Bauwelt

Was kommt nach der autogerechten Stadt?

Mit dem Ende der Fixierung auf das Auto entwickeln sich ganz neue Möglichkeiten für den öffentlichen Raum. Eine Tagung in Kassel lotete das Potenzial aus

Text: Baus, Ursula, Suttgart

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    Fahren wir alle irgendwann nur noch mit dem Fahrrad, mit Bussen und Bahnen?
    Abb.: Studio Schwitalla

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    Fahren wir alle irgendwann nur noch mit dem Fahrrad, mit Bussen und Bahnen?

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    Vermutlich nicht. Aber statt im Auto sitzen wir eines Tages vielleicht in einem „Fly Wheel“, das sich der Architekt Max Schwitalla ausgedacht hat.
    Abb.: Studio Schwitalla

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    Vermutlich nicht. Aber statt im Auto sitzen wir eines Tages vielleicht in einem „Fly Wheel“, das sich der Architekt Max Schwitalla ausgedacht hat.

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    Mit dem koppelbaren, ringförmigen Gefährt ...
    Abb.: Studio Schwitalla

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    ... soll das Umsteigen von einem ins andere Verkehrsmittel überflüssig werden.
    Abb.: Studio Schwitalla

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    Grafik des Tagungsflyers
    Thomas Rustemeyer

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    Grafik des Tagungsflyers

    Thomas Rustemeyer

Was kommt nach der autogerechten Stadt?

Mit dem Ende der Fixierung auf das Auto entwickeln sich ganz neue Möglichkeiten für den öffentlichen Raum. Eine Tagung in Kassel lotete das Potenzial aus

Text: Baus, Ursula, Suttgart

Die gegliederte und aufgelockerte Stadt“ von Johannes Göderitz, Roland Rainer und Hubert Hoffmann erschien 1957, zwei Jahre später folgte Hans Bernhard Reichows „Die autogrechte Stadt“ – beides Bücher, die erheblichen Einfluss auf die Planungskonzepte der bis heute fixierenden Nachkriegszeit genommen haben. Inzwischen werden diese beiden Stadtkonzepte allzu oft in einen Thementopf geworfen und auch als Leitbilder verteufelt. Um eine wichtige Differenzierung ging es nun im Juni bei einer Tagung an der Universität Kassel, die Stefan Rettich unter dem Titel „Transformation der autogerechten Stadt“ organisiert hatte – in präzisem Blick darauf, dass die Entwicklung des Automobils eine inzwischen beispiellose Zerstörung öffentlicher Räume mit sich gebracht hat.

Das Auto darf als menschheitsgeschichtlich ineffizienteste, absurd aufgerüstete Mobilitätszelle gelten – mit Verbrennungsmotor und Wohnraumkomfort, Klima- und Musikanlagen, Fensterputz-Mechanik und Sitzheizung; elegante Erscheinung weicht inzwischen militärisch anmutendem Design, mit dem das Autovolumen auch ins Obszöne gleitet. Stadtrelevant ist auch der Platz, den die immer fetter werdenden Automobile beanspruchen – von mitwachsenden Garagen mal abgesehen, schlagen natürlich auch alle Lärm- und Abgasbelastungen zu Buche, die menschenunverträglich sind. Wenn die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums gestärkt werden soll – und das bezweifelt niemand mehr –, dann geht dies nicht ohne die Reduzierung des Autoverkehrs, aber auch nicht, ohne eine ähnlich leistungsfähige, neue Mobilität zu gewährleisten.
Unter diesen Prämissen war die Tagung in drei Sektionen gegliedert: erstens Technologie, zweitens Infrastruktur und drittens Konsequenzen für Architektur und öffentlichen Raum. Technologisch gilt es einerseits, Mobilität in ihren unterschiedlichen Qualitäten und Reichweiten pe­nibel zu analysieren – was Anna Rose von Space Syntax aus London beispielhaft zeigte. Damit wird unterbunden, dass sich in vermeintlichen Beteiligungsverfahren lobbystarke Gruppen wie Autofahrer neben langsam stärker vertretenen Radfahrern und eigentlich lobbyfreien Fußgängern ungleich hervortun können.
Technologie heißt aber auch, dass über alternative Mobilitätsstrukturen nachgedacht werden muss, wobei die Fantasie gefordert ist. Max Schwitalla, der seit einiger Zeit, auch von Audi unterstützt, an solchen Experimenten arbeitet, zeigte, welche Chancen sich in Mobilitätssystemen für die Entwicklung des öffentlichen Raums ergeben, wenn zum Beispiel individuelles Parken gar nicht mehr ansteht.
Geht es um Infrastruktur, dann geht es auch um Politik – ein hartes, mühsames Geschäft mit vielen Beteiligten. Das viel publizierte Beispiel Ulm, wo Alexander Wetzig als Baubürgermeister den Rückbau einer Durchgangsstraße über Jahre umzusetzen wusste, zeigt im Rückblick, dass Problembewusstsein, ausgeprägter politischer Wille, Planungs- und Kommunikationskontinuität für Veränderungen eminent wichtig sind.
Ein ähnlich ambitioniertes Projekt erläuterte Michael Triebswetter: In Ludwigshafen – einer völlig überlasteten autogerechten Stadt – wird eine Hochstraße zurückgebaut zu einer boulevardähnlichen Verkehrsader, wobei nun im Vorfeld alle einbezogen werden mussten, die sich in den alltäglichen Erfahrungen als Verkehrsteilnehmer ohnehin als Jeder gegen Jeden bekämpfen. Hier wetterleuchtet die Kraft, die dem ÖPNV immer mehr beigemessen werden sollte. Er hat Vorrang nach dem Motto: Gemeinnutz geht vor Eigennutz.
Was aber wird gewonnen, wenn ein Großteil des stehenden und fahrendes Blechs aus den Städten verschwindet? Dazu stellten Cityförster aus Hannover „Wohnkronen“ vor, mit denen Parkplätze, Parkhausdächer und vieles mehr zu attraktiven Lebensräumen ­umgenutzt werden können. Mads Birgens von COBE entführte in die Kopenhagener Verhältnisse, in denen alles anders ist als hierzulande – und das Fahrrad stadträumlich inzwischen fast eine Dominanz wie weiland das Auto gewonnen hat. Assemble aus London lehrten ein weiteres Mal, welchen Wert die temporäre Aktion, das unbefangene Wandlungstalent, Improvisation und kenntnisreiche Subversion haben.
In Kassel klang in großer Bandbreite an, was in einer Gesellschaft als Langzeitprojekt in Angriff genommen werden kann und muss, die dem Auto wie einer heiligen Kuh huldigt und die – was schlimmer wiegt – von dessen Produktionsverhältnissen in Regionen nicht nur wie Wolfsburg oder Stuttgart lebt. Diese Produktionsabhängigkeit könnte in ein Desaster führen. An realisierbaren Ideen für Alternativen zur autogerechten Stadt mangelt es nicht. Der öffentliche Raum wird in unserer multikulturellen Gesellschaft mehr und mehr gebraucht, um Menschen zusammenzuführen. Es steht eine Zeitenwende an.

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