Bauwelt

Struktur und Plastik

Projekte, Bauten und ihr struktureller Unterbau: Jürgen Mayer H. ­präsentiert seine Arbeit im Berliner Haus am Waldsee

Text: Kasiske, Michael , Berlin

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    Blick in die Ausstellung: der „Maschinenraum“ im einstigen Wohnzimmer des Hauses am Waldsee
    Foto: Roman März

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    Blick in die Ausstellung: der „Maschinenraum“ im einstigen Wohnzimmer des Hauses am Waldsee

    Foto: Roman März

Struktur und Plastik

Projekte, Bauten und ihr struktureller Unterbau: Jürgen Mayer H. ­präsentiert seine Arbeit im Berliner Haus am Waldsee

Text: Kasiske, Michael , Berlin

Der Ausstellungstitel „Strukturalien. Architektur als urbane Plastik“ dient den Machern als Filter, der Unschärfen zulässt. Wer von Jürgen Mayer H. eine klassische Leistungsschau erwartet, wird enttäuscht. Fast beiläufig zeigt der Architekt, der seit 1996 sein Büro in Berlin betreibt, dass er Raum in Szene setzen kann.
Die Ausstellungsräume im Erdgeschoss des 1922/23 als private Villa erbauten Hauses am Waldsee sind nach außen „abgedichtet“, man hat die Fenster verhängt. Indem Jürgen Mayer H. die Innenräume vom eben ergrünten Garten separiert, unterstreicht er den repräsentativen Charakter, den diese Räume ursprünglich hatten: Die als Mittelpunkt zweier Zimmer arrangierten Skulpturen entsprechen dieser großbürgerlichen Atmosphäre ebenso wie die Videoprojektion im Wintergarten und das zum „Maschinenraum“ umgewidmete Wohnzimmer. Dort lässt der Architekt sich bewegende Drahtmodelle von realisierten wie unrealisierten Projekten auf schwarze Leinwände und die Zimmerwände projizieren. Ästhetisch beeindruckend – doch wo liegt neben der künstlerischen die gesellschaftliche Relation, die, so Katja Blomberg, Direktorin des Hauses, bereits Ausgangspunkt für die Ausstellungen von Graft (Bauwelt 4.2012) oder Haus-Rucker-Co (Bauwelt 3.2015) gewesen ist?
Der Besucher muss sich gedulden, bis er in das im Gegensatz zu den unteren Räumen lichtdurchflutete Obergeschoss hinaufsteigt. Dort werden ausgewählte Projekte in Skizzen, Fotos und vor allem Modellen vorgestellt. Bei der noch während seines Studiums in den USA entstandenen Arbeit Arche Noah transformiert Jürgen May­er H. einen Würfel mittels Techniken der Zwölf-Ton-Musik; damals geschah das noch nicht „auf Knopfdruck“, sondern mit Bleistift auf Transparentpapier. Das streng akademische Vorgehen, typisch für amerikanische Universitäten, weist ihn als präzisen Formgeber aus.
Deutlich erkennbar bildet diese Studie eine Grundlage für spätere strukturelle Bauten wie etwa den temporären Pavillon KA300 im Karlsruher Schlossgarten (Bauwelt 27.2015). Bei den Projekten, die Jürgen Mayer H. in den vergangenen Jahren in Georgien realisiert hat, ist er einen anderen Weg gegangen. Die Autobahnraststätte in Gori oder der Grenzübergang in Sarpi am Schwarzen Meer – mit Strukturen haben die beiden zeichenhaften Gebäude wenig zu tun, sie sind vielmehr ganz im Sinne eines Symbols für den wirtschaftlichen Aufschwung Georgiens errichtet worden.
Die an die 70er Jahre erinnernde Formensprache der Georgien-Projekte führt offensichtlich zurück in die Kindheit des 1965 in Stuttgart geborenen Architekten. Im Gegensatz zu damals können solche Formen heute realisiert werden, wie der Kurator Ludwig Engel in seinem Aufsatz mit dem treffenden Titel „Retroactive Utopia“ in der Broschüre zur Ausstellung ausführt. Die Frage nach der identitätsstiftenden, gesellschaftlichen Wirkung in einem Land, das historische Quartiere in seiner Hauptstadt Tiflis Investoren aus­liefert, bleibt ohne Antwort – obgleich: Auf der Raststätte sollen schon Hochzeitsfeiern stattgefunden haben.
Der Untertitel der Ausstellung „Architektur als urbane Plastik“ trifft uneingeschränkt auf den „Metropol Parasol“ zu, die kontrovers diskutierte Überdachung der Plaza de la Encarnación in Sevilla (Bauwelt 18.2011). Bei dieser buchstäblichen Struktur reizte Jürgen Mayer H. die ihr innewohnende Elastizität aus, um punktgenau etwa auf konstruktive oder archäologische Anforderungen zu reagieren. „Jede Ebene verweist auf einen anderen Aspekt: Stadtgeschichte, Nahversorgung, Events, Tourismus“, schrieb Nils Ballhausen seinerzeit in der Bauwelt und resümierte: „Vielschichtigkeit im eigentlichen Sinn, zusammengehalten von einem baukünstlerisch definierten Ingenieurbau-Experiment.“ Hier scheint der Anspruch von Museumsdirektorin Blomberg an eine gesellschaftliche Relation voll erfüllt zu sein.

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