Bauwelt

Abrissprämie oder SOS Planet Architectia

Alexander Stumm reist durch Zeit und Raum auf der Suche nach phantastischen Ideen für den neuen Endzeit-Architekturroman.

Text: Stumm, Alexander, Berlin

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Alexander Stumm reist durch Zeit und Raum auf der Suche nach phantastischen Ideen für den neuen Endzeit-Architekturroman.


Abrissprämie oder SOS Planet Architectia

Alexander Stumm reist durch Zeit und Raum auf der Suche nach phantastischen Ideen für den neuen Endzeit-Architekturroman.

Text: Stumm, Alexander, Berlin

Auf einem asynchronen Fantasyplaneten Architectia würde die Fertighausindustrie wohl die Rolle des Schattenreichs Mordor einnehmen: Ein gestalterisch ödes Niemands­land, das sich mittels Neuversiegelung tiefer und tiefer in fruchtbares Land frisst, mit dem einzigen Ziel, neuen Lebensraum für konsumfreudige Lohnsklaven zu schaffen.
In der FAZ vom 30. Juni berichtete Uwe Marx über eine erstaunliche Idee des Masterminds dieses Schattenreichs, a.k.a. Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF): eine Abrissprä­mie. Genau, der Lobbyverband fordert 20.000 Euro Subvention für jeden Abriss eines Ein- und Zweifamilienhauses, um neue Ein- und Zwei­familienhäuser in Fertigbauweise zu errichten. Die Abrissprämie sei analog zur Abwrackprämie der Automobilindustrie zu verstehen. Nach Marx solle der Vorstoß der Fertigbauer nicht „sofort bejubelt“ werden, „auch wenn er den Gebäudebestand energieeffizienter und viele Dörfer attraktiver machen würde.“
Geht’s noch? Sind 08/15-Retortenhäuser attraktiver als historischer Bestand? Haben wir nicht begriffen, dass die in der Bausubstanz gespeicherte graue Energie ein entscheidender Faktor in der Lebenszyklusanalyse ist? Inwiefern liefert die Abrissprämie eine Antwort auf die sich zuspitzende Wohnungsfrage? Sind durchscheinende Greenwashing-Argumente aus wirtschaftlichen Interessen legitime Diskurspositionen? Nicht zuletzt mag überraschen, wie vollkommen gegenläufig manche Diskus­sion in Architektur und Bauwirtschaft verläuft. War das vergangene Jahr nicht das der Zeitenwende, der Energiekrise und der lautstarken Forderung nach einem Abriss-Moratorium?
Die Asynchronität auf Architectia verläuft ringförmig: Die Fertigbaulobbyisten brachten die Abrissprämie schon Anfang Februar 2022 (medial wenig wirksam) ins Spiel. Fragmente der Pressemeldung finden sich im Netz, jedoch keine Spur im Pressebereich des BDF selbst. Die FAZ berichtet also old news. Beim BDF hält man sich auf Nachfrage bedeckt: eine Abrissprämie werde derzeit nur intern diskutiert, an die Öffentlichkeit wolle man erst in naher Zukunft treten. Saurons Schatten trägt sonderbare Züge.

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