Bauwelt

Endlich zur Sache kommen

„Denkmal Ost-Moderne“ in Weimar

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

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Demontage des nördlichen Wohnturms am Riebeckplatz in Halle
Foto: Thomas Ziegler/Stadt Halle (Saale)

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Demontage des nördlichen Wohnturms am Riebeckplatz in Halle

Foto: Thomas Ziegler/Stadt Halle (Saale)


Endlich zur Sache kommen

„Denkmal Ost-Moderne“ in Weimar

Text: Kil, Wolfgang, Berlin

„Plan um hundert Prozent übererfüllt!“ Wenn das die DDR mal erlebt hätte! Die Veranstalter von der Bauhaus-Universität waren sichtlich überrascht vom ungeheuren Andrang, den das Thema ihnen bescherte.
Aber damit lagen sie im Trend, denn Konferenzen zu Herkunft und Denkmaltauglichkeit der „Ost-Moderne“ nehmen zu, bundesweit und sogar darüber hinaus. Um den harten Kern einiger seit 20 Jahren unermüdlich forschenden Bauhistoriker hat sich eine breite Fangemeinde formiert, und mit dem Auftritt dieses von Vorurteilen unbeschwerten Nachwuchses scheint der Bann des Übergangs gebrochen: Die ideologie­freie Sachdebatte ist eröffnet. 
Nachdem zur Eröffnung Ulrich Hartung die „Ost-Moderne“ als Forschungsfeld abgesteckt, spezielle Instrumente und Standards für ihre Beschreibung und Bewertung vorgeschlagen sowie auf Affinitäten wie Differenzen zur „West-Moderne“ hingewiesen hatte, beleuchtete Tobias Zervosen die inzwischen schon eigene Geschichtlichkeit der Ost-Moderne-Forschung. Die musste den Fokus allein auf Repressions- und Oppositionsthemen genauso überwinden wie die Unterstellung ausnahmslos kollektiver, d.h. anonymer Autorenschaft. Erst wenn hinter den DDR-Bauten konkrete „Gesichter“ auftauchen, lassen sich kulturelle Einbindungen, persönliche Motive und Vorbilder überhaupt untersuchen. Je mehr individuelles Handeln ans Licht kommt, desto bunter wird es im landläufig unterstellten „Einheitsgrau“.
Unlösbare Konflikte
Dann ging es um Erfahrungen der Denkmalpflege. Ins­besondere Sachsen-Anhalt, das schon unter einer Riesenzahl „richtig alter“ Denkmäler stöhnt, meldete Probleme mit den nun nachrückenden Neubeständen an. Ulrike Wendland, die Landeskonservatorin, hat nicht nur mit geringer politischer Wertschätzung historischer Baukultur oder nicht mehr produzierten DDR-Baumaterialien zu kämpfen. Ihre größere Sorge gilt endlos wachsenden Denkmallisten bei gleichzei­tig massivem Rückgang just jener Bevölkerung, die ge­rettete Denkmäler nutzen oder wenigstens besuchen könnte – ein genauso unlösbarer Konflikt wie der Streit um die Hochstraße von Halle, jenem autogerechten Entree zur Bilderbuchmoderne von Halle-Neustadt, das zugleich die Franckeschen Stiftungen derart eng bedrängt, dass es dem empfindlichen Ensemble des 18. Jahrhunderts den Weltkulturerbe-Status vermasselt.
Zur Entlastung für alle Ostdeutschlandforscher hatten Denkmalschützer aus Polen, Ungarn und der Slowakei oft noch wesentlich haarsträubendere Widrigkeiten beim Erhalt ihres realsozialistischen Erbes zu schildern. Das mutet umso grotesker an, als in jenen Ländern im Vergleich zur DDR eine viel attraktivere, oft spektakuläre Architektur entstanden war, deren Reiz jedoch heute vom politischen Verdikt „diktatorischer Herkunft“ völlig überblendet wird. Entweder sind die betreffenden Bauten noch so weit intakt, dass man sie unauffällig weiternutzt, oder ih­nen droht, wie just beim phänomenalen Bahnhof von Katowice (1969–73), gegen alle internationale Bedeutsamkeit der Abbruch. Zum allgemeinen Entsetzen machte Peter Szalay aus Bratislava die hartnäckigsten Gegner der slowakischen Spätmoderne ausgerechnet in den Denkmalämtern der jungen Republik aus.
Das Ende der Moderne-Verachtung
Auch bei den Einzeldarstellungen beeindruckte das hohe Niveau der Forschungen. Ob zur Typologie von Ulrich Müthers Schalenbauten, zu den von Künstlern stets als Unikate entworfenen Kaufhausfassaden, zum Flächenüberschuss, der in Leipzig durch die Verlagerung der Messe entstand und die Abrissentscheidungen für DDR-moderne Messehäuser so eklatant „erleichterte“ – das Wissen über die Ost-Moderne hat inzwischen Beurteilungsstandards erbracht, die sorgsameren Umgang mit deren Bauten eigentlich erzwingen sollten. Wie viel hierbei von einer Mobilisierung der Zivilgesellschaft abhängt, haben Bürger initiativen erlebt, die sich immer erst nach schmerzlichen Verlusten formierten, dann aber manchmal Erfolge feiern durften, wie beim Rundkino in Dresden oder, denkmalpflegerisch zweifelhaft, bei der Strukturfassade des Brühl-Kaufhauses in Leipzig. Zum Erhalt des Dresdner Kulturpalastes ist der Kampf noch in vollem Gange, für die beiden Stahlturmhäuser am Hallenser Riebeckplatz – das nördliche wurde gerade abgerissen – kommt er zu spät. Die junge Ge­neration, so der Konsens in Weimar, will von Moderne-Verachtung nichts wissen. Also ein Wettlauf mit der Zeit?

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