Bauwelt

Gestalteter Stahl

Fritz-Kühn-Ausstellung zum hundertsten Geburtstag

Text: Wieland, Kerstin, Berlin

Gestalteter Stahl

Fritz-Kühn-Ausstellung zum hundertsten Geburtstag

Text: Wieland, Kerstin, Berlin

Das ist „ein Kühn“, sage ich immer, wenn ich vom Eingang der Berliner Stadtbibliothek in der Breiten Straße in Mitte spreche. Die Arbeiten des Bildhauers Fritz Kühn (1910–1967) gehören für mich wie selbstverständlich zur Architektur der 60er Jahre im Osten Berlins: der Brunnen am Straußberger Platz, das Por­tal der Komischen Oper und vor allem eben jener Eingang – ein „Teppich“ aus 117 quadratischen Stahltafeln, jede mit einem A aus einer anderen Schrift.
Vor 100 Jahren wurde Kühn in Berlin geboren. Das ist der Fritz-Kühn-Gesellschaft Anlass für eine Ausstellung in der Galerie Alte Schule in Berlin-Adlers­hof. Nach der Ausbildung zum Werkzeugmacher und der Schmiedemeisterprüfung gründet Kühn 1937 seine eigene Werkstatt. Im Jahr darauf erscheint das erste von zwölf Büchern. Sein Titel: „Geschmiedetes Eisen“. Kühn bildet von Anfang an auch aus, in der Ausstellung sind von ihm erarbeitete Lehrmateria­lien zu sehen, die den Weg vom Eisenstab zum Detail einer künstlerischen Arbeit abbilden. Sie öffnen den Blick für die handwerkliche Virtuosität, mit der er das Eisen schmiedet, ohne es kunsthandwerklich aus­sehen zu lassen. In den Anfangsjahren arbeitet er da­bei oft seriell. Seine Anregungen nimmt er aus der Natur. Ab Mitte der 20er Jahre fotografiert er auch. Ein Raum der Ausstellung ist ausschließlich Kühns Fotografien vorbehalten, an anderer Stelle erklären Geschmiedetes und Fotografiertes einander.
Seit den 50er Jahren spricht Kühn weniger von „geschmiedetem Eisen“ als eher von „gestaltetem Stahl“. Zunehmend bestimmt die Natur des Materials selbst seine Arbeit. „Diszipliniertes Experimentieren“ nennt er seine Suche nach neuen Anwendungsmöglichkeiten. Er beschäftigt sich mit Kupfer, Aluminium, Messing, Bronze und Gold, gibt großen Flächen Struktur, er brennt Lacke ein, schmilzt Metalle auf, lässt Stahl oxydieren, ätzt, beizt oder verfärbt ihn durch Hitze. In den zahlreichen, längst abstrakten Werken dieser Zeit lässt sich dieses intensive
Suchen gut nachvollziehen.
Die Arbeiten der letzten beiden Lebensjahrzehnte sind überwiegend im architektonischen Kontext entstanden, und – die Entdeckung in der Ausstellung für mich – eben nicht nur im Osten, sondern auch im Westen Deutschlands: die räumliche Gitterwand im Deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel 1958, der „eiserne Vorhang“ für den Neubau der Oper Dortmund, eine Doppelflügeltür im Landtag Hannover, der Haupteingang des Generalvikariats Essen u.a. Die Kunstwerke, Fotos, Modelle und Zeichnungen sind, bei aller Schwere des Materials, zu einer sinnlichen Ausstellung gefügt.
Fakten
Architekten Fritz Kühn (1910–1967)
aus Bauwelt 22.2010

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