Bauwelt

Klimaschutz und soziale Verträg­lichkeit

Energetische Sanierung in Berlin-Buch

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

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Foto: HOWOGE

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Klimaschutz und soziale Verträg­lichkeit

Energetische Sanierung in Berlin-Buch

Text: Grünzig, Matthias, Berlin

Der Wirbel um die Modernisierung von Plattenbau­-ten in Berlin-Buch zeigt, wie schwer sich ökologische und soziale Ziele auf einen Nenner bringen lassen.
Das Wohngebiet Berlin-Buch wurde zwischen 1969 und 1987 in Plattenbauweise errichtet. Nach 1990 ist ein Teil der Häuser von ihren Eigentümern, verschiedenen Wohnungsgenossenschaften, saniert worden. Die städtische Wohnungsgesellschaft Gesobau hingegen beließ ihre Bestände unsaniert und versuchte stattdessen, die Wohnungen zu extrem niedrigen Nettokaltmieten (teilweise nur 1,96 Euro pro Quadratmeter) zu vermieten.
Doch mit diesen niedrigen Mieteinnahmen  ließen sich selbst einfachste Instandhaltungen nicht mehr finanzieren. Undichte Wände und veraltete Heizungen sorgten für einen Heizenergieverbrauch von fast 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnfläche pro Jahr (kWh/m²/a) und entsprechend hohe Nebenkosten. Die Konsequenz war ein Wohnungs­leerstand, der trotz der Dumpingmieten bis auf 14 Prozent anstieg. 2003 bildete sich eine Bürger­initiative, die Unterschriften für eine Sanierung der Häuser sammelte. Im Januar 2008 mahnte schließlich auch die zuständige Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Pankow eine Sanierung an. 2009 zeichnete sich die erhoffte Wende ab: Zum 1. Juli 2009 erwarb die ebenfalls städtische, aber finanziell potentere Wohnungsgesellschaft HOWOGE die Bestände der Gesobau in Berlin-Buch.
Die HOWOGE plante, die Siedlung zu einem ökologischen Modellquartier umzubauen. Buch schien aus mehreren Gründen dafür geeignet zu sein. Einerseits bieten Plattenbauten besonders gute Voraussetzungen für eine energetische Gebäudesanierung. Die in der Regel nicht denkmalgeschützten Häuser können problemlos mit Wärmedämm-Verbundsystemen, Wärmeschutzfenstern und Solaranlagen aus­gestattet werden. Eine Studie des Instituts für Wirt­schaftsforschung Halle hat ergeben, dass auf diese Weise ein Heizenergieverbrauch von deutlich unter 100 kWh/m²/a erzielt werden kann. Modernisierte Altbauten dagegen verbrauchen selbst nach aufwendigen Sanierungen immer noch durchschnittlich 130 kWh/m²/a Heiz­energie. Ein weiterer Vorteil war, dass die HOWOGE über eine große Erfahrung bei der energetischen Sanierung von Plattenbauten verfügte. In den Jahren zuvor hatte sie rund 45.000 Plattenbauwohnungen hochwertig saniert. Viel Anerkennung fand ein Hochhaus in der Schulze-Boysen-Straße in Lichtenberg, das 2006 zum größten Niedrig­­energiehaus Deutschlands umgebaut worden war.
Gemeinsam mit dem Berliner Planungsbüro IPB.B erarbeitete die HOWOGE ein Konzept für die modellhafte energetische Sanierung von 2300 Wohnungen in Buch. Geplant waren Wärmeschutzfassaden, Wärmeschutzfenster, Lüftungsanlagen mit Wärme­rück­gewinnung, Nutzung von Erdwärme, Solaranlagen, stromsparende Schalter und wassersparende Armaturen. Altersgerechte Wohnblöcke mit barrierefreien Wohnungen und rollstuhlgerechten Aufzügen gehörten ebenso zum Programm wie der Neubau eines Stadtteilzentrums mit Volkshochschule, Stadtteil­bibliothek und Musikschule. Das Konzept wurde bei dem 2009 vom BMVBS veranstalteten Wettbewerb „Energetische Sanierung von Großwohnsiedlungen“ mit einer Bronzemedaille prämiert.
Die Umsetzung stieß dann allerdings auf enorme Widerstände. Ein Problem war die Finanzierung. Zwar gibt es öffentliche Fördermittel für die Gebäudesanierung, doch diese werden nur in Form von zinsverbilligten Krediten gewährt. Deshalb muss ein Großteil der Sanierungskosten auf die Mieten umgelegt werden. In Buch hätte das einen deutlichen Anstieg der Nettokaltmieten auf sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter zur Folge gehabt. Die warmen Betriebskosten wären dagegen nur um rund 90 Cent gesunken. Viele Bewohner hätten diese Mieten nicht bezahlen können. Der drohende Mietpreisanstieg wurde von einigen Medien genutzt, um den Sinn energetischer Sanierungsmaßnahmen grundsätzlich in Frage zu stellen.
Die negative Berichterstattung blieb nicht ohne Wirkung. 2010 wurden die Planungen vorerst gestoppt und die Geschäftsführung der HOWOGE ausgetauscht. Anschließend untersuchte man die Sa­nierungsplanung auf Einsparpotenziale: Erdwärmenutzung, Solaranlagen und die Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung wurden gestrichen. Die neue Planung, die diesmal von den Berliner Büros BBP Bauconsulting und Gneise 66 stammte, sah ver­gleichs­­weise niedrige Baukosten von rund 500 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche und eine Reduzierung des durchschnittlichen Heizenergieverbrauchs auf rund 75 kWh/m²/a vor. Durch diese Maßnahmen konnten die Nettokaltmieten auf fünf bis sechs Euro pro Quadratmeter begrenzt werden. Im Gegenzug sollen die warmen Betriebskosten um 60 Cent pro Qua­dratmeter sinken. Zudem erklärte sich die HOWOGE bereit, mit einkommensschwachen Mietern Sonder­vereinbarungen abzuschließen. Inzwischen hat ein Großteil der Mieter der Sanierung zugestimmt, Baubeginn soll im April sein.

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