Bauwelt

„Wenn wir uns auf den andalusischen Patio beziehen, wollen wir damit keine Identität reklamieren“

Spanien

Text: Cohn, David, Barcelona

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    Die Hauptattraktion im französischen Pavillon: das Modell der "Villa Arpel" aus Jaques Tatis Film "Mon Oncle" (1958)
    Andrea Avezzù Courtesy la Biennale di Venezia

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    Andrea Avezzù Courtesy la Biennale di Venezia

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Mock-up Luceros Station von Javier García-Solera Vera
Foto: Ábalos + Sentkiewicz

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Iñaki Ábalos

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Iñaki Ábalos


„Wenn wir uns auf den andalusischen Patio beziehen, wollen wir damit keine Identität reklamieren“

Spanien

Text: Cohn, David, Barcelona

Interview mit Iñaki Ábalos über das Pavillonthema "Interior"
Der spanische Pavillon widmet sich in diesem Jahr dem Thema „Interior“ – Innenraum. Zwölf aktuelle Projekte spanischer Architekten, davon sieben Neubauten und fünf Sanierungen, werden ausgestellt. Studenten der Escuela Técnica Superior de Arquitectura de Madrid (ETSAM) haben diese in großformatigen Fotografien und Zeichnungen für die Ausstellung aufbereitet.
Herr Ábalos, Sie kuratieren in diesem Jahr zusammen mit den Co-Kuratoren Enrique Encabo, Inmaculada E. Maluenda und Lluís Ortega den spanischen Pavillon. Was hat dieser Pavillon mit der Themenvorgabe von Rem Koolhaas für die diesjährige Architekturbiennale zu tun?
Wir wollten uns bei den von ihm genannten „fundamentals“ in keinem Fall auf so etwas wie Durands architektonische Typenlehre einlassen. Wir suchten stattdessen ein Konzept, das sich auf einen einzigen Typus bezieht und eine dezidiert „thermodynamische“ Sicht auf die Architektur deutlich macht. In Spanien, wie im ganzen Mittelmeerraum und in vergleichbaren Klimazonen, ist das Verhältnis von äußerer Gebäudehülle zum Gebäudeinneren anders als in kälteren Klimaregionen; dort wird in der Re­gel Wärme im Inneren benötigt. Im Mittelmeerraum leiten die Innenräume Wärme hingegen nach außen ab. Schon dadurch ist die typologische, thermodynamische Leitidee im Thema Innenraum impliziert.
Neben den „fundamentals“ hat Koolhaas die Länderpavillons unter das Thema „Absorbing Modernity: 1914–2014“ gestellt. Inwiefern spielen bei Ihrer Themenwahl nationale Merkmale eine Rolle?
Es gibt sicher nationale Unterschiede und Besonderheiten, die sich kulturell über die Zeit ausgeprägt haben. Unterschiedliche Regionen haben einen kulturspezifischen Umgang mit Materialien und eigene technische Ausdrucksweisen hervorgebracht. Wenn wir uns hier auf den andalusischen Patio beziehen, wollen wir damit allerdings keine regionale Identität reklamieren. Vielmehr sehen wir in der Konzeption des zentral im Haus liegenden Innenhofs die Lösung eines technischen Problems, die eine Kultur hervorgebracht hat. Mit allen Konsequenzen für die Kommunikation, den öffentlichen Raum, die Vorstellungen von Behaglichkeit, einem Leben im Freien ...
Sind diese Bezüge auf die regionale „materielle Kultur“ immer noch von Bedeutung für die spanische Architektur?
Die spanische Moderne war ein eigensinniges Projekt, das nicht nur in einem desaströsen politischen Umfeld, sondern unter ebenso desaströsen technischen Bedingungen verfolgt wurde. Weil es überall noch an der Grundlage für eine hochindustrialisierte Massenproduktion fehlte, mussten die Lehrmeister unserer Moderne hybride Antworten finden: eine modernistische Sprache für ganz und gar traditionelle thermodynamische Systeme. Aber gerade deshalb kann man von einem Erbe sprechen – denn häufig ist die Architektur erst durch Einschränkungen, Zwänge und Defizite bereichert worden und hat so zu einer komplexeren Sprache gefunden.
Was haben die zwölf ausgewählten Arbeiten gemeinsam, worin unterscheiden sie sich?
Wir haben die Projekte in drei Typen eingeteilt: Grotte bzw. Höhle, Patio und Therme. Diese Unterscheidung ist natürlich eine typologische, aber sie beinhaltet ebenso thermodynamische Prinzipien. Die Höhle benutzt das Material der Erde, um die Unterschiede von Tag und Nacht, Sommer und Winter zu absorbieren, obwohl sich der Typus manchmal auch bloß noch als Fi­gur darstellt: Im Inneren des Filmarchivs von Churtichagas + Quadra-Salcedo errichteten die Architekten eine wunderbare Höhle, die komplett aus Gartenschläuchen realisiert wurde.
Unsere Vision ist überhaupt nicht dogmatisch gemeint, manchmal will sie einfach ein Bild hervorrufen. Dann haben wir außerdem die Patios, die durch Konvektion als thermische Senke funktionieren. Die Thermen gehen da schon mehr in Richtung Komplexität, ähnlich den römischen Bädern. Mit ihrer Abfolge von Räumen, jeder mit einer unterschiedlichen Funktion, aber immer mit Bezug auf den gesamten Baukörper und auf die verwendeten Ressourcen Wasser, Sonne und Feuer.
In welche Richtung wird sich die spanische Architektur Ihrer Meinung nach entwickeln?
Wir wollten ein paar Hinweise für die Gestaltung möglicher Zukunftsszenarien geben, auf die „fundamentals“, die beachtet werden müssen, wenn Architekten weiterhin eine ernsthafte Rolle in der Gesellschaft spielen und Einfluss auf die Lebensqualität in den Städten der kommenden Jahrzehnte nehmen wollen. Auch geben wir Hinweise darauf, wie wir beginnen sollten, das Erbe der Moderne aufzunehmen und auf die Zukunft auszurichten.
Wie werden Sie Ihr Konzept in eine Ausstellungsarchitektur für den Pavillon übersetzen?
Wir verwandeln den Pavillon in ein Labyrinth von Räumen. Auf etwa 3 x 7 Meter großen Stoffbahnen werden Fotos der Innenräume gedruckt und anschließend auf Platten aufgezogen. Drei Platten eines Fotos werden zu einem räumlichen Gefüge zusammengestellt; zwei Segmente bilden einen Boden und eine Decke, was den Eindruck der Tiefe verstärkt und ein Gefühl des Hineingezogenwerdens erzeugt. Diese „Trieder“ zerteilen die Fotos, die dadurch nur von einer Stelle aus als Gesamtbild wahrgenommen werden. Ein Phänomen, das Anamorphose heißt.
Aus dem Englischen von Michael Goj
Fakten
Architekten Ábalos, Iñaki, Madrid
aus Bauwelt 21.2014
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