Bauwelt

Gerhard Richter: Atlas. Tafel 651

Position Nr. 10

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

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Gerhard Richter. Atlas. Tafel 651. Reichstag 1998 (Ausschnitt)
© Gerhard Richter 2011

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Gerhard Richter. Atlas. Tafel 651. Reichstag 1998 (Ausschnitt)

© Gerhard Richter 2011


Gerhard Richter: Atlas. Tafel 651

Position Nr. 10

Text: Scheffler, Tanja, Dresden

Von der Suche nach dem richtigen Bild
Der „Atlas“ gleicht einer gigantischen Pinnwand. Seit 1967 klebt Gerhard Richter Fotos, Zeitungsausschnitte und Skizzen, thematisch sortiert, auf Kartontafeln. Als „work in progress“ ist der Atlas Vorlagensammlung und Kunstwerk zugleich. Alle 783 Atlas-Tafeln mit mehr als 8000 Einzelmotiven sind, schlicht gerahmt und dicht gehängt, zurzeit in der Dresdner Kunsthalle im Lipsiusbau zu sehen.
Die Tafeln 647 bis 655 dokumentieren den Entwurfsprozess der Glasarbeit „Schwarz, Rot, Gold“ für den Berliner Reichstag (1998). Der 1932 geborene Richter gilt seit langem als weltweit erfolgreichster Künstler, seit der Bildfolge „18. Oktober 1977“ aus dem Jahr 1988 („Stamm­heim-Zyklus“) auch als herausragender politischer Maler. Auf den Atlas-Tafeln lässt sich verfolgen, wie Richter zunächst beabsichtigt, im Reichstag auf ähnliche Weise wie im Stammheim-Zyklus verwischte Schwarz-Weiß-Malerei zu zeigen – in diesem Fall auf historischen Fotos basierende Darstellungen deutscher Konzentrationslager. Unangemessen für das repräsentative Parlamentsentree? Richter probiert Verfremdungstechniken aus, überträgt schließlich sein Farbtafel-Konzept auf das Projekt. Nach einer Reihe vielfarbiger Arrangements konzentriert er sich auf die drei symbolträchtigen Farben. Und nach Varianten mit frei verteilten Flächen und nach Versionen mit langen, senkrechten Farbbahnen, die an herunterhängende Flaggen erinnern, gelangt er zu der endgültigen klaren Komposition.
Die gut 20 Meter hohe und drei Meter breite Arbeit aus sechs rückseitig emaillierten Glastafeln im Parlamentsfoyer provoziert einige Grundsatzfragen moderner Kunst: Was kann Bildmotiv sein? Wie entsteht ein Dialog zwischen Maler und Betrachter? Vor dem ex­tremen Hochformat mit der reflektierende Oberfläche, in der sich, von der richtigen Position aus betrachtet, die reale Bundesflagge vor dem Reichstag spiegelt, wird klar: Bei „Schwarz, Rot, Gold“ handelt es sich nicht um eine simple Flaggen-Adaption, sondern um abstrakte Farbflächen, die mit der Bedeutung der Farbkom­bination spielen.
Fakten
Architekten Richter, Gerhard, Köln
aus Bauwelt 13.2012
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