Projektreportage

Erste Campus, Wien

Henke Schreieck Architekten, Wien
Kinzo, Berlin

Arbeiten mit Aussicht

  • Autor: Michael Kasiske
  • Fotos: Werner Huthmacher

Die Adresse des Erste Campus im 10. Wiener Bezirk Favoriten ist literarisch zu verstehen: Am Belvedere 1. Wer dabei nur an das weltberühmte Barockensemble in der Nachbarschaft denkt, verkennt die neue Zentrale für die Erste Bank. Die Büros bieten den Beschäftigen durch ihre vollständig verglaste Fassaden weite Ausblicke – eine außergewöhnliche Qualität in der dicht bebauten Hauptstadt Österreichs. Doch das ist nur eine der zahlreichen Eigenschaften, die das umfassend konzipierte Gebäude zukunftsweisend machen.

Das große Areal und der Riesenbau wurde von den Architekten in einer sehr hohen Detailqualität ausgearbeitet.

Links: Dieter Henke, rechts: Marta Schreieck

Ob man aus der Innenstadt die Prinz-Eugen-Straße hochfährt oder sich über den achtspurigen Gürtel nähert, der Erste Campus irritiert die gewohnte Sicht. Gerade in Wien, wo sich die Häuserfassaden – wenn sie kein Schloss sind – brav entlang der Straße aufreihen. Doch die Lage vis-a-vis dem Schweizergarten reizte die Architekten Marta Schreieck und Dieter Henke bereits im Wettbewerb 2008 zu einem Entwurf, der eine gute Seite zum Grünen im Westen und drei weniger gute zu zukünftigen Bürobebauungen im Osten und Süden sowie zum Gürtel im Norden vermeidet. Die Lösung, mit der auch die erforderliche Dichte erreicht wird, lag im Verschneiden von äußeren und inneren Freiräumen. Anhand zahlreicher Studien entwickelten die Architekten drei organisch geformte Volumina, die über einem Sockel gestaffelt bis zu insgesamt zwölf Geschossen hoch aufragen.

Den Architekten war es wichtig, dass der Erste Campus keine Rückseite hat

Dadurch gelang es, gleichwertig allen Büros Blicke über das Baufeld hinaus ins Grüne zu öffnen. Trotz der schieren Größe des Komplexes wird der städtische Raum nicht erschlagen, zum einen, weil die Fassaden nur fragmentarisch die Straßen begrenzen, vor allem aber, weil aus der Perspektive des Fußgängers die einladende Sockelzone wirksam wird. Noch steht der Erste Campus allein, doch die Entwicklung des Areals, auf dem einst der Südbahnhof war und in dessen unmittelbarer Nähe der neue Hauptbahnhof liegt, zu einem hoch frequentierten Quartier ist absehbar. Öffentlichkeit ist in dem neuen Komplex auch ausdrücklich erwünscht: Schreieck und Henke überzeugten den Bauherren, dass lebendiges Treiben über die Bürozeiten hinaus notwendig für den Erfolg des Hauses ist.

Die städtebauliche Figur spiegelt sich im inneren Aufbau wider: ein zweigeschossiger Sockel mit Restaurant, Beratungs- und Konferenzbereichen sowie dem Kindergarten, das dritte Obergeschoss mit Garten und darüber die Büros in den gläsernen Volumina. Der zentrale Ort ist freilich das Atrium. Obwohl ein innenliegender Raum, besitzt es durch die beiden angrenzenden, in den Sockel eingeschnittenen Innenhöfe sowie den Treppen und Galerien die Offenheit eines Platzes. Zu diesem Eindruck trägt auch die Decke bei, der ihr hoher Grad an Technik von der Entrauchung über die Sprinkleranlage bis hin zu integrierten Scheinwerfern nicht anzumerken ist. Das Thema des Gebäudes ist der durchlässige Raum. Ein geschliffener Estrich läuft innen und außen durch, wie auch der Garten über dem zweiten Obergeschoss, der die drei Bauteile miteinander verbindet. Gleichzeitig zieht der von den Wiener Landschaftsarchitekten Maria Auböck und János Kárász differenziert gestaltete Landschaftsraum aufs Beste den Schweizergarten in das Gebäude hinein.

Auf dem Campus gibt es keine fest verorteten Arbeitsplätze.

In den Bürogeschossen findet eine Revolution der Arbeitswelt statt, die man im konservativen Bankgewerbe kaum vermuten würde. Die Räume haben – abgesehen von den Aufzugs- und Treppenraumkernen in den mittleren Bereichen – vollkommen offene, im Sinne der Moderne nutzungsneutrale Grundrisse. Für die Erstausstattung hat das Büro Kinzo verschiedene Arbeitsbereiche entwickelt, die sich mit eingestellten Raumteilern und Sitzgruppen abwechseln und das Bild einer integrierten Arbeits- und Wohnlandschaft erzeugen. Hintergrund ist das Konzept, keinem der über 5.000 Mitarbeiter einen festen Platz zuzuweisen, sondern Bewegung innerhalb des Hauses zu fördern – sei es, um mal zusammen, mal allein zu arbeiten, sei es, um die Perspektiven zu verändern und Inspiration zu finden. Korrespondierend hierzu passt das flexible GROHE Blue® Trinkwassersystem perfekt zum Innenraumkonzept. Auch der Vorstand der Ersten Bank sitzt in einer offenen Raumflucht. Hierfür entwarfen Schreieck und Henke Architekten Wandelemente mit einer Höhe von lediglich 1,50 Metern, so dass der Gesamtraum erlebbar bleibt.

Die Durchwegung des Campus findet auf dem 3. Niveau statt. Enge und Weite bestimmen die Atmosphäre.

Die Atmosphäre des Gebäudes wird von feinsinnig ausgesuchten Materialien bestimmt, die schon zu Beginn der Planung von den Architekten gemeinsam mit dem Bauherrn festgelegt wurden; Imitate wurden ausgeschlossen. Die Vorschläge wurden auf Mustertafeln anschaulich dargestellt, wodurch sich etwa mit Kasein verspachtelte Wände aufgrund ihrer enormen Farbtiefe und Haptik gegen lackierte Platten durchsetzten. Zudem konnte an den verschiedenen Orten im Gebäude die Wirkung im jeweiligen Licht überprüft werden. Die Beschichtung der Wände war eine der handwerklichen Leistungen, die die Architektur sichtbar prägen, wie beispielsweise die rund 40.000 Quadratmeter große Holzfassade, die den Komplex annehmbarer im Sinne des menschlichen Maßstabs macht, sowohl als Material wie auch als handwerklich erstelltes Bauelement. Überhaupt zeugt die von Hand gemachte

Man hat in den Büros der Ersten Bank das Gefühl, wie durch einen englischen Landschaftsgarten zu laufen, in dem unterschiedliche Arten von Arbeitsplätzen installiert sind.

Veredelung von mehr Eleganz als der konventionelle Rückgriff auf teure Materialien wie Marmor oder Granit. Vom Wettbewerbsgewinn bis zur Fertigstellung vergingen fast acht Jahre. Die homogene Erscheinung verdankt sich der Tatsache, dass das Büro Henke Schreieck ganzheitlich alle Phasen bis ins Detail bearbeitet und ästhetisch überprüft hat, zum Teil mit Modellen im Maßstab 1:1. Mit diesem Engagement ist es ihnen gelungen, den Erste Campus als urbane Stadtlandschaft, als zukunftsweisende Arbeitswelt und als umfassendes Lebensumfeld zu verwirklichen.

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