Bauwelt

Besucherzentrum für das Herkulesbauwerk


Wegeführung


Text: Redecke, Sebastian, Berlin


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    Jens Achtermann

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Mit dem Besucherzentrum für das Herkulesbauwerk in Kassel-Wilhelmshöhe von Volker Staab gelingt ein etwas anderer Blick auf die gewaltige Kulissenarchitektur. Nach langer Instandsetzung ist seit 4. September auch die Aussichtsterrasse des Baudenkmals wieder zugänglich.
Das Ziel ist vor Augen: Hoch oben steht merkwürdig unproportioniert das Bauwerk: eher ein riesiges „Bollwerk“, grau, düster, furchterregend fast, mit Rundtoren, die wie schwarze Löcher aussehen. Im Kontrast dazu, ganz oben auf einem steil aufragenden Postament, eine winzige, muskulöse Figur: Herkules.
Vom Tal kommend ist der Anblick rätselhaft. Er lässt sonderbaren Pomp des späten 19. Jahrhunderts vermuten. Tritt man näher, Stufe für Stufe entlang der Kaskade des Karlsbergs, wird der Eindruck immer prägnanter und man fragt sich, wie es überhaupt zu diesem Bauwerk kam und warum hier die Kopie einer Herkulesfigur vom Palazzo Farnese in Rom stehen muss und ihr womöglich früher sogar gehuldigt wurde. Eintreten kann man in dieses Tuffstein-Gemäuer kaum. Gitter und Gerüste versperren den Weg.
Die Kasseler Bauhistorikerin Astrid Schlegel hat nicht nur die Chronologie der Ereignisse rund um das Bauwerk – vor allem die zahlreichen Reparaturen, statischen Nachbesserungen und gestalterischen Veränderungen –, sondern auch die verschiedenen Sichtweisen, beginnend im Jahr 1700 bis heute, zusammengefasst. Ihr Beitrag folgt auf Seite 34.

Ohne die Achse
Die Inszenierung von unten ist wichtig. Ohne die Achse den Hang hinauf, ohne die Annäherung in mehreren Etappen, würde die Spannung fehlen. Doch die meisten Besucher erklimmen keine Stufen, sie kommen von hinten und erreichen über eine kurvenreiche Landstraße den etwas abseits liegenden Parkplatz. Auf der Rückseite vom Herkules findet sich wenig Eindrückliches. Um auch hier ein wenig Spannung zu erzeugen, wird er seit diesem Sommer durch den unmittelbar am Parkplatz stehenden Neubau des Besucherzentrums mit wenigen, vergleichbar einfachen Mitteln eindrucksvoll in Szene gesetzt.
Dem Auto entstiegen, wird der Ankommende zunächst geschickt von einer großen Wandtafel am Gebäude angelockt. Sie zeigt ein Schaubild der gesamten Parkanlage von Kassel-Wilhelmshöhe, zu der unter anderem auch eine romantische „Löwenburg“, eine „Teufelsbrücke“ und eine „Pluto-Grotte“ gehören. Die Tafel ist in einer schräg ins Gebäude geschobenen Nische angebracht, die zum Eingang überleitet. Der gesamte Eingangsbereich ist in glattem, sorgfältig gegossenen Sichtbeton gefasst.
Ansonsten hat das auf einem leicht geneigten Terrain bandartig konzipierte Besucherzentrum bis hin zum Dach eine einheitliche Außenhaut aus hellem Beton mit einer horizontalen Reliefstruktur bekommen. Der Bau soll, so der Architekt, in seiner polygonalen Gestalt als ein landschaftliches Element gesehen werden, und mit seinem Äußeren wie ein großer bearbeiteter Findling wirken. Seine Fassade wurde mit Brettchenschalung aus sägerauem Nadelholz in unterschiedlicher Stärke und Format in Sichtbeton hergestellt. Die Dehnfugen sind verzahnt, was man deutlich sieht. An der Unterseite des Gebäudes, dort, wo es sich etwas über den Boden erhebt (Foto Seite 32), machen Unregelmäßigkeiten in der Struktur des Sichtbetons deutlich, dass die Ausführung nur mit großen Mühen gelang.

Das Relief
Die Reliefstruktur soll einen Bezug zum porösen Felsgestein des Herkulesbauwerks herstellen, was jedoch weder formal noch farblich klar wird. Dessen künstlicher Felsen aus roh behauenem, hochkant gestelltem Tuffstein und darüber scheinbar geschichteten „Steinbrocken“ sind viel voluminöser. Bekrönt wird das Ganze durch Architekturelemente der italienischen Renaissance. Mit der Fassade des Besucherzentrums verbindet man eher die Idee einer „Schutzhülle“, einer neutrale Haut. Der Bau tritt neben dem Herkules-„Tempel“ zurück, und verkörpert seine dienende Funktion auch nach außen. Von oben betrachtet, von der seit 4. September wieder zugänglichen Aussichtsterrasse des Herkules, duckt er sich regelrecht weg. In seiner Nachbarschaft stehen ansonsten nur ein altes Wohnhaus, in dem wohl ein Wächter wohnt(e), und, etwas im Verborgenen, das Restaurant „Hubertus-Terrassen“, ein ebenfalls niedriger Bau, der durch sein Äußeres, vor allem die schwere, mit Schieferschindeln verkleidete Dachkante, an das Flair von Autobahnraststätten früherer Zeiten erinnert.

Passage zum Sichtfenster
Beim Eintritt in den Neubau vom Parkplatz her wird man von einer steilen, teilweise in Holz gestalteten Sitztreppe empfangen. Seitlich, im gleichen dunklen Holz wie die Sitzstufen, schließt eine Wand mit den Schließfächern für die Besucher an. Die Sitztreppe dient als kleiner Zuschauerbereich, in dem Filme oder eine mit dezenter Klaviermusik untermalte Bildershow zu Kassel-Wilhelmshöhe an die Wand des unteren Foyers projiziert werden.
Neben der Sitztreppe führen Stufen zur oberen Ebene des Gebäudes. Spätestens auf der Treppe wird einem gewahr, dass man in Richtung Herkulesbauwerk unterwegs ist. Als aufmerksamer Besucher hat man den Herkules auf seiner steilen Pyramide zwar schon vom Parkplatz ausmachen können. doch im Gebäude geschieht nun Außerorderliches. Schon kurz vor Erreichen der oberen Ebene blickt man durch ein mächtiges Panoramafenster, das den Herkules mit seinem Unterbau rahmt. Nur hier zeigt der Neubau „Größe“, nimmt es sogar mit dem riesigen Herkulesbauwerk auf. Auch der Boden direkt vor dem Fenster steigt nach oben an und unterstützt damit die Bedeutung dieses Ausblicks. Der Ausstellungsraum selbst ist klein: An der Wand rechts hängen einige Informationstafeln, davor wenige Ausstellungsmöbel, linker Hand, hinter einem Tresen befindet sich der Souvenirshop, der eigentlich auch ein großes Holzmöbel ist. Hier werden vom Herkules-Honig über Herkules-Bonbons bis zum Herkules-Sekt jede Menge Köstlichkeiten angeboten.

Der Übergang
Man folgt der vorgegebenen Wegeführung im Gebäude gerne, denn, wie vom Tal her, wird hier, wenn auch in einer ganz anderen Dimension und mit bescheidenen Mitteln, Neugier geschürt. Der Besucher tritt links vom Panoramafenster schließlich hinaus und wird hier, wie schon am Eingang, von einer Gebäudenische umfangen. Er geht ein Stück eine Straße entlang, vorbei am Wohnhaus zwischen Neubau und Herkules, überquert die Straße, die an einem Wendekreis endet, um dann auf einem Fußweg um den gewaltigen Sockel herum zu gehen. Und schließlich steht er, etwas seitlich, vor dem Herkulesbauwerk, mit Blick hinunter in den Bergpark und auf das Schloss, auf die lange Achse der Wilhelmshöher Allee und die gesamte Stadt.



Fakten
Architekten Staab Architekten, Berlin
Adresse Herkules 34131 Kassel


aus Bauwelt 38.2011
Artikel als pdf

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