarchitekten, beide Berlin
Ausloberin
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt (AA)
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Auswärtige Amt (AA)
Fachpreisjury
Jasna Moritz, Lucinda McLean, Jasmine Ong, Volker Staab (Vorsitz)
Jasna Moritz, Lucinda McLean, Jasmine Ong, Volker Staab (Vorsitz)
Wettbewerbskoordination
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Referat A2, Berlin
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), Referat A2, Berlin







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