Bauwelt

Ulrich Müller und das Haus Emmzett


Debüt Nr. 09


Text: Meyer, Friederike, Berlin; Brinkmann, Ulrich, Berlin


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Seit zehn Jahren betreibt der Architekt Ulrich Müller in Berlin eine Architekturgalerie. Für das eigene Wohn­haus ist der Galerist noch einmal in seine alte Rolle geschlüpft.
Das Haus, das der Architekt und Galerist Ulrich Müller für sich und seine Frau entworfen hat, wirkt ein wenig wie die Ausstellungen in seiner Galerie und die Gestaltung der Einladungskarten: geordnet und überschaubar. Zugleich konterkariert es jegliche Erwartungen an ein extra­vagantes architektonisches Manifest, wie wir es vielleicht von Galeristen erwarten. Haus Emmzett ist in jeder Hinsicht unspektakulär. Der weiße Würfel mit den vielen unterschiedlichen Fensterformaten, der einem Lehrbuch der klassischen Moderne entstammen könnte, bietet 133 Quadratmeter Wohnfläche auf zwei Ebenen, ist tief in die Grundstücksmitte geschoben und versteckt sich hinter einem hohen Tor. Das Haus in Diesdorf bei Magdeburg ist das Ergebnis langer Diskussionen mit dem Bauamt, mit den Hand­werkern und nicht zuletzt der Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen des Ehepaares. Ein sehr privates Debüt. FM
Es wirkt aber aufgeräumt hier.
Ulrich Müller | Ich kann am besten denken, wenn nicht viel herumliegt.
Wo ist Ulrich Müller zu Hause? Hier in Magdeburg oder in Berlin?
UM | Hier und da. Hier sammle ich Energie, zum Beispiel wenn ich auf die alte Mauer der Nachbarscheune schaue und ihre Struktur studiere. Ich empfinde das als produktiven Kontrast zu dem, was ich in Berlin mache. Dort arbeite ich seit 20 Jahren, seit über zehn Jahren habe ich dort die Architekturgalerie. Da ist mein gedankliches Zuhause. Ohne Berlin könnte ich die Mauer nicht stundenlang betrachten, und ohne den Ort hier könnte ich die Galerie nicht betreiben.
Warum Diesdorf?

UM |
Meine Frau arbeitet hier. Wir sind jedoch eher zufällig durch das Dorf gefahren. Da haben wir dieses wie einen Klostergarten abgeschottete Grundstück mit der 65 Meter langen alten Bruchsteinmauer gesehen und wussten: So etwas finden wir nie wieder.

Warum haben Sie neu gebaut?

UM | Die Sanierung der ruinösen Werkstattgebäude, die auf dem Grundstück standen, hätte das Dreifache gekostet. Außerdem haben wir das Grundstück ja nicht wegen des Bestands ausgesucht, sondern wegen der Atmosphäre durch die Mauer der Nachbarscheune.
Was war drängender, der Wunsch, ein Haus für Ihre Familie zu bauen, oder der, ein Haus zu entwerfen?
UM | Zu dem Zeitpunkt, als wir das Grundstück fanden, hatte ich schon einige Jahre lang nicht mehr als Architekt gearbeitet und eigentlich auch keine Zeit, es selbst zu planen. Deshalb fand ich die Idee interessant, zum Beispiel Peter Märkli oder AFF zu fragen. Während wir noch darüber nachdachten, kam auf einmal die Ablehnung zum Bauvorbescheid. Plötzlich musste ich mich mit der Bebaubarkeit des Grundstücks, der Kubatur des Hauses und somit auch mit den Grundrissen auseinandersetzen. Das hat mehrere Monate gedauert, und am Ende war klar, dass ich es selbst planen möchte.
Was ist für Sie an diesem Haus das Debüt?

UM | Ich konnte erstmals wirklich alle eigenen Vorstellungen umsetzen, und ich musste dabei lernen: Nichts ist schwieriger als ein Einfamilienhaus. Zugleich war es nach der eher theoretischen Auseinandersetzung mit Architektur über die Ausstellungen, die ich mache, eine gewisse Prüfung.
Wie haben Sie sich den eigenen Wünschen und Vorstellungen genähert? Es gibt Architekten, die befragen erstmal tagelang ihre Bauherren.

UM | Wenn man zusammenlebt, kennt man die Befindlichkeiten des an­deren. Darüber hinaus hatten wir gemeinsame atmosphärische Vorstellungen, sonst hätten wir das Projekt nicht begonnen. Wir wollten ein möglichst einfaches, offenes Haus. Die Tiefe des Grundstücks sollte im Wohnzimmer erlebbar sein. Dann haben wir uns viele Beispiele angesehen. Durch die Galeriearbeit kenne ich natürlich viele wunderbare Projekte.
War es für Sie von vornherein klar, dass das Haus zweigeschossig wird und ein Flachdach hat?
UM | Die Kubatur des Hauses hat sich aus der Grundstückssituation und aus unserem Raumprogramm ergeben. Wir durften nach langen Ausein­andersetzungen mit den Baubehörden schließlich in der Mitte des Grundstücks bauen, aber nur exakt auf der Fläche des Vorgängergebäudes. So ist unser Grundstück jetzt in zwei fast gleich große Freibereiche geteilt. Die Frage nach einer anderen Dachform als der des Flachdachs hat sich an dieser Stelle gar nicht gestellt. Im Umfeld gibt es viele Häuser mit Flachdach. Wenn wir jedoch direkt an der Dorfstraße gebaut hätten, die zum Teil von großen alten, giebelständigen Scheunen geprägt ist, hätten wir eine andere Lösung finden müssen.
Ihre Frau hat Sie einfach machen lassen?

UM | Absolut. Meine Frau hat großes Vertrauen. Sie ist Ärztin, und wenn ich krank bin, vertraue ich ihr auch. Trotzdem ist es natürlich eine ideale Konstellation, wenn dem Architekten so viel Vertrauen entgegengebracht wird. Naturgemäß gab es zahlreiche Gespräche, um den unterschiedli­chen Wissensstand abzugleichen. Viele Hinweise meiner Frau waren berechtigt und sind die Grundlage dafür, dass das Haus bewohnbar ist und nicht nur als gebautes Bild existiert.
Das klingt alles so einfach. Sind Sie ein Pragmatiker?

UM | Ich versuche pragmatisch zu sein, aber das ist nicht einfach. Für sich selbst bauen ist ein irrsinniger Stress, es geht um Geld und um Zeit. Deshalb habe ich tagelang über den Plänen und Zeichnungen gesessen. Wir haben viele Bereiche von den Handwerkern überarbeiten lassen, bei denen meine Frau gefragt hat: Muss das wirklich sein? Ich schätze Pragmatis-mus sehr, aber nur im Zusammenhang mit klaren Konditionen. Wie in der Galerie ordnet sich alles einer Idee unter.
War der Neubau auch eine Möglichkeit, eine Auseinandersetzung mit den Positionen zu führen, die Sie in der Galerie ausstellen?

UM | Über die Arbeit mit renommierten Architekten erweitert sich der Horizont natürlich unheimlich. Meine Aufgabe bestand darin, mich von all diesen Einflüssen zu lösen. Wobei klar ist, dass jemand, der seit etlichen Jahren baut, die Dinge viel weiter entwickelt, als ich es tun kann.  
Was heißt wohnen für Sie?

UM | Mich total entspannen. Bei Bedarf jedoch auch arbeiten. Das ist für mich ganz wichtig. Beides gehört zusammen.
Interessant, dass Sie von Entspannung sprechen, weniger von einer Raumkonstellation, einer gewissen Größe oder Lage.  
UM | Ich hatte nie eine Idealvorstellung von Räumen oder einer bestimm-ten Lage. Je mehr Rahmenbedingungen und Zwänge es gibt, desto interessanter wird die Lösung. Anders ist es mit Materialien und Details: Sichtestrich, Stegplatten und Fenster wie Bilder in den Wänden sind Elemente, ohne die ich das Haus nicht hätte bauen wollen.
Eduardo Souto de Moura hat kürzlich gesagt: Die Häuser in den Büchern der Architekturgeschichte sind Manifeste, aber niemand lebt gern darin. Haben Sie überlegt, dass der Architekturgalerist Ulrich Müller in einem besonderen Haus wohnen sollte, als Werbung für die Galerie?

UM | Überhaupt nicht. Ich wollte keinen bestimmten Effekt. Im Gegenteil: Ich will, dass hier fast nichts ist, höchstens eine Projektionsfläche für das, was ich im Kopf habe. Ich behaupte mal, da ist schon genug Unruhe.



Fakten
Architekten Müller, Ulrich, Magdeburg
aus Bauwelt 7.2011
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