Bauwelt

Petra Andrejova-Molnár

Die Künstlerin Katarina Burin erweitert die Architekturgeschichte der klassischen Moderne

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

Eventteaser Image
  • Social Media Items Social Media Items

P.A. im Studio von Bohuslav Fuchs  (um 1928)
© Katarina Burin

  • Social Media Items Social Media Items
P.A. im Studio von Bohuslav Fuchs  (um 1928)

© Katarina Burin


Petra Andrejova-Molnár

Die Künstlerin Katarina Burin erweitert die Architekturgeschichte der klassischen Moderne

Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig

P.A. Die Initialen stehen für die Architektin Petra Andrejova-Molnár (1899–1985). Und man müsste die Geschichte der klassischen Moderne, vor allem den Aspekt weiblicher Autorschaft, vielleicht einer Neubewertung unterziehen, wenn es P.A. denn wirklich gegeben hätte.
Doch sie ist eine Fiktion der Künstlerin Katarina Burin. Burin hat ihre Protagonistin, der sie eine Ausstellung im Kunstverein Langenhagen widmet, allerdings so geschickt in die faktisch belegte Architekturgeschichte eingeflochten, dass Phantasie und Realität kaum zu unterscheiden sind.
Seit gut zwei Jahren arbeitet Katarina Burin, die 1975 in der heutigen Slowakei geboren wurde, in Kanada und den USA aufgewachsen ist, dort Bildende Kunst studierte und mittlerweile in Harvard lehrt, an Biografie und Arbeitsnachlass von Petra Andrejova-Molnár. P.A. kam demnach im mährischen Zlín zur Welt, studierte als eine der ersten Frauen in den frühen 20er Jahren an der Akademie der bildenden Künste in Wien und setzte sich dort mit den Arbeiten ihrer Landsmänner Josef Hoffmann und Adolf Loos auseinander. Eine kurze Ehe verband sie mit dem ungarischen Architekten Farkas Molnár (1897–1945), dem sie ihren Doppelnamen verdankt. Molnár indes hat wirklich gelebt: Er studierte am Bauhaus, war Mitarbeiter bei Walter Gropius und begründetet auf dessen Anregung die ungarische Sektion der CIAM.
Schlagschatten im Nordlicht
Perfekt verkörpert P.A. die ethnisch vielfältige, internationale Orientierung der künstlerischen Avantgarde in den neuen Staaten auf dem Gebiet des untergegangenen Habsburgerreichs. Sie arbeitet von 1927 bis 1929 in Brünn bei Bohuslav Fuchs (1895–1972) an dessen Hotel Avion, im Anschluss beim Prager Ar­chitekten Jaromír Krejcar (1895–1950) an dessen Sanatorium Machnáč in Trenčianske Teplice, Slowakei, 1932 fertiggestellt. Krejcar verfocht einen uni­versalistischen Funktionalismus ähnlich der Bauhaus-Lehre. Er war einige Jahre mit Milena Jesenská, Franz Kafkas legendärer Brieffreundin, verheiratet und Mitglied der Künstlergruppe Devětsil rund um den Theoretiker und Kritiker Karel Teige (1900–1951). Teige propagierte in seinem publizistischen Werk eine spezifisch tschechische Facette europäischer Kultur – mit mystisch surrealistischem Einschlag auf psychoanalytischer Basis.
Das eigenständige Œuvre der Architektin P.A. indes ist nur noch in Zeichnungen sowie einigen Kleinmöbeln und Einrichtungsgegenständen überliefert. Gebaut hat sie nur wenig, sodass die Zerstörung ihres Hauptwerkes, des Hotels Nord-Süd an der südkroatischen Küste (1934), im Zweiten Weltkrieg ihre Marginalisierung plausibel erscheinen lässt. Dieses kleine Hotel umfasste nur 14 kabinenartige Einzelzimmer und zwei Apartments, alle mit Süd-Balkon zum Meer orientiert. Hinzu kamen ein Restaurant mit Bar im ersten und ein Café im zweiten Obergeschoss. Den abgetreppten Baukörper akzentuierte ein vorgestellter Brisesoleil im Erdgeschoss, der sich nach Norden orientierte. Ein Foto dieser Gitterwand zeigt jedoch einen markanten Schattenwurf in den Innenraum, wie er bei Südlage möglich wäre. Zwei Perspektiven der Lobby suggerieren eine Weitläufigkeit, die sich auf dem beengten Grundriss so niemals hätte einstellen können. Es sind diese kleinen Brüche, die zumindest bei genauem Hinsehen die Fiktion des Baus verraten.
Selbstverständlich will Katarina Burin nicht die Architekturgeschichte fälschen. Mit den Mitteln der Künstlerin schiebt sie eine ästhetische Studie als „Neue Seite“ (Nová Strana lautet der Titel der Ausstellung) in die Mentalitätsgeschichte Mitteleuropas der Zwischenkriegsjahre. Indem sie ihre zusätzliche Protagonistin einführt, verdeutlicht sie die kollektive Aufbruchstimmung in der Architektur der klassischen Moderne, die sich nicht auf die einschlägigen Heroen der Geschichtsschreibung reduzieren lässt. Der historischen Wahrheit kommt Burin mit ihrer Fiktion wohl sehr nahe. 
Fakten
Architekten Andrejova-Molnár, Petra (1899–1985)
aus Bauwelt 6.2014
Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x
loading

9.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.