Bauwelt

Contra Nachbau

Die Mühlendamm­brücke in Berlin soll abgerissen und genauso wieder aufgebaut werden − zum Unmut vieler Bürger. Unser Autor hat einen Vorschlag als Kompromiss

Text: Müller, Christian

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    Demonstration gegen den autogerechten Ausbau der Mühlendammbrücke, 2019.
    Abb.: Changing Cities; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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    Demonstration gegen den autogerechten Ausbau der Mühlendammbrücke, 2019.

    Abb.: Changing Cities; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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    Der Plan zeigt das Städtebauliche Leitbild des Senatsbeschlusses von 1999.
    Abb.: Changing Cities; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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    Der Plan zeigt das Städtebauliche Leitbild des Senatsbeschlusses von 1999.

    Abb.: Changing Cities; Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen

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    Vorschlag einer neuen Brückenaufteilung. Die Seitenansicht verdeutlicht, dass mit einem flachen geraden Fahrbahnträger die Rampenlänge reduziert werden könnte.
    Zeichnungen: Christian Müller

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    Vorschlag einer neuen Brückenaufteilung. Die Seitenansicht verdeutlicht, dass mit einem flachen geraden Fahrbahnträger die Rampenlänge reduziert werden könnte.

    Zeichnungen: Christian Müller

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    Die Alte Gertraudenbrücke, 1977. Sie führt die Gertraudenstraße über den Spreekanal zum Spittelmarkt.
    Die 1894/95 gebaute steinerne Gertraudenbrücke steht unter Denkmalschutz und erhielt 1977 mit der südlich parallel verlaufenden Neuen Gertraudenbrücke eine Erweiterung.

    Foto: Berlin-Mitte-Archiv

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    Die Alte Gertraudenbrücke, 1977. Sie führt die Gertraudenstraße über den Spreekanal zum Spittelmarkt.
    Die 1894/95 gebaute steinerne Gertraudenbrücke steht unter Denkmalschutz und erhielt 1977 mit der südlich parallel verlaufenden Neuen Gertraudenbrücke eine Erweiterung.

    Foto: Berlin-Mitte-Archiv

Contra Nachbau

Die Mühlendamm­brücke in Berlin soll abgerissen und genauso wieder aufgebaut werden − zum Unmut vieler Bürger. Unser Autor hat einen Vorschlag als Kompromiss

Text: Müller, Christian

Als die Mühlendammbrücke 1969 fertiggestellt wurde, war sie Ausdruck von Modernität, eine Investition in ein autogerechtes Ostberlin – einer Stadthälfte, in der es damals jedoch nur wenige private Autos gab. Heute, rund fünfzig Jahre später, ist diese Spannbetonbrücke nicht mehr sanierungsfähig und muss ersetzt werden. Informationen darüber, wie stark die Schäden sind, kann man nicht bekommen, da die Schadensgutachten von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) unter Verschluss gehalten werden. Seit zwei Jahren kämpft eine aus 18 Berliner Vereinen bestehende Allianz, darunter AIV, BUND, Bürgerforum Berlin, Fuss e.V., Changing Cities und IGEB, für einen neuen Mühlendamm und um eine zeitgemäße Verkehrs- und Brückenplanung an dieser Stelle mit deutlich reduziertem motorisierten Individualverkehr.
Wo bleibt die von allen Berliner Regierungsparteien angekündigte Verkehrs- und Mobilitätswende? Sind die von SenUVK vorausgesetzten 62.800 Fahrzeuge pro Tag wirklich das adäquate Ziel einer CO2-neutralen Verkehrsentwicklung bis 2050? Die Berliner Koalition favorisiert eine starke Bürgerbeteiligung und hat dafür Leitlinien festgelegt – die beim Neubau der Mühlendammbrücke nicht angewendet werden. Das einzige Angebot war eine Informationsveranstaltung der SenUVK Anfang November 2020, die aber nicht zum Auftakt einer echten Bürgerbeteiligung werden durfte. Denn „dafür ist die Brücke zu marode und muss nun schnell durch einen Ersatzbau erneuert werden“ und „es geht doch nur um eine Brücke“, so der zuständige Staatssekretär Ingmar Streese.
Der geplante Realisierungswettbewerb soll nun schnellstens veröffentlicht werden. Nach langen Verhandlungen mit dem Bezirksstadtrat Ephraim Gothe kam der Kompromiss zustande, dass man später die neue überbreite Brücke umnutzen könne. Der Senat plant jetzt eine Brücke, die kaum einen Unterschied zu der autogerechten Überdimensionierung der 1960er Jahre aufweist. Auf diese Weise entsteht kein Städtebau, der diesen Namen verdient – und das an einem für Berlin überaus wichtigen historischen Ort. Es scheint, als ob immer noch allein die Verkehrsplaner über die Qualitäten der Berliner Mitte entscheiden. Hier zeigt sich, dass die Trennung der Bauverwaltung in zwei Senatsverwaltungen unter verschiedenen politischen Leitungen nicht hilfreich ist: Die Verwaltungen arbeiten mehr gegen- als miteinander.

Aus dieser Ausgangslage entstand folgender Kompromissvorschlag:
1. Es braucht zuerst einen städtebaulichen Wettbewerb, der klärt, wie die Straßen- und Platzräume gestaltet werden und welche Qualitäten sie haben sollen und wie wir in Zukunft die Verkehrsströme lenken wollen. Am Leipziger Platz beträgt die Straßenbreite unveränderlich 24 Meter. Die dortige Planung einschließlich der Straßenbahn sollten unser Maßstab sein.
2. Beim Neubau der Mühlendammbrücke muss die Verkehrsführung an der Gertraudenbrücke und die Aufteilung der Leipziger Straße gemeinsam gedacht werden, da ansonsten beide Brücken in bisheriger Breite neu gebaut werden müssen.
3. Bis man weiß, wie sich der Verkehr entwickelt, sollte zuerst nur die südliche Hälfte der Mühlendammbrücke neu gebaut werden, damit es nicht zu einer Brückensperrung kommt. Während des Baus steht der nördliche Brückenteil weiterhin zur Verfügung.
4. Nach Fertigstellung kann dieser Teil ausschließlich dem Fahrrad- und Fußgängerverkehr gewidmet werden. Das spart Kosten und bringt Zeit für eine notwendige städtebauliche Diskussion. Der Mühlendamm wäre erstmals ein Ort des Verweilens und der Begegnung − ein Balkon an der Spree mit Blick zum Humboldt Forum.
Die Gertraudenbrücke verdient dabei besondere Aufmerksamkeit. Auch hier setzt SenUVK auf den Erhalt der autobahngleichen Trasse über die Neue Gertraudenbrücke von 1977, während SenSW im Planwerk Innere Stadt die Wiedergewinnung der Stadträume Gertraudenstraße und Spittelmarkt ohne eine neue Gertraudenbrücke plant. Die Gertraudenbrücke von 1894 trug bis in die 1970er Jahre eine vierspurige Straße und die Straßenbahntrasse.
Auch in Zukunft könnte die sanierte Gertraudenbrücke diesen Anforderungen genügen – ergänzt um eine Radfahrertrasse. Auf diese Weise würde eine Stadtstraße entstehen, die den historischen Gegebenheiten entspricht, eine viel höhere Aufenthaltsqualität bietet und den öffentlichen Nahverkehr und den Rad- und Fußgängerverkehr stärkt. Es ergäben sich Vorteile:
Bei dem Erhalt des nördlichen Teils der Mühlendammbrücke als Fahrrad- und Fußgängerbrücke könnten die Lasten noch lange ohne Ertüchtigung getragen werden, das bringt eine CO2-Ersparnis. Es werden zunächst 50 Prozent der Baukosten gespart und auch der Wegfall der Neuen Gertraudenbrücke bringt massive Einsparungen. Außerdem könnte die Gestaltung des nördlichen Brückenteils ohne Druck diskutiert werden, vor allem auch unter Einbeziehung der Bürger. Und schließlich: Weniger versiegelte Flächen, weniger CO2-Emissionen durch reduzierten Straßenbau und weniger Aufheizung des Stadtklimas!

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