Bauwelt

Festspielhaus Bonn: Von wankelmütigen Sponsoren und anpassungsfähigen Solitären

Erst drohte das Projekt an der Standortfrage zu scheitern, dann an der Finanzierung. Ende November hat der Bonner Stadtrat dem Bau eines neuen Festspielhauses doch zugestimmt. „Jetzt können wir mit großem Elan an die Realisierung gehen!“, freute sich Oberbürgermeister Nimptsch. Fast ließ er vergessen, dass noch 70 Millionen Euro fehlen – und dass auch der neue Standort in der Rheinaue umstritten ist.

Text: Winterhager, Uta, Bonn

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Rendering.: Zaha Hadid Architects

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Festspielhaus Bonn: Von wankelmütigen Sponsoren und anpassungsfähigen Solitären

Erst drohte das Projekt an der Standortfrage zu scheitern, dann an der Finanzierung. Ende November hat der Bonner Stadtrat dem Bau eines neuen Festspielhauses doch zugestimmt. „Jetzt können wir mit großem Elan an die Realisierung gehen!“, freute sich Oberbürgermeister Nimptsch. Fast ließ er vergessen, dass noch 70 Millionen Euro fehlen – und dass auch der neue Standort in der Rheinaue umstritten ist.

Text: Winterhager, Uta, Bonn

Neun Jahre sind noch Zeit bis zum großen Jubiläum: 2020 jährt sich Ludwig van Beethovens Geburtstag zum 250. Mal. Bis dahin soll in seiner Heimatstadt Bonn das Festspielhaus stehen, mit dem sie sich international als „Beethovenstadt“ etablieren möchte. Seit dem Sommer 2009, nach Abschluss eines internationalen Wettbewerbs, hat die Stadt zwei Konzerthaus-Entwürfe in der Schublade: den „Diamanten“ von Zaha Hadid und „Die Wellen“ des Luxemburger Büros Hermann & Valentiny (Bauwelt 7.09). Doch im April 2010 musste Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch das Projekt „vorerst auf Eis legen“: Der Denk­malschutz hatte einen Abriss der Beethovenhalle zugunsten des Neubaus ausgeschlossen (Bauwelt 11.09), und so war der geplante Standort abhanden gekommen; zudem konnte die Stadt angesichts des Millionenlochs, das das World-Confe­rence-Center in die ohnehin leere Stadtkasse geschlagen hatte (Bauwelt 3.10), den Unterhalt des Festspielhauses nicht garantieren.
Beethoven schafft Arbeitsplätze
Nun hat Nimptsch einen zweiten Anlauf unternommen, allerdings unter gänzlich anderen Voraussetzungen als seine Amtsvorgängerin Bärbel Dieckmann. Sie meinte sich damals nicht nur auf das 75 Millionen Euro-Geschenk verlassen zu können, das die drei Bonner DAX-Konzerne Post, Postbank und Telekom für den Bau des Festspielhauses zugesagt hatten, sondern auch auf deren professionelle Vermarktung. Doch im September 2010 stieg erst die Telekom als Sponsor aus, ein Jahr später die Postbank. Von den 70 bis 100 Millionen Euro, die der Neubau kosten soll, stehen also nur noch die 30 Millionen der Post in Aussicht. Ihre Zusage knüpft sie jedoch an die Bedingung, dass das Festspielhaus Teil eines kulturellen Gesamtkonzepts der Stadt sein müsse. Erst nach der Vorlage eines solchen könne die Post prüfen, ob sie weiterhin als Sponsor zur Verfügung stehe.
Weil die Zeit drängt und weil das Festspielhaus die Stadt kein Geld kosten darf, wirbt Nimptsch nun mit „Beethoven schafft Arbeitsplätze“ – womit er geschickt die leidige Unterhaltsfrage umschifft. Seinen Optimismus, dass die neue Festspielstätte nicht nur die Kultur, sondern auch die Wirtschaft in Bonn stärken werde, teilt auch die IHK Bonn/Rhein-Sieg, die mit einer Initiative zur Co-Finanzierung des Projekts die Bürger und Unternehmer der Region zu großzü­gigen Spenden aufruft. Hoffnungsfrohe Zahlenspiele und Bonner Bürgersinn lassen so die fehlenden 70 Millionen in greifbare Nähe rücken.
Doch zunächst gilt es zu klären, wo das neue Festspielhaus denn stehen soll. Der Abriss der Beethovenhalle ist vom Tisch. Und jene vier Beiträge des Wettbewerbs, die eine Integration der Halle vorgesehen hatten, stellen keine Alternative zu einem Standortwechsel mehr dar: Sie einer vergleichbar aufwendigen Prüfung zu unterziehen wie seinerzeit die beiden Erstplatzierten, wäre zu teuer. Kurzzeitig überlegte man, die Oper abzureißen – doch dann geriet ein stadteigenes Grundstück im Rheinauenpark zu Füßen des Post-Towers wieder ins Blickfeld; vor der Auslobung des Wettbewerbs war es schon in Betracht gezogen worden. Würde hier gebaut, wäre das Festspielhaus zwar nicht fußläufig aus der Innenstadt zu erreichen, es könnte aber die Verkehrsin­frastruktur der Post und der Deutschen Welle nutzen. Geflissentlich übersah man, dass der Münchner Landschaftsarchitekt Gottfried Hansjakob, der den Rheinauenpark in den 70er Jahren geplant hat, noch Urheberrechte geltend machen kann. Er zeigt sich jedoch verhandlungsbereit, möchte aber verhindern, dass der Park zum Vorgarten des Festspielhauses degradiert wird.
Vier Kilometer den Rhein rauf oder runter
Die entspannte Haltung der beiden Preisträger fügt sich da gut in die Situation. François Valentiny steht mit dem Handy am Ohr irgendwo auf einer Kreuzung in São Paulo und amüsiert sich über die neutral formulierte Frage der Autorin, ob „Die Wellen“ so einfach an einem anderen Standort zu bauen seien. Die „Calvinisten der Bauwelt“ verstünden nicht, dass man alles machen könne und alles machen dürfe, entgegnet er. Man solle sich entspannen und nicht länger nach der Wahrheit, sondern nach dem Mach­ba­ren suchen. Der jetzt favorisierte Standort in der Rheinaue sei ihm nicht fremd: Er habe ihn vor gut ei­nem Jahr selbst schon bei Google Earth gefunden. Auch Jens Borstelmann, Projektleiter bei Zaha Hadid, sieht den Ortswechsel gelassen: Der „Diamant“ sei ohnehin als Solitär geplant und könne über die Landschaftsgestaltung auch in den neuen Kontext ein­gebunden werden.
Vier Kilometer den Rhein rauf oder runter kümmern in Luxemburg oder London also niemanden. Es wäre vermutlich auch unklug, jetzt darauf zu beharren, dass der eigene Festspielhausentwurf explizit für den alten Standort entwickelt worden sei – und eine Architekturikone, die eine echte Ikone sein will, reagiert ohnehin nicht auf ihr Umfeld, sie soll ja einen Effekt in umgekehrter Richtung bewirken. Bevor es losgehen kann, muss die Stadt ihre Hausaufgaben machen: Ende Juni 2012 soll die Finanzierung stehen; und wenn der Standort Rheinaue dem Stresstest bis dahin standhält, bliebe zu klären: Soll der „Diamant“ oder sollen „Die Wellen“ neues Wahrzeichen der Beethovenstadt Bonn werden.
Fakten
Architekten Zaha Hadid Architects, London; Hermann & Valentiny, Luxemburg/Wien
aus Bauwelt 48.2011
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