Bauwelt

Plusenergiehaus mit E-Mobilität in Berlin

Ein Schaufenster fürs Ministerium

Text: Meyer, Friederike, Berlin

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1. Preis: Universität Stuttgart, Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren, Werner Sobek

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Plusenergiehaus mit E-Mobilität in Berlin

Ein Schaufenster fürs Ministerium

Text: Meyer, Friederike, Berlin

In einem offenen Wettbewerb hatte das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung Ideen für ein energieeffizientes Wohnhaus mit Elektromobilitätskonzept gesucht. Es soll vor der Behörde in Berlin aufgestellt werden, eine Testfamilie aufnehmen und Messergebnisse liefern. Prämiert hat die Jury eine Art Messepavillon. Worum geht es hier wirklich?
Bei Diskussionen um energieeffizientes Bauen stellt sich früher oder später immer auch die Frage: Wo beginnen? Bei der Siedlungsform, der Grundstückswahl, der Herkunft der Baustoffe oder beim Ener­gieverbrauch? Anders beim Wettbewerb „PlusEnergieHaus mit E-Mobilität“, den das Bundesamt für Bauwe­sen und Raumordnung im August ausgelobt hatte. Hier geht es um konkret Baubares, um ein „4-Personenhaus“ mit etwa 130 m² Wohnfläche sowie Stellplätzen und Ladestationen für Autos. Ob ein frei stehendes Einfamilienhaus unter ökologischen Gesichtspunkten überhaupt zukunftsfähig ist – das ist hier nicht das Thema.
In der Auslobung stehen derart viele Anforderungen, dass man sie glatt als Bauanleitung für die berühmte eierlegende Wollmilchsau halten könnte: ein „real gebautes, attraktives architektonisches Forschungspilotprojekt“ war gesucht, das als Schaufens­ter für die Fachöffentlichkeit und die Bevölkerung dient, zentral gelegen ist, den Stand der Entwicklung in der Vernetzung von Eletro-Mobilität mit energieeffizientem Bauen aufzeigt und nach Ende eines zweijährigen Monitorings vollständig recycelbar ist. Darüber hinaus soll es beweisen, dass es seine vier Bewohner und mehrere Fahrzeuge mit 29.000 km Fahrleistung pro Jahr aus Umweltenergie versorgen kann. Nicht zuletzt will die Bundesregierung hier­­mit die Zusammenarbeit von Architektur, Autoindustrie, Energieversorgung und Gebäudetechnik fördern.
Nur knapp sechs Wochen Bearbeitungszeit hatten die 16 teilnehmenden Hochschulen, die mit Pla­nungsbüros zusammenarbeiten sollten. Bereits im Januar soll das Haus auf der Messe in München vorgestellt werden, im Sommer dann vor dem Bun­desamt in der Fasanenstraße in Berlin-Charlottenburg aufgebaut sein. So klingt die Effizienz des Bun­desmi­nisteriums für Verkehr, Bau und Stadtent­wick­lung: ein bewohnter Infopavillon gleich neben dem Behördensitz.
Folgt es der Empfehlung der Jury (Vorsitz: Thomas Jocher), wird die von der TU Stuttgart vorgeschla­gene Box gebaut. Von der Straße aus sieht sie ein bisschen aus wie ein Autohaus, von hinten, wo die Büros des BBR angrenzen, ist sie vollflächig verglast. Die Jury hinterfragte zwar, ob das den Bewohnern entgegenkommt, mochte aber den „modernen, vielseitig nutz- und brauchbaren Gebäudetyp“ und das modular erweiterbare Prinzip. Obwohl die Version „Berlin“ nur bedingt massenmarktfähig sei, zeigten die dargestellten Varianten gute Potentiale. Überzeu­gend sei auch der Grundriss, obwohl die kompakte Gebäudeform nicht optimal für die Solarenergieaufnahme sei. Die Vorschläge der TU Dresden (2. Preis) und der UdK Berlin (3. Preis) hingegen kommen sehr viel mehr wie ein Haus daher. Die Dresdner gestalten die Fassade mit PV-Modulen, die Berliner mit Holz.
Die Entscheidung der Jury für den Entwurf der Stuttgarter lässt vermuten, dass es hier vor allem um ein Objekt für die Außendarstellung des Ministeriums geht. Das Haus ist als Info-Pavillon gedacht, ähnlich wie das beim Solar Decathlon siegreiche Modellhaus der TU Darmstadt (Bauwelt 46.09), das in den vergangenen Monaten durch Deutschland tourte und die Besucher über ernergiesparende Bauweisen aufklärte, zuvor aber auch eine mehrwöchige Mess- und Testphase vor internationaler Konkurrenz bestanden hatte. Die Frage bleibt, wie das PlusEnergieHaus seine Doppelfunktion als Showcase und Wohnhaus zur Zufriedenheit der noch zu findenden Familie erfüllen soll, wenn es auf einem Grundstück steht, auf dem sie damit rechnen muss, dass hin und wieder der Bundesminister Hallo sagen kommt. Dass es hier nicht nur um ein Experiment der Öffentlichkeitsarbeit geht, sondern um nützliches Monitoring und ernsthafte Forschung an der Bautechnik, wird der Bund im kommenden Jahr beweisen müssen.  
Fakten
Architekten Universität Stuttgart, Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren, Werner Sobek ; TU Dresden, Institut für Energietechnik, Professur für Gebäudeenergietechnik u. Wärmeversorgung, Clemens Felsmann; UdK Berlin, Institut für Architektur u. Städtebau, Fg Konstruk­tives Entwerfen u. Tragwerkslehre, Christoph Gengnagel, Fg Versorgungsplanung und Versorgungstechnik, Christoph Nytsch-Geusen
aus Bauwelt 43.2010
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