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Uwe Kiessler (1937-2025)

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

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Foto: JH Smid

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Uwe Kiessler (1937-2025)

Text: Stock, Wolfgang Jean, München

Wer Uwe Kiessler näher gekannt hat, erinnert sich an einen ungewöhnlich kultivierten, ja liebenswürdigen Architekten: in der Sache jeweils voller Leidenschaft, im Auftritt aber eher bescheiden. Seine zahlreichen Studentinnen und Studenten werden ihn im Gedächtnis behalten als einen Hochschullehrer, dessen freundliches Wesen eine entspannte Autorität ausstrahlte. Weil er auch ehrenamtlich tätig war, werden viele seiner mit Dank gedenken, an erster Stelle Winfried Nerdinger: 2002 hatte Uwe Kiessler den Förderverein des Münchner Architekturmuseums gegründet und dann über ein Jahrzehnt lang tatkräftig geleitet. Die etlichen „Star-Architekten“ eigene Eitelkeit war Kiessler fremd, er wollte durch sein Werk überzeugen. Das ist ihm zusammen mit seinen engsten Partnern Manes Schultz und Vera Ilić an ganz unterschiedlichen Orten gelungen. Kiessler war ein „Star“ eigener Klasse – sein Rang als großer deutscher Architekt der Gegenwart ist in seinen Bauten verkörpert. Nach langer und schwerer Krankheit ist er am 29. Juli im Alter von 88 Jahren an den Spätfolgen eines tragischen Unfalls in seiner Wahlheimat München verstorben.
Vor allem die bayerische Landeshauptstadt hat Uwe Kiessler herausragende Bauten zu verdanken. 1937 in Krefeld geboren, gründete er nach dem Abschluss an der damaligen Technischen Hochschule München im Alter von nur 25 Jahren an seinem Studienort sein eigenes Büro. Das erste große realisierte Projekt bescherte ihm nationale Aufmerksamkeit: das 1976 vollendete Verwaltungsgebäude der Bayerischen Rück am Rand des Englischen Gartens. Das in Gestalt von transparenten Zylindern gegliederte Gebäude erwies Kiessler nicht nur als würdigen Nachfolger von Egon Eiermann beim Bauen mit Stahl und Glas, sondern zeigte auch seinen Anspruch, humanere Arbeitswelten zu schaffen. Dieses Thema beschäftigte ihn lebenslang, so auch bei dem 1990 eingeweihten Verlagshaus von Gruner + Jahr in Hamburg, das er zusammen mit Otto Steidle als eine kleine kommunikative Stadt entwarf. Auch hier wollte er Arbeitswelten zu Lebenswelten steigern. Einmal nach Vorbildern befragt, nannte Kiessler nicht umsonst die Johnson Wax Company von Frank Lloyd Wright in Racine und die Versicherung Centraal Beheer von Herman Hertzberger in Apeldoorn.
In München, wo Kiessler von 1981 bis 2002 zunächst an der Fachhochschule lehrte, dann „Integriertes Bauen“ (seine Grundauffassung) an der TU, konnte er weitere markante Bauten ausführen. Dazu gehören der unterirdische „Kunstbau“ für das Lenbachhaus (1994), der Umbau einer früheren Schule zum Literaturhaus mit einem von Licht durchfluteten Dachgeschoss (1997) sowie die Telekom-Türme beim Ostbahnhof (2005), die durch Stege miteinander verbunden sind – ein offenkundiger Bezug zur historischen Moderne, zum konstruktivistischen Ministerium für Industrie und Planung im ukrainischen Charkiw aus dem 1935 (inzwischen auch ein Opfer des russischen Bombenterrors).
München hat aber auch eine große Chance vertan. 1969 hatte der noch junge Uwe Kiessler den Wettbewerb für den Neubau der Bayerischen Staatskanzlei gewonnen, mit einem schlanken aufgeständerten Riegel, der im Finanzgarten ein großartiges Pendant hätte bilden können zum gegenüber liegenden amerikanischen Generalkonsulat von SOM und Sep Ruf aus dem Jahr 1958. Die Ausführung des Entwurfs stand unmittelbar bevor, doch im letzten Moment kippte die bayerische Oberste Baubehörde das Projekt – ein beispielloser Skandal. Nur mit großer Mühe konnte ein anderer prominenter Vorschlag von Kiessler durchgesetzt werden, der Wissenschaftspark Gelsenkirchen als das Pilotprojekt der IBA Emscher-Park, wie Karl Ganser in der 2007 bei Birkhäuser erschienenen Monografie zum Werk von Kiessler + Partner berichtet hat. Auch dieses Buch wird Bestand haben, nicht zuletzt wegen der sorgfältigen Einleitung von Manfred Sack, der Kiessler „eine Architektur mit heißem Herzen“ bescheinigt hat. Uwe Kiessler hat die Moderne nicht nur fortgesetzt, sondern ihr beim Denken und Bauen eigene Akzente verliehen.

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