Es braucht Vertrauen in den Partner vor Ort
Siebzig Kilometer westlich der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, in Sosnovka, hat die schweizerisch-kirgisische Architektin Saikal Zhunush den Bau einer Integrativen Schule begleitet, in der Kinder mit und ohne körperliche Beeinträchtigung, mit Schwierigkeiten in der Familie sowie Waisen gemeinsam lernen. Der Bildungsschwerpunkt der Schule liegt neben der kognitiven Förderung auf der Entwicklung handwerklicher und motorischer Fähigkeiten: Die Tafel ist eher nebensächlich, ein Waschbecken im Klassenzimmer dagegen ein Must-Have. Ein Gespräch über das Bauen in einem Land ohne Bautradition und die Hürden des Planens aus der Distanz: Zhunush arbeitete im Wesentlichen aus ihrem Büro Oekofacta in Lausanne. Die Schule aus Holz, Lehm und Stroh wurde zur Hälfte durch Spenden finanziert und entstand innerhalb von nur acht Monaten.
Text: Landes, Josepha, Berlin; Dinkel, Diana, Nürnberg
Es braucht Vertrauen in den Partner vor Ort
Siebzig Kilometer westlich der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, in Sosnovka, hat die schweizerisch-kirgisische Architektin Saikal Zhunush den Bau einer Integrativen Schule begleitet, in der Kinder mit und ohne körperliche Beeinträchtigung, mit Schwierigkeiten in der Familie sowie Waisen gemeinsam lernen. Der Bildungsschwerpunkt der Schule liegt neben der kognitiven Förderung auf der Entwicklung handwerklicher und motorischer Fähigkeiten: Die Tafel ist eher nebensächlich, ein Waschbecken im Klassenzimmer dagegen ein Must-Have. Ein Gespräch über das Bauen in einem Land ohne Bautradition und die Hürden des Planens aus der Distanz: Zhunush arbeitete im Wesentlichen aus ihrem Büro Oekofacta in Lausanne. Die Schule aus Holz, Lehm und Stroh wurde zur Hälfte durch Spenden finanziert und entstand innerhalb von nur acht Monaten.
Text: Landes, Josepha, Berlin; Dinkel, Diana, Nürnberg
Wie sind Sie an den Auftrag gekommen, eine Integrative Schule in Ihrer Heimat zu bauen?
Kurz nach der Pandemie 2021 habe ich ein dreigeschossiges Wohn- und Gewerbehaus nach passivsolaren Prinzipien in Bischkek gebaut. Dazu gab es einige Veröffentlichungen und Interviews. Daraufhin ist der Verwaltungsrat der Integrativen Schule auf mich zugekommen – die Schule hatte zu diesem Zeitpunkt ein Gebäude vom Staat gemietet. Dessen ungedämmte Bauart hatte hohe Heizkosten zur Folge. Die Schulverwaltung wandte sich deswegen an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Eine Unterstützung bei der Sanierung wurde zugesichert, jedoch auch der Wunsch geäußert, lieber etwas „Besseres“ zu bauen. Als ich mit dem Vorentwurf beauftragt wurde, war mir wichtig, mit Holz und Lehm zu bauen. Zuerst wollte der Verwaltungsrat die Schule nämlich wieder mit Ziegel und Stahlbeton bauen lassen; so ist es üblich in Kirgisistan.
Kurz nach der Pandemie 2021 habe ich ein dreigeschossiges Wohn- und Gewerbehaus nach passivsolaren Prinzipien in Bischkek gebaut. Dazu gab es einige Veröffentlichungen und Interviews. Daraufhin ist der Verwaltungsrat der Integrativen Schule auf mich zugekommen – die Schule hatte zu diesem Zeitpunkt ein Gebäude vom Staat gemietet. Dessen ungedämmte Bauart hatte hohe Heizkosten zur Folge. Die Schulverwaltung wandte sich deswegen an die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE). Eine Unterstützung bei der Sanierung wurde zugesichert, jedoch auch der Wunsch geäußert, lieber etwas „Besseres“ zu bauen. Als ich mit dem Vorentwurf beauftragt wurde, war mir wichtig, mit Holz und Lehm zu bauen. Zuerst wollte der Verwaltungsrat die Schule nämlich wieder mit Ziegel und Stahlbeton bauen lassen; so ist es üblich in Kirgisistan.
Weshalb ist es Ihnen so wichtig, mit Lehm zu bauen?
Ich habe die vom Lehm erzeugte frische Atmosphäre selbst erlebt, diese Gebäude können atmen. Vor der Realisierung der Schule hatte ich erst ein lehmverputztes Gebäude sowie eine kleine Stampflehmwand umgesetzt. In Kirgisistan habe ich einen Fachmann kennengelernt, der bereits kleinere Häuser mit Stroh und Lehmputz realisiert hatte. Nach einem Besuch dort habe ich ihm vorgeschlagen, dass er die Schule vor Ort baut und ich die Planung übernehme.
Ich habe die vom Lehm erzeugte frische Atmosphäre selbst erlebt, diese Gebäude können atmen. Vor der Realisierung der Schule hatte ich erst ein lehmverputztes Gebäude sowie eine kleine Stampflehmwand umgesetzt. In Kirgisistan habe ich einen Fachmann kennengelernt, der bereits kleinere Häuser mit Stroh und Lehmputz realisiert hatte. Nach einem Besuch dort habe ich ihm vorgeschlagen, dass er die Schule vor Ort baut und ich die Planung übernehme.
Ist Ihr Baupartner ebenfalls Architekt?
Er hat keine architektonische Ausbildung, sondern Wirtschaft studiert und anschließend in London gearbeitet – unter anderem auf dem Bau. Nach seiner Rückkehr nach Kirgisistan hat er erste Häuser aus Ziegel gebaut, dann Erfahrungen mit Stroh gesammelt. In England hat er den Einsatz von ökologischen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh kennengelernt. Er wusste: Das Material ist nicht, wie oft tradiert, ein Baustoff nur für ärmliche Bauten.
Er hat keine architektonische Ausbildung, sondern Wirtschaft studiert und anschließend in London gearbeitet – unter anderem auf dem Bau. Nach seiner Rückkehr nach Kirgisistan hat er erste Häuser aus Ziegel gebaut, dann Erfahrungen mit Stroh gesammelt. In England hat er den Einsatz von ökologischen Materialien wie Holz, Lehm und Stroh kennengelernt. Er wusste: Das Material ist nicht, wie oft tradiert, ein Baustoff nur für ärmliche Bauten.
Ist Bauen mit Lehm in Kirgisistan üblich?
Kirgisistan ist ein junges Land, das erst 1924 begonnen hat, zu bauen. Die Kirgisen waren ursprünglich eine nomadische Kultur, darauf folgte die Eroberung durch das Russische Zarenreich und anschließend die Integration in die Sowjetunion. Wir haben nie eine wirklich eigene Baukultur entwickelt. Wenn Kirgisen etwas bauen wollten, kam eine Gruppe aus Usbekistan, die handwerklich geschickt war und mit Holz zu arbeiten wusste. In Kirgisistan bauen die Leute in der Regel Wände aus ungebrannten Lehmziegeln, darauf irgendein Holzdach, das wiederum mit einem Eternitblech abgedeckt wird. Die Menschen fertigen diese Ziegel meist selbst. Viele Häuser werden damit gebaut – allerdings auch mit zahlreichen Fehlern. Es ist beispielsweise nicht bekannt, was ein Fenstersturz ist, deswegen wird ein dünnes Brett verwendet, das sich nach einiger Zeit durchbiegt. „Horizontale Feuchtigkeitssperre“ ist auch niemandem ein Begriff, und anstelle einer ausreichenden Gründung werden oft Natursteine mit Zement vergossen. Dann entstehen Risse an den Wänden, weil es aufgrund von Temperaturschwankungen zu Bodenverschiebungen kommt: Bei Sonneneinstrahlung taut der Boden auf der Südseite bereits, obwohl er im Norden noch gefroren ist.
Kirgisistan ist ein junges Land, das erst 1924 begonnen hat, zu bauen. Die Kirgisen waren ursprünglich eine nomadische Kultur, darauf folgte die Eroberung durch das Russische Zarenreich und anschließend die Integration in die Sowjetunion. Wir haben nie eine wirklich eigene Baukultur entwickelt. Wenn Kirgisen etwas bauen wollten, kam eine Gruppe aus Usbekistan, die handwerklich geschickt war und mit Holz zu arbeiten wusste. In Kirgisistan bauen die Leute in der Regel Wände aus ungebrannten Lehmziegeln, darauf irgendein Holzdach, das wiederum mit einem Eternitblech abgedeckt wird. Die Menschen fertigen diese Ziegel meist selbst. Viele Häuser werden damit gebaut – allerdings auch mit zahlreichen Fehlern. Es ist beispielsweise nicht bekannt, was ein Fenstersturz ist, deswegen wird ein dünnes Brett verwendet, das sich nach einiger Zeit durchbiegt. „Horizontale Feuchtigkeitssperre“ ist auch niemandem ein Begriff, und anstelle einer ausreichenden Gründung werden oft Natursteine mit Zement vergossen. Dann entstehen Risse an den Wänden, weil es aufgrund von Temperaturschwankungen zu Bodenverschiebungen kommt: Bei Sonneneinstrahlung taut der Boden auf der Südseite bereits, obwohl er im Norden noch gefroren ist.
Vor welche Herausforderungen haben Sie die verschiedenen Planungskulturen gestellt und welche neuen Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Der Austausch mit meinem Baupartner lief hauptsächlich digital, über WhatsApp und Zoom. Ich habe die Pläne gezeichnet und alles, was technische Fragen betraf, etwa wie die Strohballen in die Wände zu legen sind, ihm überlassen. Einmal wurde eine Reihe Holzstützen falsch gesetzt.
Es stellte sich heraus, dass die Arbeiter Schwierigkeiten hatten, die Pläne zu lesen. Mein Partner hatte zwar zuvor kleinere Häuser gebaut, aber immer ohne gezeichnete Pläne. Eine Schule ist etwas anderes – natürlich hatten wir große,vermaßte Pläne. Was eine Achse ist, muss eben doch erstmal gelernt sein. Ich meinerseits hatte vor diesem Projekt kein Wissen über die Handhabung von Stroh als Baustoff, das habe ich in dieser Zeit gelernt.
Der Austausch mit meinem Baupartner lief hauptsächlich digital, über WhatsApp und Zoom. Ich habe die Pläne gezeichnet und alles, was technische Fragen betraf, etwa wie die Strohballen in die Wände zu legen sind, ihm überlassen. Einmal wurde eine Reihe Holzstützen falsch gesetzt.
Es stellte sich heraus, dass die Arbeiter Schwierigkeiten hatten, die Pläne zu lesen. Mein Partner hatte zwar zuvor kleinere Häuser gebaut, aber immer ohne gezeichnete Pläne. Eine Schule ist etwas anderes – natürlich hatten wir große,vermaßte Pläne. Was eine Achse ist, muss eben doch erstmal gelernt sein. Ich meinerseits hatte vor diesem Projekt kein Wissen über die Handhabung von Stroh als Baustoff, das habe ich in dieser Zeit gelernt.
Wie hat es mit der Vermittlung besser geklappt?
Ich zeichne von den Wandaufbauten bis zu den Sanitärleitungen alles in 3D. Das hat bei der Vermittlung an die Handwerker geholfen und einen Zugang für Laien geboten, besonders die Bauherrschaft hat besser verstanden, worum es geht.
Ich zeichne von den Wandaufbauten bis zu den Sanitärleitungen alles in 3D. Das hat bei der Vermittlung an die Handwerker geholfen und einen Zugang für Laien geboten, besonders die Bauherrschaft hat besser verstanden, worum es geht.
Gibt es für die Zukunft Pläne, die Schule zu erweitern?
Derzeit gehen vierzig Kinder in sieben Klassen auf die Schule, ursprünglich waren neun Klassen angedacht. Wenn die Schule sich entwickelt, kann man den Grundriss am Eingang spiegeln und so die Räumlichkeiten erweitern. Nach der Fertigstellung wurde ich gebeten, noch eine Sporthalle, sogar mit Schwimmbad, zu planen. Ich fand aber, dass ein bestehendes öffentliches Schwimmbad den Zweck erfüllt. Die Miete pro Tag oder Stunde wäre viel günstiger als die Baukosten. Die Idee wurde daraufhin verworfen. Neulich haben sie mich erneut angefragt, diesmal um eine Reithalle zu planen. Ich habe angeboten, die Pläne und Ideen zu zeichnen, jedoch nicht von Grund auf alles zu entwickeln.
Derzeit gehen vierzig Kinder in sieben Klassen auf die Schule, ursprünglich waren neun Klassen angedacht. Wenn die Schule sich entwickelt, kann man den Grundriss am Eingang spiegeln und so die Räumlichkeiten erweitern. Nach der Fertigstellung wurde ich gebeten, noch eine Sporthalle, sogar mit Schwimmbad, zu planen. Ich fand aber, dass ein bestehendes öffentliches Schwimmbad den Zweck erfüllt. Die Miete pro Tag oder Stunde wäre viel günstiger als die Baukosten. Die Idee wurde daraufhin verworfen. Neulich haben sie mich erneut angefragt, diesmal um eine Reithalle zu planen. Ich habe angeboten, die Pläne und Ideen zu zeichnen, jedoch nicht von Grund auf alles zu entwickeln.
Sind die Lehrkräfte und Kinder froh über ihre Schule aus Lehm?
Die Direktorin hat mir im Juni eine Whatsapp-Nachricht geschrieben: „Es ist sehr heiß im Land, aber unsere Schule lehrt in angenehm kühlen Räumen.“ Ich glaube, schon.
Die Direktorin hat mir im Juni eine Whatsapp-Nachricht geschrieben: „Es ist sehr heiß im Land, aber unsere Schule lehrt in angenehm kühlen Räumen.“ Ich glaube, schon.
Was nehmen Sie von diesem Projekt in Ihre Arbeit mit?
Die Techniken, mit Stampfstroh und Holz zu bauen, kommen bei mir heute noch zum Einsatz. Ein Hotel in den Bergen von Kirgisistan, das langsam in die Realisierungsphase kommt, ist in der gleichen Konstruktion geplant. Wir sind es hier in der Schweiz und in Europa gewohnt, Materialmuster zu haben und uns im Voraus die Kombinationen zu überlegen. Das ist aus der Distanz nicht zu machen – da braucht es Vertrauen in den Partner vor Ort.
Die Techniken, mit Stampfstroh und Holz zu bauen, kommen bei mir heute noch zum Einsatz. Ein Hotel in den Bergen von Kirgisistan, das langsam in die Realisierungsphase kommt, ist in der gleichen Konstruktion geplant. Wir sind es hier in der Schweiz und in Europa gewohnt, Materialmuster zu haben und uns im Voraus die Kombinationen zu überlegen. Das ist aus der Distanz nicht zu machen – da braucht es Vertrauen in den Partner vor Ort.







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