Die Architektur erstickt am alten Zopf
Editorial
Text: Landes, Josepha, Berlin
Die Architektur erstickt am alten Zopf
Editorial
Text: Landes, Josepha, Berlin
L’Esprit Nouveau – der neue Geist – hieß die Zeitschrift, in der Le Corbusier seine Ansichten, was die Architektur der Moderne ausmache, zuerst als Essays veröffentlichen ließ. In einem Buch zusammengefasst trugen sie schließlich, 1923, den Titel „Vers une Architecture“. An dieser sperrig zu übertragenden Wortfolge versuchten sich deutsche Verlage mit „Kommende Baukunst“ (Deutsche Verlags-Anstalt, 1926) oder „Ausblick auf eine Architektur“ (Ullstein, 1963). Ein neuer Geist ist auch heute, ein Jahrhundert später, aus der Flasche. Sicherlich schreibt sich das, was derzeit gebaut, erdacht und konzipiert wird, die heutige „neue Architektur“, ihrerseits ein in die Moderne, doch sie bricht auch mit deren Ansichten. Endlich, sagen die einen. „Ernsthaft?“, fragen andere angesichts halbfertig wirkender, blanker Strukturen, und: „Ist das überhaupt Architektur?“ Uns interessiert: Welcher ist der neue Geist der Architektur?
Le Corbusier galt lang als Gott der Architektur. Sei-ne als Manifest proklamierten Punkte entwickelten sich zum Dogma. Dieses Bild gewinnt Risse: Genies sind out, Teamwork und Prozesshaftes, Haushalten und der Blick über den Tellerrand der Profession an der Tagesordnung. Die Ästhetik wirkt dabei mitun-ter beiläufig, dabei ist sie genau das selten. Architekturschaffen ist ein Drahtseilakt: Es ist an der Zeit, mit Parolen zu brechen und doch laut genug zu sein. Wenn auch die Prämissen sich im Laufe der Jahre gewendet haben: Lassen sich Le Corbusiers Worte nicht auch als Thesen von fortdauernder Gültigkeit lesen? Wir reißen die heiligen Sätze in dieser Bauwelt bewusst aus dem Kontext und beschwören das Substrat von Gedanken, die sich einer zur Architektur gemacht hat. Wir spinnen sie fort – blaugepaust auf aktuelle Entwicklungen. Bei aller Veränderung verstehen wir es als unsere Aufgabe, zu erkunden, was Architektur ist, bleibt und wird.







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