Bauwelt

Konstruktive Intelligenz

Zum Tod von Kurt Ackermann

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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Kurt Ackermann (1928–2014)
Regina Schmeken

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Kurt Ackermann (1928–2014)

Regina Schmeken


Konstruktive Intelligenz

Zum Tod von Kurt Ackermann

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Sein umfangreiches Werk lässt sich seinen eigenen Worten zufolge in diesen Gegensätzen charakterisieren: Baukultur statt Baukunst, Architektur nicht zum Staunen, sondern zum Begreifen. Am 6. Mai ist Kurt Ackermann im Alter von 86 Jahren in seinem Wohnort Herrsching am Ammersee gestorben.
Noch weniger als anderen Architekten ist dem 1928 bei Rothenburg ob der Tauber geborenen Handwerkersohn etwas in den Schoß gefallen. Als er sich 1953 – ohne Abitur und akademisches Diplom, aber geprüft als Maurer und Zimmermann – selbständig machte, herrschte zwar Aufbruchsstimmung. Doch die Anfänge des Münchner Ein-Mann-Büros waren schwer. Ohne Telefon und mit dem Fahrrad zwischen den Baustellen pendelnd mussten die Aufträge bewältigt werden. Einige Jahre später kam dann mit dem ersten Wettbewerbserfolg, der 1958 fertiggestellten Hopfenhalle im niederbayerischen Mainburg, für ihn der Durchbruch. Dieses Bauwerk stand zugleich für seine künftige Arbeit, auch wenn Kurt Ackermann sich nicht auf ein Gebiet spezialisiert hatte: Der angeblich so spröde Industrie- und Zweckbau wurde zu einem Schwerpunkt seines Büros. Dieser Leidenschaft hat er sich zwischen 1974 und 1994 auch als Ordinarius an der Universität Stuttgart gewidmet und dabei mit dem bislang in fünf Auflagen erschienenen Buch „Industriebau“ ein Standardwerk herausgegeben.
Was haben Ackermann und seine späteren Partner aus solchen Aufgaben gemacht! Seit 1958 wuchs beim schwäbischen Städtchen Harburg das neue Zementwerk Märker in die Höhe: eine großartige Industrieanlage, die mit Homogenisierungstürmen und Silobauten aus Sichtbeton als eine Gestalt der „zweiten Natur“ unserer technisch geprägten Umwelt inmitten bewaldeter Hügel liegt. Wie bei diesem Höhepunkt seiner Tätigkeit hat Kurt Ackermann auch bei anderen Zweckbauten das Glück gehabt, auf großzügige, dialogfähige Bauherren zu stoßen. Zu seinen Hauptwerken zählt nicht zuletzt die 1988 fertiggestellte Kläranlage Gut Marienhof nördlich von München, jene kraftvolle Komposition mit den drei markanten Faultürmen, die in den Isarauen technische Schönheit unverhüllt zur Schau stellt.
Nahezu jeden Bautypus hat Ackermann bearbeitet: Werkhalle, Einfamilienhaus, Verwaltungsgebäude, Wohnanlage, Brücken, Sakralbau. Dabei sind ihm oft überzeugende Lösungen gelungen. Zum Beispiel hat der bekennende Zivilist die Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck (1977) als durchgrünten Campus angelegt – als klares Gegenbild zur Kaserne. Mit dem kompakten Technikgebäude der Gesamthochschule Kassel (1995) konnte er zugleich eine städtebauliche Wunde schließen. Alles dies war möglich, weil der vielfach ausgezeichnete Architekt nicht mit „gebauten Sahnetorten“ für Aufsehen sorgen wollte, sondern auf dem „Schwarzbrot“ einer gebrauchstüchtigen, dem menschlichen Alltag dienenden Moderne beharrte. Bauen sei stets eine Gemeinschaftsaufgabe und deshalb kein Schauplatz für die Selbstverwirklichung eines Architekten, betonte Kurt Ackermann, der sich „als Baumeister im hergebrachten Sinn“ verstand.
Ackermann hat mit seinen Partnern keinen marktgängigen Stil entwickelt, wohl aber eine Haltung der praktischen Vernunft – und ein Leitbild: konstruktive Intelligenz. Höchste Qualität der Bauten soll mit sparsamsten Mitteln erreicht werden, auf veränderbaren, umweltverträglichen Systemen sollen künftige Generationen aufbauen können.
Mit dem 1982 fertiggestellten stützenfreien Eislaufzelt im Münchner Olympiagelände, das mit einem einzigen Stahlbügel logisch konstruiert ist wie ein Zirkuszelt, hatte sich Kurt Ackermann den benachbarten Leistungen von Günter Behnisch und Frei Otto als ebenbürtig erwiesen. Doch leider ist diese einzigartige Sportstätte durch Pläne der Stadt noch immer in ihrem Bestand bedroht.
Fakten
Architekten Kurt Ackermann (1928 - 2014)
aus Bauwelt 22.2014
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