Bauwelt

Großform kontra Einzelbauten

Inter-Community School Zurich in Volketswil

Text: Bienert, Volker, Zürich

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Empfehlung zur Weiterbearbeitung: Duplex Architekten

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Großform kontra Einzelbauten

Inter-Community School Zurich in Volketswil

Text: Bienert, Volker, Zürich

Im geplanten Neubau einer Privatschule bei Zürich sollen 700 Schüler lernen. Das geltende Baurecht erlaubt nur eine kleinteilige Struktur. Eine Großform, so unser Autor, hätte jedoch viele Vorteile gehabt.
Die Inter-Community School Zurich (ICS) ist eine Privatschule. Sie besteht seit 1960 und stößt heute an ihre Kapazitätsgrenzen. Verantwortlich für die hohe Nachfrage privater internationaler Schulen in der Schweiz ist die Zuwanderung sogenannter Expats, Mitarbeiter global tätiger Unternehmen, die im Durchschnitt drei Jahre in der Schweiz bleiben. Die Schüler kommen aus über 50 Nationen, das Klientel der ICS gehört zur oberen Mittelschicht. Das Schulgeld von bis zu 33.000 Schweizer Franken pro Jahr wird meist von den jeweiligen Unternehmen übernommen.
Jenseits der Schulbaurichtlinien
Mit der Schweiz oder dem Schweizer Schulsystem haben die englischsprachigen Privatschulen allerdings wenig gemein. Bei der Suche nach einem geeigneten Standort können sie nicht auf Unterstützung durch die öffentliche Hand zählen. So kommt es, dass viele Schulen in für Schweizer Verhältnisse schlecht erschlossenen, am Siedlungsrand gelegenen, wenig charmanten Nachbarschaften ihre Heimat finden und sich zusätzlich um ein eigenes Transportsystem kümmern müssen. Auch beim Budget und den Baukosten unterscheiden sich die Privatschulen von den städtischen oder kantonalen. Die privaten Träger bauen, nicht zuletzt wegen der Freiheit ohne Schulbaurichtlinien und Zertifizierung agieren zu können, deutlich günstiger als die öffentliche Hand und sorgen so ganz nebenbei für gehörigen Rechtfertigungsdruck bei den für den öffentlichen Schulbau verantwortlichen Ämtern von Stadt und Kanton.
Am neuen zusätzlichen Standort der ICS in Volketswil, 20 Kilometer nordöstlich von Zürich, sollen künftig rund 700 Schüler der 6. bis 12. Klasse unterrichtet werden. Das Grundstück in Randlage eines Gewerbegebiets ist ca. 63.000 Quadratmeter groß, fällt nach Süden hin ab, und wird von einer 22 Meter breiten Bustrasse geteilt. Die geltenden baurechtlichen Vorschriften (Industriezone 1a) beschränken die Ausnützung, die maximale Gebäudehöhe ist mit 13,5 m fixiert, die Freiflächenziffer beträgt 20 Prozent, und die maximale Gebäudelänge wird mit 30 x 60 m angegeben.
Mit diesen Vorgaben standen die eingeladenen Teilnehmer des Studienauftrags vor der Wahl: Entweder konzipieren sie entsprechend den Vorgaben der Bau- und Zonenordnung (BZO), oder sie ignorieren diese, und müssen ihr Projekt über den zeitlich unberechenbaren Umweg eines privaten Gestaltungsplans zur Bewilligungsreife führen. Der Auslober hatte allerdings ehrgeizige Ziele gesetzt – Baubeginn 2013, Eröffnung 2015 – was letztere Variante praktisch ausscheiden ließ.
Während sich die einzigen ausgewiesenen Schulhausbauer unter den eingeladenen Teilnehmern nach der Lektüre der Auslobung aus dem Verfahren zurückzogen (Bünzli Courvoisier aus Zürich), versuchten es die verbliebenen fünf mit unterschiedlichen Konzepten. Schließlich standen zwei Großformen (Harder Spreyermann, Meili Peter) drei BZO-konformen Schulanlagen aus Einzelbauten gegenüber (Duplex, localarchitecture, Wehrli + Thomas). Für letztere gilt, trotz unterschiedlicher formaler und struktureller Interpretation, das Gleiche: Die Aufteilung der Nutzungen auf einzelne Gebäude bringt nicht nur ökonomische und betriebliche Nachteile mit sich, sondern verhindert wünschenswerte Effekte, wie sie sich bei einer zusammenhängenden Schulanlage ermöglich lassen. Einzelbauten benötigen eine aufwendige Erschließung und zusätzliche Fluchtwege; zudem führt die Abwicklung im Verhältnis zum Vo­lumen zu vergleichsweise hohen Baukosten, ohne dass ein Mehrwert erzielt wird.
Nachteile von Einzelbauten
Der innere Zusammenhalt einer Schulanlage ist im Wesentlichen von der Qualität jener Flächen abhängig, die nicht explizit einer bestimmten Nutzung gewidmet sind und Begegnungen en passant ermöglichen. Nicht nur dieser soziale Effekt geht durch Einzelbauten verloren, auch Synergien wie die Mehrfachnutzung von Foyerflächen sind nicht möglich, wenn sich Aula und Mensa in getrennten Gebäuden befinden. Schließlich widerspricht die Trennung von Mensa, Aula, Schulleitung und Unterrichtsbereichen dem Charakter eines offenen und flexiblen Lern- und Lebensortes und so dem Selbstverständnis
der ICS.
Die aktuellen Zürcher Grundsätze beim Schulhausbau legen Wert darauf, dass das Klassenzimmer, wenn auch längst zum Cluster gruppiert, Ausgangspunkt des Schulbetriebs bleibt. Bei der ICS hingegen wird das Lernen dank individueller Stundenpläne und universitätsnahem Lehrbetrieb nicht mehr am Klassenzimmer festgemacht. Diese sind mit 60 Qua­dratmetern deutlich kleiner als jene der Stadt Zürich (80m², 120 m² inkl. Gruppen- und Materialraum). Die Gruppen-, Tutorial- und Practice-Räume sind ihnen nicht fest zugeordnet, aber in deutlich höherer Anzahl gefordert. Die Qualitäten dieses offenen schulischen Konzepts lassen sich in den Entwürfen, die eine Großform vorschlagen, deutlich besser wiederfinden als im Siegerentwurf von Duplex Architekten, der das Raumprogramm auf sieben Häuser verteilt, die um drei Höfe gruppiert sind.
Ausgeschieden
Harder Spreyermann Architekten etwa schlagen eine kammartige Schulanlage mit langen großzügigen Korridoren vor, an denen einzelne Schulcluster und andere Funktionsbereiche aufgereiht sind. Äußerst gelungen erscheinen die städtebauliche Setzung mit dem Rücken zu Juchstrasse und Gewerbegebiet und die Öffnung der Schulanlage zu Chimlibach und zur Aussicht. Die Probleme dieser longitudinalen Gebäudestruktur jedoch sind, neben des gar zu großzügigen Layouts durch die Verfasser, die Lage des Eingangs, die langen Wege und die Simplizität einer bloßen Reihung der Funktionen.
Meili Peter Architekten hingegen gelingt mit ihrem Entwurf eines geometrisch auf den ersten Blick komplexen Gebäudes sowohl eine strukturelle und betriebliche Einfachheit, als auch eine räumlich bestechend vielschichtige Anlage. Die stark gegliederte Großform besetzt das westliche Grundstücksteil, verzahnt sich vielarmig mit dem Außenraum und bildet auf selbstverständliche Weise die Adresse und den Eingang am Riedweg aus. Dem Entwurf liegt eine polygonale Ordnung zugrunde, welche sowohl die städtebauliche Intention, als auch die innenräumlichen Beziehungen unterstützt. Die Mitte entsteht aufgrund der ringförmigen Anordnung der Funktionsbereiche und Klassentrakte, dient als Eingangshalle, als Foyer für Mensa und Auditorium, als Marktplatz, als Audimax, als Verteiler und Pausenhalle und würde sicher zum indentitätstiftenden Raum für die ICS in Volketswil. Die zentrale, zweigeschosshohe Halle wird von zwei Lichthöfen flankiert und von der Bibliothek gekrönt. Die Entscheidung, eine rein additive Anordnung gleicher Teile zu vermeiden, führt dank des großen Freiheitsgrades innerhalb der po­lygonalen Struktur zu einem besonderen Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft. Etwa so, wie sich die ICS sich das ursprünglich vorgestellt hatte.
Fakten
Architekten Duplex Architekten, Zürich; Harder Spreyermann Architekten, Zürich; Marcel Meili, Marcus Peter Architekten, Zürich
aus Bauwelt 39-40.2011
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