Bauwelt

Ende immer offen

Gregory Crewdson. In a Lonely Place

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Foto: Gregory Crewdson

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Foto: Gregory Crewdson


Ende immer offen

Gregory Crewdson. In a Lonely Place

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Gregory Crewdsons Fotos zeigen die Schattenseite des amerikanischen Traums: die dunklen Abgründe der nur scheinbar idyllischen Vorstadt – ein Sujet, das nicht erst seit „Desperate Housewifes“ in Kunst und Populärkultur etabliert ist.
Die C/O-Galerie in Berlin stellt jetzt in Zusammenarbeit mit dem Kulturhuset in Stockholm und dem National Museum of Photography in Kopenhagen drei umfangreiche Serien mit etwa 90 Aufnahmen des 1962 in Brooklyn geborenen Künstlers aus.Viele von Crewdsons aufwendigen Bildinszenierungen erinnern an eingefrorene Filmszenen. Bei einigen der betont stilisierten, als Großformat präsentierten Farbaufnahmen der „Beneath the Roses“-Serie (2003–07) glaubt man auf Anhieb, dass diese nur durch die Mitarbeit von bis zu 150 Helfern entstanden sind.
Crewdson entdeckt seine namenlosen Vorstädte bei Fahrten durchs Hinterland von Massachusetts. Auf den Fotos sieht man von Schlammflächen umgebene Holzhäuser, bucklige Asphaltpisten und Kabelwirrwarr zwischen Hochspannungsmasten und Gebäuden. Das alles effektvoll inszeniert mit dramatischem Lichteinfall, Kunstnebel und Menschen, die sich, in Reglosigkeit erstarrt, nichts mehr zu sagen haben.
Crewdsons Bilder geben Raum für vielfältige Interpretationen. Der Künstler nennt Edward Hopper und Cindy Sherman, vor allem aber David Lynch als Vorbilder. Der Betrachter wird weitere Anspielungen wiedererkennen. Das große und vor allem unerwartete Highlight der Ausstellung sind jedoch die beim Streifzug durch die Cinecittà-Studios vor den Toren Roms entstandenen, dokumentarisch anmutenden Schwarz-Weiß-Aufnahmen der „Sanctuary“-Reihe (2009/10), Crewdsons erste außerhalb der USA entstandene Serie. Auf dem Weg durch die riesigen Ku­lissen fotografierte er ein morbides Labyrinth aus bröckelnden Fassaden, rostenden Metallkonstruktionen und langsam zuwachsenden Plätzen. Doch auch diese mehrfach überformten Ruinen vergangener Filmproduktionen setzt er mit zusätzlichen Lichtquellen und Rauch unauffällig in Szene, um den für seine Arbeiten typischen Nimbus der Leere und Einsamkeit zu erzeugen.
Der Ausstellungstitel deutet nicht nur auf die einsamen Orte hin, die Schauplätze von Crewdsons Bildern sind, „In a Lonely Place“ ist auch der Titel eines Film noir, in dem Humphrey Bogart einen des Mordes verdächtigten Drehbuchautor spielt. Er erweist sich nach ein paar gewalttätigen Entgleisungen am Schluss überraschend als unschuldig – die erste Fassung mit Bogart als frauenhassendem Psychopathen und Mörder wurde aus wirtschaftlichen Erwägungen nachträglich um ein halbes „Happy End“ ergänzt. Daraus lässt sich eine Aussage von Crewdsons Bildern ableiten: Nichts ist, wie es scheint, und der Ausgang der Handlung ist immer offen.

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