Bauwelt

Canan Rohde-Can

1965–2025

Text: Will, Thomas, Dresden

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Foto: Sebastian Weingart
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Canan Rohde-Can

1965–2025

Text: Will, Thomas, Dresden

Die Geschichte von Canan Rohde-Can beginnt mit einer Flucht und endet mit ihrem allzu frühen Tod. Es ist dennoch eine Erfolgsgeschichte. Sie führt aus der Osttürkei, von wo die alevitische Familie vertrieben worden war, über Istanbul, wo Canan 1965 geboren wurde, ins Rheinland. Nur dank der Beharrlichkeit der Mutter durfte Canan das Gymnasium besuchen. Texte der Schülerin, die Eingang in die Migrantenliteratur fanden, erzählen von der bedrückenden Lebenswirklichkeit jener „doppelt Fremden“, der Gastarbeiterkinder, denen auch die Welt ihrer Kindheit, die sie nur noch in den Ferien aufsuchen konnten, in der Ferne verschwand. In Canans Fall aber nicht ganz – ihr Weg führte immer wieder auch zurück.
Als Kind auf den Baustellen ihrer unternehmerisch tätigen Großmutter dabei, wandte sie sich später selbst der Architektur zu. Sie studierte an der RWTH Aachen und, als Meisterschülerin von Prof. Ernst Kasper, an der Kunstakademie Düsseldorf. „Ein Zuhaus für mich“ hieß ihr erster Studienentwurf. 1987 bereiste sie China, als das gerade erst möglich wurde, und besuchte das Gebiet der turksprachigen Uiguren, Auf einer Städtebauexkursion wirkte sie danach an dem Film „Istanbul Gecekondu – Über Nacht gebaut“ mit, der den dortigen informellen Stadtrandsiedlungen nachging. Als Studentin bereits bei Wettbewerben erfolgreich, nahm Canan an der Internationalen Sommerakademie 1989 im Ruhrgebiet teil, wo sie mit Eckart Rohde zusammenarbeitete. 1992 heirateten sie – in Istanbul. Es folgten Lehrjahre in Düsseldorfer Büros, Mitte der 1990er Jahre aber zog es beide in den Osten. In Dresden fanden sie eine Fülle von Planungsaufgaben. Canan war eine Weile auch Mitarbeiterin bei Prof. Carlo Weber und dessen Nachfolger Prof. Ivan Reimann an der TU Dresden. Aus dieser Zeit blieb sie mir, vor allem aber ihren Studenten als eine Persönlichkeit in Erinnerung, die zugleich Stärke und Herzlichkeit ausstrahlte. „What would Canan do?“, fragte man (Mies weiterdenkend) im Studio. Damals wäre sie gern selbst Professorin geworden; später nahm sie einmal eine Gastprofessur an der TH Nürnberg an. Über die Jahre stellte sie aber fest, dass ihr das eigene Büro und die damit verbundene Freiheit als Unternehmerin mehr bedeuteten. Enttäuscht auch von Erlebnissen in der einstigen politisierten Studentenszene meinte sie, sie sei gerne (erfolg-) reich.
Das 1998 gegründete Büro Rohdecan wurde dann tatsächlich eine Erfolgsgeschichte. Auf frühe Wettbewerbserfolge folgten viele weitere, vom Städtebau hin zu den zunehmend größeren, vorwiegend öffentlichen Bauaufgaben, die das Büro vor allem prägen (u.a. Gerichts-, Schul-, Forschungs- und Laborgebäude u.a. in Dresden, Berlin, Erfurt, Hamburg, Jülich), bis zuletzt zum Lehr- und Laborgebäude der HTW Dresden (2017-2024) und dem Hamburger Landeslabor für Hygiene und Umwelt (seit 2022). Dass Canans „Handschrift“ in diesem Werk nicht leicht herauszulesen ist, war nicht nur der Struktur eines großen Büros geschuldet. Die Offenheit der Ansätze war Prinzip und bei den meist sachlich-technisch bestimmten Bauaufgaben hat das erstaunlich gut funktioniert. Die Ergebnisse – überwiegend institutionelle Bauten, keine Villen, keine Museen – mögen auf manche spröde wirken; sie setzten aber Maßstäbe in Sachen Planungskultur, Professionalität, Sorgfalt in Konstruktion, Material und Detail und nicht zuletzt auf dem schwierigen Feld der Nachhaltigkeit.
Ihre mit vielen Auszeichnungen gewürdigte Arbeit hat Canan Rohde-Can oft in Vorträgen und Ausstellungen gezeigt. Herausragend war sie nicht nur als Architektin. Mit ihrer Fähigkeit zu führen, zu beraten und Kritik zu äußern, ohne die Menschen zu verletzen, wurde sie in viele Preisgerichte berufen, meist als Vorsitzende, lange wirkte sie auch in den Gestaltungsbeiräten von Erfurt und Wolfenbüttel.
Als Kind in das fremde Land gekommen, hat Canan sich eine Position und Reputation erworben, mit der sie ihren Berufsstand souverän vertrat. Dabei fühlte sie sich, wie sie 2015 in einem Fragebogen angab, „hervorragend integriert (10/10 Punkte)“. Als sie bald darauf eine Krebsdiagnose erhielt, begann sie, das Büro umzustrukturieren und ihre Nachfolge zu regeln. Einen Teil der verbleibenden Jahre verbrachte sie in ihrem Sommerhaus in der Türkei. Auf einer Exkursion nach Vorarlberg erlebte sie 2024 die letzte intensive Zeit mit dem Büro, das ihr wie eine zweite Familie war. Der Berufung in die Kunstkommission der Stadt Dresden konnte sie nicht mehr folgen. Im Mai 2025 ist Canan Rohde-Can in Dresden gestorben.

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