Wir sind die Anderen
Text: Landes, Josepha, Berlin
Wir sind die Anderen
Text: Landes, Josepha, Berlin
Irgendwie Anders ist ein kleines blaues Wesen. Ein Tierchen aus einem Kinderbuch. Irgendwie Anders sucht Anschluss und Freunde und findet lange Zeit weder das eine noch die andern, eben weil er irgendwie anders ist. Doch eines Tages tritt ein gleichfalls kleines, allerdings gelbes, rüsseliges Tierchen in sein Leben. Sie werden Freunde. Trotz oder auch wegen oder einfach mit ihrer Andersartigkeit. Ihren sehr unterschiedlichen Andersartigkeiten. Und trotzdem bleiben auch am Ende dieses Buches, das das Anderssein zu normalisieren sucht, die Anderen – diejenigen, die genügend offensichtliche Gemeinsamkeiten haben, um über die Unterschiede hinwegzusehen.
Es ist eine Krux der Menschheit, aus herausgegriffenen Kriterien Gruppen zu formieren. Ob zu Staaten, Parteien, Sportvereinen oder Freundeskreisen. Eine Krux, weil diese Gruppen stärken, weil sie als Nukle-
us des Sozialen die Individuen halten. Und eine Krux, weil ihre Stärke erdrücken kann, jene niederringen, denen Merkmale fehlen, die als „normal“ oder „geeignet“ gelten. Nicht immer findet das Ausschließen vorsätzlich statt. Allzu oft sind wir alle schlicht auf einem Auge blind – in unseren Weltbildern gefangen.
us des Sozialen die Individuen halten. Und eine Krux, weil ihre Stärke erdrücken kann, jene niederringen, denen Merkmale fehlen, die als „normal“ oder „geeignet“ gelten. Nicht immer findet das Ausschließen vorsätzlich statt. Allzu oft sind wir alle schlicht auf einem Auge blind – in unseren Weltbildern gefangen.
Das Andersartige zu wertschätzen, ist glücklicherweise derzeit in der westlichen Ethik eine Prämisse. Doch bei weitem keine unumstößliche, wie sich an verschiedenen Rückwärtsrollen von Politik und Gesellschaft nachvollziehen lässt. Gruppen, die als Minderheiten gegenüber der Mehrheit gelten, müssen ihre Rechte weiterhin erkämpfen und verteidigen. Obwohl im Grundgesetz unzweideutig steht: Wir alle sind gleich zu behandeln, wir alle dürfen dasselbe, und dasselbe dürfen wir nicht. Gleichheit ist eine Illusion, und nicht einmal erstrebenswert: Das Gleichsein kann und wird und möchte nie eintreten. Gleichstellung jedoch müssen wir erreichen, und der Weg dorthin heißt Inklusion. Inklusion meint hinschauen und mitdenken, Bedürfnisse erkennen und einbeziehen in die Planung. Inklusives Planen ist keine Gleichmacherei – so wie eine Palme andere Wachstumsbedingungen als ein Kaktus benötigt, werden Räume für Menschen, die Gewalt erfahren haben, für Menschen, die sich mit Händen und Ohren statt Augen orientieren, oder für Menschen, die regelmäßig von Anfällen heimgesucht werden, ihre jeweiligen Spezifika aufweisen müssen.
Allerdings sind Menschen weder Palmen noch Kakteen: Die meisten dieser Spezifika schließen einander nicht aus, ihr planerisches „Vergessenwerden“ allerdings viele. In Wahrheit nämlich gibt es keine Mehrheitsgesellschaft. In dieser Ausgabe spüren wir dem Andersartigen, der Vielfalt nach; wir versammeln Projekte, die auf die eine oder andere Art und Weise die Grenze zwischen dem Drinnen und dem Draußen von Gruppen, tradierten Werten und auch Prozessen durchbrechen, aufweichen, öffnen.
Irgendwie Anders isst gern grüne Suppe; alle andern essen Brote. Er möchte seine grüne Suppe essen wie die andern ihre Brote und füllt sie deswegen in eine Papiertüte. In unserer Welt gibt es sehr viel Anderes – vieles, das ein Brotbeutel nicht fassen kann. Doch seien wir ehrlich: Wer will schon immer nur Brote essen?






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