Dossier

Art & Design Academy
John Moores University

Rick Mather Architects | London

Besuchern aus dem Süden zeigt sich die Fassade der Universität verschlossen und abweisend.

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Campuserweiterung in filigraner Klinkerstruktur

  • Autorin: Franziska Weinz
  • Fotos: Andy Matthews | Richard Chivers | James Bolton | Richard Chivers

Die Art and Design Academy der John Moores University in Liverpool steht in engem Kontext mit der benachbarten Kathedrale aus hellem Sandstein. Rick Mather Architects haben einen weißen Klinker entwickeln lassen, der sich seiner Umgebung farblich anpasst.

Seit der Gründung 1973 in London hat sich das Architekturbüro im Bereich der Kultur- und Bildungsbauten – sowohl im Neubau als auch in der Denkmalpflege – in Großbritannien etabliert und zahlreiche Auszeichnungen durch das Royal Institute of British Architects (RIBA) unter anderem für die Art and Design Academy, erhalten. Vor allem die Erweiterungen und Sanierungen an den Universitäten in Oxford haben das Büro berühmt gemacht.

Liverpool ist bekannt für Fußball, eine pulsierende Musikszene und eine weit zurückreichende Schifffahrtsgeschichte. Doch die Stadt am Mersey hat auch bedeutende Architektur zu bieten: die römisch-katholische, moderne Liverpool Metropolitan Cathedral und die anglikanische Liverpool Cathedral im Osten der Stadt. Auf dem Weg zur Art and Design Academy von Rick Mather Architects läuft man die beliebte Hope Street entlang Richtung Norden, welche die Kathedralen wie eine Art „Versöhnungsband der Religionen“ miteinander verbindet. Zwischen gregorianischen Reihenhäusern aus rotem Ziegelstein fühlt man sich zurückversetzt in die Zeit, als hier noch reiche Geschäftsmänner einer Welthandelsstadt residierten und ihr Stil dieses Gebiet prägt. Doch spätestens beim unerwarteten Anblick der strahlend weißen, modernen Liverpool Metropolitan Cathedral wird man augenblicklich ins Jetzt zurückgeholt. Nach Bezwingung der mächtigen Treppenanlage, entdeckt man schließlich in ihrem Schatten die Art and Design Academy, die sich an das moderne katholische Gotteshaus anzuschmiegen scheint. Vor ihrer Fertigstellung 2008 befand sich auf dem Grundstück lediglich die Duckinfield Street. Dies erklärt die längliche Form des heutigen Neubaus, der im Zuge der langfristig angelegten Campuserweiterung der John Moores University entstand. Somit wurde der Straßenverkehr vom Grundstück verdrängt, neue öffentliche Grünflächen geschaffen und erstmalig die Fakultäten Architektur, Grafik, Mode, Kunst, Innenarchitektur und Produktdesign der Universität wurde auf einer Fläche von rund 12.000 Quadratmeter miteinander vereint.

Das sechsgeschossige Gebäude steht – insbesondere durch seine in Nord-Süd-Richtung gewundene Form – in einem starken Kontext zur 85 Meter hohen Kathedrale. Der Mittelteil der Universität ist parallel zu deren Krypta ausgerichtet, während die beiden schmaleren Enden zu den jeweils angrenzenden Straßen im rechten Winkel liegen. Die beiden Gebäude trennt lediglich eine Freifläche, die im Sommer von den Studierenden rege genutzt wird.

Um die 1967 fertiggestellte Kathedrale aus der umgebenden roten Ziegellandschaft hervorstechen zu lassen, wurde sie mit hellem Sandstein verkleidet. Die Neubauten der direkten Umgebung sind in ihrer Farbigkeit angepasst – so auch die Universität.

Im Hintergrund der Art and Design Academy ragt die erst 1967 fertiggestellte Liverpool Metropolitan Cathedral gen Himmel.

Im Hintergrund der Art and Design Academy ragt die erst 1967 fertiggestellte Liverpool Metropolitan Cathedral gen Himmel.

Erst bei näherer Betrachtung wird die filigrane Klinkerstruktur in der Fassade ersichtlich. Zusammen mit dem Baustoffhersteller entwickelte Rick Mather die gewünschte farbliche Nuance und experimentierte in der Oberflächentextur. Die Fugen des weißen Klinkers sind mit hellem Kalkmörtel gefüllt, wodurch eine ebenmäßige Fassade entsteht, die das Sonnenlicht reflektiert. Zusätzlich wird durch diese Art von Mörtel der Einsatz von Dehnungsfugen minimiert. Die geringe Wasseraufnahme des Klinkers hat zur Folge, dass der sich absetzende Schmutz beim nächsten Regenschauer abgewaschen wird. Um die Blickbezüge zwischen Innenstadt und Kathedrale zu bewahren, haben die Architekten abgestufte Dachterrassen angelegt, was den Proportionen und der Massigkeit des Gebäudes gut getan hat. Auch im Inneren des Gebäudes werden immer wieder Bezüge und Sichtachsen zu der Kathedrale eröffnet – vor allem im alle Geschosse verbindenden Atrium. Es ist das Herzstück des Gebäudes und der Ausgangspunkt aller Aktivität. Mit der gebäudehohen Glasfront des Atriums und dem anschließenden Glasdach wird der Besucher in der Mitte des Gebäudes, direkt gegenüber der Kathedrale, empfangen. Auf diese Weise schaffen die Architekten vom Untergeschoss bis ins vierte Obergeschoss eine durchgängige Blickachse zur Kathedrale. Der Eingangsbereich des Atriums ist über eine nach unten führende Treppe mit dem Café verbunden, das sich dank des topografisch abfallenden Grundstücks im Sommer zu einer weiteren großen Grünfläche öffnen lässt. Ebenfalls im Untergeschoss befinden sich die Modellbauwerkstatt und das wie nachträglich angefügt wirkende Auditorium mit 350 Sitzplätzen. Die Büros der Verwaltung liegen im ersten und dritten Obergeschoss. Über eine im Luftraum des Atriums hängende stählerne Treppe werden die Studierenden in ihre Studios verteilt: die Architekten ins Erdgeschoss, die Grafiker ins erste Obergeschoss, die Modedesigner ins zweite, die Produktdesigner und Innenarchitekten ins dritte und die Künstler ins vierte Obergeschoss. Dabei stehen den Studentinnen auf allen Ebenen Räume für das hochmoderne, technische Equipment des Fachbereichs sowie für Seminare und Vorlesungen zur Verfügung. Am Ende jedes Semesters werden die Abschlussarbeiten aller Fachgebiete in den Studios und den großzügigen Ausstellungsräumen im Erd- und Untergeschoss präsentiert.

Die beigefarbene Klinkerfassade der Universität hat sich farblich der hellen Sandsteinfassade der Kathedrale angepasst.

Die weiße Klinkerfassade der Universität hat sich farblich der hellen Sandsteinfassade der Kathedrale angepasst.

Die Studios selbst bieten den Studierenden eine hohe Flexibilität ohne störende Stützen. Die prägnante Fensterkonstruktion zieht sich als vertikales Glasband über mehrere Geschosse, stellt sich zusätzlich als vertikale Wandscheibe gen Norden aus der Fassade heraus und ist entlang der südlichen Ansicht mit Klinkern verkleidet. Damit verleihen die Architekten der Fassade Dynamik und gleichzeitig zwei vollkommen unterschiedliche Gesichter. Von Norden kommend wirkt das Gebäude mit großen Fensterflächen offen und freundlich, während es sich Besuchern aus dem Süden mit einer geschlossenen Klinkerfassade abweisend und distanziert präsentiert. Darüber hinaus helfen die wie eine Art vertikales Sheddach funktionierenden Öffnungen bei der Orientierung inner- und außerhalb des Gebäudes. So ist schon von außen anhand der Fensterform die innere Nutzung zu erahnen: hinter den horizontalen Fenstern die Verwaltung, hinter den vertikalen die Studios. Die Ausnahme bildet das Attikageschoss, hinter dessen horizontalem Fensterband sich die Kunststudios mit grandiosem Blick über die Stadt eröffnen. Genau wie das Auditorium ist es mit Zinkblech verkleidet.

Der mit Kalkmörtel verfugte Klinker scheint das Sonnenlicht zu reflektieren.

Die aus der Fassade ragende spezielle Fensterkonstruktion lässt viel Nordlicht in die Studios der Studierenden.

Neben der resistenten Klinkerfassade im Außenbereich findet man im Inneren weitere strapazierfähige Materialien wie Eiche, Beton, Glas und Edelstahl.

Das helle Atrium bietet sogar am höchsten Punkt der Treppe mittels eines Dachfensters einen eindrucksvollen Blick auf die Kathedrale.

Das helle Atrium bietet sogar am höchsten Punkt der Treppe mittels eines Dachfensters einen eindrucksvollen Blick auf die Kathedrale.

Die Art and Design Academy ist städtebaulich gut platziert und hat sich in jeder erdenklichen Form der Kathedrale angepasst, sich ihr regelrecht untergeordnet. Einerseits ist dies notwendig, da die Kathedrale eine gebietsprägende, bedeutende Sehenswürdigkeit ist. Andererseits verliert das Gebäude von Rick Mather Architects dadurch an Eigenständigkeit.

Die innere Aufteilung des Gebäudes ist gut durchdacht und funktioniert für Studenten und Lehrkräfte gleichermaßen. Doch die Fassade wirkt unruhig und zerstückelt mit ihren zu vielen, zu unterschiedlichen Elementen: vertikale und waagerechte, kleine und große Fensteröffnungen; runde Säulen und eckige, abgespreizte Wandscheiben und ein gewundener Gebäudekörper mit abstehender, eckiger Ergänzung. Einzig der weiße Klinker bildet ein verbindendes Element.

Die aus der Fassade ragende spezielle Fensterkonstruktion lässt viel Nordlicht in die Studios der Studenten.

Der mit Kalkmörtel verfugte Klinker scheint das Sonnenlicht zu reflektieren.

Projektdaten Arts & Design Academy:

Ort:Liverpool
Bauherr:Liverpool John Moores University
Konstruktionskosten:£ 19 Mio.
Projektkosten:£ 24 Mio.
Grundfläche:11,800 m²
Anzahl Räume: 94
Anzahl Geschosse:6
Bauzeit:Jan. 2007 – Dez. 2008
Energiestandard:BREEAM rating – sehr gut

Röben Keramik-Klinker

Basis:Selektiv geförderte Tonsorten aus dem Westerwald – insbesondere eisenarme, hochplastische Tone des Mogendorfer Beckens.
Beimischung: Speziell entwickelte Rezeptur aus reinweißen Quarzsanden und feinem Dolomit-Mehl.
Brennführung: Dichtbrand bei hohen Temperaturen oberhalb 1.230 °C.
Resultat: Außergewöhnlich hoher Weißgehalt, extrem unempfindliche und schmutzabweisende Oberfläche, dauerhaft konstantes Erscheinungsbild.

Architekten

Rick Mather Architects | London
www.rickmather.com

Projekte (Auswahl)

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