Bauwelt

Junya Ishigami und sein 9,6 Meter langer Tisch

Kapitel 10: Ausgedünntes Material

Text: Gutiérrez, Vicente, Tokio

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Der „magische Tisch“
Foto: Sebastian Mayer

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Der „magische Tisch“

Foto: Sebastian Mayer


Junya Ishigami und sein 9,6 Meter langer Tisch

Kapitel 10: Ausgedünntes Material

Text: Gutiérrez, Vicente, Tokio

Der japanische Architekturkritiker Taro Igarashi beschrieb die Projekte von Junya Ishigami als „extrem und natürlich". Der Architekt selbst meint, ihm gehe es lediglich um eine Veränderung in der Wahrnehmung von Alltagsobjekten.
Das Projekt „Table“ von 2005 ist eines seiner ersten Projekte nach dem Ausscheiden bei SANAA. Ishigamis Tischplatte ist 9,50 Meter lang, 2,60 Meter breit und 1,1 Millimeter dick. Der Tisch ist aus Eisen – und dennoch fügt er sich übergangslos in die Umgebung ein, wirkt fragil und beinahe unsichtbar. „Die Fragilität dieses Tisches liegt in der Art der Konstruktion. Doch das Spiel mit den Dimensionen bei diesem zugegeben langen Tisch kann beim Betrachter die Wahrnehmung des Dings an sich verändern.“

In seinen Vorarbeiten zum Entwurf dieser extrem dünnen Platte dachte Ishigami weniger an ein Möbelstück als an Architektur: „Ein Tisch ist in vieler Hinsicht eine Konstruktion en miniature, eigentlich fast ein Gebäude. Die Tischfläche ist das Dach, die Beine die Stützen – gerade weil er so einfach ist, ist ein Tisch ein guter Archetypus für Architektur.“

Konventionelles Alltagswissen und mathematische Grundkenntnisse würden davon ausgehen, dass eine derart große Fläche auf so dün­nen Stützen durchhängen oder sich unter dem Einfluss von darauf abgestelltem Gewicht verziehen müsse. Eine erste Versuchsreihe galt ei­ner Tischplatte, die stark genug sein sollte, um sich selbst als plane Fläche zu tragen. Weitere Experimente bezüglich Wölben und Vorspannen des Eisens erbrachten schließlich das geeignete technische Verfahren. Obwohl die Stabilität an sich eine zentrale Fragestellung blieb, bezogen sich die konstruktiven Analysen nicht nur auf das jeweilige Eigengewicht der Platte, sondern auch darauf, wie und wo Objekte auf der extrem sensiblen Oberfläche positioniert werden sollten. Aus zahllosen Kurven wurde eine Art „object-map“ errechnet, eine Landkarte der Objekte:eine künftige Topologie für die auf den Tisch gestellten Dinge mit einer – dann – vollkommen planen Oberfläche als Resultat. Das Spiel mit den Größenverhältnissen wird so zu einer mys­teriösen Konstruktion, die die Funktionsprinzipien, auf denen sie basiert, verschleiert.
Fakten
Architekten Ishigami, Junya, Tokio
aus Bauwelt 33.2010
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