Bauwelt

Antwerpener Akupunktur

Een Nieuw Perspectief

Text: Van de Velde, Valerie, Antwerpen

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Foto: Filip Pittillion

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Abbildung: Studio Associato Bernardo Secchi Paola Viganò

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Antwerpener Akupunktur

Een Nieuw Perspectief

Text: Van de Velde, Valerie, Antwerpen

Antwerpen sieht sich als poröse Stadt, die Lücken und Schwachstellen in der Stadtstruktur klug für einen koordinierten Stadtumbau nutzt. Ob beim Einsetzen guter Architektur an strategischen Punkten, der Verdichtung der traditionell fragmentierten Blockstruktur oder dem Bau neuer Viertel auf größeren Konversionsflächen – wo die öffentliche Hand nicht selbst als Entwickler aktiv ist, schreckt sie nicht davor zurück, private Investoren in die Pflicht zu nehmen
Der strategische Strukturplan von Antwerpen basiert auf dem Prinzip der allmählichen Umgestaltung der Stadt. Das Konzept der „durchlässigen Stadt“ ist eine der Metaphern, die von den Autoren des Planes, Bernardo Secchi und Paola Viganò, als Analyse- und Entwicklungsmodell eingeführt wurden. Paola Viganò erklärte das Prinzip mit sogenannten Mikro-Geschichten, den persönlichen Geschichten der Stadtbewohner, die an der neuen Nutzung der Stadt beteiligt sind. Für die Gestaltung des Strukturplans haben sich die Architekten auf Ergebnisse aus mehreren Fallstudien zu jungen Paaren gestützt, die von den Außenbezirken in den hauptsächlich im 19. Jahrhundert entstandenen Stadtgürtel Antwerpens gezogen waren und dort Gebäude renoviert und ihrem eigenen Lebensstil angepasst hatten (z.B. durch die Neugestaltung der Außenflächen, den Bau von Ateliers oder die Einrichtung kollektiver Gärten). Bernardo Secchi und Paola Viganò vertreten die Auffassung, dass das städtische Gefüge in der Lage sein muss, derlei Umgestaltungen zu absorbieren. Die Stadt sollte sich aktiv engagieren, um, wo erforderlich, diese Durchlässigkeit zu verstärken. In diesem Beitrag werden vier Wohnbauprojekte unterschiedlichen Maßstabs vorgestellt, die alle Merkmale dieser Durchlässigkeit aufweisen.
S | Das Programm der AG VESPA
Das Grundstücks- und Immobilienprogramm der AG VESPA geht das Problem des Gebäudeleerstands auf der Ebene des einzelnen Grundstücks an. Ziel des Programms ist es, baufällige Gebäude und vernachlässigte Grundstücke aus dem Straßenbild zu verbannen, die Qualität des Wohnungsbestandes zu verbessern und den Vierteln neues Leben einzuflößen. Zur Umsetzung dieses Grundstücks- und Immobilienprogramms gründete die Stadt im Jahr 2003 die AG VESPA, „Autonoom Gemeentebedrijf voor Vastgoed en Stadsprojecten voor Antwerpen“ (Autonome städtische Gesellschaft für Immobilien und Stadtprojekte für Antwerpen). In Vierteln und Straßen­-zü­gen, in denen problematische sozialökonomische Verhältnisse herrschen und in denen der Privatsektor deshalb wenig Initiative zeigt, werden von der AG VESPA baufällige Gebäude erworben, saniert oder wieder aufgebaut und als bezahlbare Wohneinheiten erneut auf den Markt gebracht. Das gibt der Stadt ein Instrument für die Bekämpfung von Substanzverfall und Gebäudeleerstand in die Hand, mit dem sie gleichzeitig neuen und qualitativ hochwertigen Wohnraum für Familien schaffen kann.
Die Wohnungen werden zu Marktpreisen verkauft. Der Durchschnittspreis für eine Wohnung beträgt 166.000 Euro oder 1450 Euro pro Quadratmeter, für ein Einfamilienhaus 234.000 Euro oder 1350 Euro (jeweils zuzüglich 21 Prozent Steuer). Um der Grundstücksspekulation vorzubeugen, müssen sich die Käufer verpflichten, die Immobilie mindestens fünf Jahre lang zu bewohnen. Soziales Ziel des Programms ist es, Wohnraum für junge Familien mit Kindern zur Verfügung zu stellen. Ein Drittel der Käufer sind Singles, rund 40 Prozent Paare und gut 20 Prozent Paare mit Kindern. Zwei Drittel sind zwischen 20 und 30 Jahre alt, der Rest ist älter als 40. Die neuen Bewohner sind oft Menschen mit höherem Bildungs­niveau, häufig aus dem kreativen Sektor. Erfahrungsgemäß gründen viele Paare nach dem Einzug eine Familie.
Die Erlöse aus den Verkäufen werden einem Umlauffonds zugeführt, mit dessen Hilfe weitere verwahrloste Gebäude erworben werden. Je nach Projekt beträgt die Differenz zwischen Kosten- und Verkaufspreis 15 bis 25 Prozent. Das hat mit den komplexen Gegebenheiten der Grundstücke zu tun, die oft maßgeschneiderte architektonische Lösungen erfordern. Außerdem werden die Häuser zu einem Preis verkauft, der dem Marktpreis in dem Viertel entspricht. Um die Differenz zwischen Kosten- und Verkaufspreis zu decken, muss die AG VESPA auf überregionale Stadtentwicklungsfonds zurückgreifen. Das System des Umlauffonds garantiert die Wirkungskraft und Kontinuität des Programms.
Im Rahmen des Wohnbauprogramms hat die AG VESPA in den vergangenen zehn Jahren 229 Wohneinheiten in Pro­blemvierteln geschaffen, an weiteren 118 wird derzeit gearbeitet. Die Gesamtzahl der Wohnungen beeindruckt vielleicht nicht, doch ist die Wirkung dieser Baumaßnahmen strategischer Art. Die AG VESPA ist hauptsächlich im Norden des Stadtgürtels tätig, vor allem in Gegenden, die aufgrund der Deindustrialisierung am meisten unter Leerstand und Verwahrlosung leiden. Sowie das Viertel hinreichend stimuliert ist und der private Markt wieder begonnen hat, Initiative zu zeigen, verringert die AG VESPA ihre Aktivitäten in dem Gebiet. Das Programm funktioniert wie eine Art Akupunktur: Die neuen Wohnungen reparieren die Schwachstellen im städtischen Gefüge und schaffen einen Katalysator für neue Initiativen im Viertel.
Für die Umsetzung der Grundstücks- und Immobilien­strategie beauftragt die AG VESPA externe Architekten. Diese werden aus einem Pool von zehn Architekturbüros ausgewählt. Der Pool wird alle vier Jahre nach einem Bewerbungsverfahren erneuert, an dem auch internationale Architekten teilnehmen können. Auf diese Weise möchte die Stadt jungen Architekten die Chance bieten, mit neuen Wohntypologien zu experimentieren. Die AG VESPA stellt den Planern ein Dokument zur Verfügung, in dem einige grundlegende Entwurfs­prinzipien und -richtlinien aufgeführt werden: Ein flexibler Grundriss, ein überdachter Fahrradstellplatz, attraktive Außenflächen und ein visueller Bezug zur Straße gehören zu den baulichen Merkmalen aller Gebäude der AG VESPA. Die Ansprüche, die sie in Bezug auf Architektur, Nachhaltigkeit und soziale Relevanz stellen, zeitigen Projekte, die einen wich­tigen Beitrag zur städtischen Erneuerung Antwerpens leisten.
M | Das Häuserblockprojekt Vinçotte
Das Stadtgefüge von Antwerpen besteht aus zumeist unregelmäßig geformten Häuserblocks, deren unkontrollierte und spontane Ausbreitung, samt der im dichten Baugeflecht enthaltenen Lücken und freien Flächen, die Grenzen dieses städtebaulichen Modells deutlich aufzeigt. Deswegen hat die Stadt eine Politik entwickelt, die diesen mittleren Maßstab in den Blick nimmt. Es geht weniger darum Regularien aufzustellen, als aktive Orientierung anzubieten. Dort, wo es möglich ist, wird eingegriffen und das Stadtgefüge umstrukturiert, um die Wohn- und Lebensqualität zu verbessern – zum Beispiel in­dem man freie Areale und Grünflächen in die dicht bebauten Blocks integriert oder eine soziale und funktionale Mischung stimuliert.
Vor mehr als zehn Jahren wurde in der Stadtverwaltung eine Arbeitsgruppe „Häuserblocks“ gebildet, deren Aufgabe es war, Verdichtungsprojekte in Häuserblocks zu initiieren oder zu überwachen. Die Stadtgestalter der Arbeitsgruppe sollten Möglichkeiten zur Verbesserung der räumlichen Qualität suchen. Lag der Genehmigungsstelle ein Antrag auf Baugenehmigung für eine Maßnahme in einem Häuserblock vor, die Auswirkungen auf den gesamten Block vermuten ließ, lotete das Team aus, inwieweit die Stadt helfen konnte, mit zusätzlichen Akteuren ein ehrgeizigeres Projekt daraus zu entwickeln. Diese Arbeit ist ein fragiler Prozess, dessen Erfolg von externen Faktoren und zeitlichen Veränderungen abhängt (z.B. Veränderungen in den Besitzverhältnissen, Reformen innerhalb der Stadtverwaltung, politische Wechsel). In der Regel sind mehrere Jahre nötig, um ein Häuserblockprojekt umzusetzen.
Anfangs hatte sich die Arbeitsgruppe aus einigen wenigen motivierten Mitarbeitern der Stadtverwaltung gebildet. Später entwickelte sie sich zum städtischen Team „Gestaltungsbasierte Forschung“ (Team Ontwerpend Onderzoek), einer Gruppe von fünf Gestaltern, die räumliche Potenziale in Projekten und Plänen erkunden und Kompromisse zwischen den verschiedenen Beteiligten verhandeln. Der Ansatz der ursprünglichen Arbeitsgruppe Häuserblocks ist inzwischen zum festen Bestandteil der städtischen Entwicklungsplanung geworden.
Das Häuserblockprojekt Vinçotte veranschaulicht, wie die städtische Politik der Durchlässigkeit in dem vom Gebäudebestand aus dem 19. Jahrhundert geprägten Stadtgürtel auf mittlerer Ebene funktioniert. Es zeigt, wie maximale Synergie zwischen den verschiedenen Projekten, Investitionen und Akteuren eine neue Lebensumwelt schaffen kann. Der Block Vinçotte liegt im Herzen von Borgerhout, dem Teil Antwerpens mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Es ist ein für das 19. Jahrhundert typischer Block, dessen Kern von großen industriellen Gebäuden einer ehemaligen Teerbrennerei und einer Kupfergießerei besetzt ist. An seinem Rand befindet sich ein großes leeres Grundstück, das von den Jugendlichen des Viertels als Spielwiese und von den Bewohnern als Hundeauslaufgebiet genutzt wird. Die Rückfronten von Gebäuden, die ehemals als Lagerhäuser genutzt wurden, geben dem Platz ein heruntergekommenes Aussehen. Ein Eckgebäude und das angrenzende brachliegende Grundstück gehören der sozialen Wohnungsbaugesellschaft De Ideale Woning.
Als die neuen Eigentümer der beiden Industriegebäude ihre Umbaupläne ankündigten, ergriff die Stadt die Gelegenheit, die verschiedenen Projekte als Ganzes zu prüfen und einen Plan für den gesamten Häuserblock zu erstellen. Die Grundstücke der Teerbrennerei und der Kupfergießerei bekommen jeweils neue Anbindungen an die Nachbarschaft. Auf der gesamten Länge des Platzes wird die Fassade neu gestaltet, und die Wiese kann für die Nachbarschaft erhalten bleiben. Die Vorteile für alle liegen deutlich auf der Hand: mehr Quadratmeter Baufläche und damit Erweiterungsmöglichkeiten für die Wohnungsbaugesellschaft und eine neue Anbindung der Kupfergießerei und der Teerfabrik. Angesichts des dringenden Bedarfs an Grünflächen im Viertel erwarb die Stadt das Grundstück neben dem Häuserblock, der im Besitz von De Ideale Woning war, um den Platz in einer zweiten Phase zu erweitern. Im Laufe der Zeit sollen die Garagen, die im Block liegen, in Ateliers für Künstler umgewandelt werden.
Die neue Nutzung brachte wichtige Impulse für den Umstrukturierungsplan. Die Gebäude der Kupfergießerei wurden abgerissen. An ihrer Stelle stehen jetzt gestapelte Reihenhäuser. Die ehemalige Teerbrennerei wird zumVeranstaltungsort umgebaut. Hier bekommt auch das Studio der belgischen Rockband dEUS Räume. Der erste Stock des Gebäudes ist für Wohnungen vorgesehen, und Restaurants und andere Gastronomiebetriebe im Erdgeschoss werden zur Belebung des Platzes am Abend beitragen.
Der Bau der gestapelten Reihenhäuser ist mittlerweile abgeschlossen. Inzwischen haben die Umbauarbeiten an dem Gebäude der Teerbrennerei begonnen, und in diesem Jahr wird auch der Platz neu angelegt. Weil die Stadt die Möglichkeit hat, im Häuserblockprojekt neue Entwicklungen zu gestalten und zu steuern, ist die Kontinuität während des langwierigen Prozesses gewährleistet. Der Eingriff in die durchlässige Blockstruktur hat eine neue Mischung von sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Nutzungen zum Ziel, die entscheidend zur Wiederbelebung des Vinçotte-Blocks beitragen werden.
L | ’t Groen Kwartier
Wie die Stadt das Problem ihrer städtischen Leerräume angeht, zeigt die Umwandlung des Geländes des ehemaligen Militärkrankenhauses in ein grünes Wohngebiet. Das frühere Krankenhausareal umfasst beinahe acht Hektar innerhalb von Antwerpens dicht bebautem Stadtgürtel. 1899 begann der Bau auf dem Standort des abgerissenen Fort 4 von Berchem, einem Überbleibsel der früheren Befestigungsanlage. Als das Verteidigungsministerium 1993 die Schließung des Militärkrankenhauses ankündigte, ergriff die Stadt die Initiative, um das Areal zu schützen und eine neue Nutzung dafür zu entwickeln. Sie erwarb das Gelände, um dort in Kooperation mit einem privaten Partner ein großes Wohnbauprojekt zu verwirklichen.
Das Grundstück wurde zum Verkauf an einen privaten Investor ausgeschrieben, der Verkauf war an Auflagen geknüpft. Diese erlaubten es den Stadtplanern, den besten Vorschlag nicht nur hinsichtlich finanzieller Gesichtspunkte, sondern auch in Bezug auf Qualität, Nachhaltigkeit und weitere Kriterien auszuwählen. Die Bewohner des Stadtteils wurden ein erstes Mal am Planungsprozess beteiligt, als es um die Festlegung der Verkaufsbedingungen ging, und ein zweites Mal, als unter drei Angeboten ausgewählt werden konnte. Eine Woche lang hingen die Pläne am Standort öffentlich aus, im Anschluss daran legten die Bürger den Jury-Mitgliedern eine offizielle Empfehlung vor. Den Zuschlag erhielt der Entwurf der Projektentwickler Vanhaerents en Matexi, der in Kooperation mit den Architektenbüros Beel & Achtergael, Collectief Noord und 360 Architects ausgearbeitet wurde. Ausschlaggebend für die Wahl war, dass im Entwurf die historische Bedeutung des Standorts berücksichtigt und den offenen Räumen und Grünflächen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Unter anderem sieht er die Restaurierung der historischen Pavillons vor. Den denkmalgeschützten Gebäuden werden neue bauliche Elemente hinzugefügt, die in Stil und Gestaltung die Architektur des 19. Jahrhunderts subtil neu interpretieren. So wurden die neuen Balkone mit rotgetönten modernen Ziegeln gemauert, deren glatte Oberflächenstruktur mit den historischen Gebäuden harmoniert, während sie sich gleichzeitig deutlich von ihnen abhebt. In Flandern bezeichnen wir diesen neuen Umgang mit denkmalgeschützten Gebäuden mit dem deutschen Wort „weiterbauen“.
Ein zwei Hektar großer Park bringt öffentliches Grün in den Wohnkomplex. Die Lauschigkeit und Stille des Wohngebiets wird erhalten, weil Autos aus dem öffentlichen Raum in vier Tiefgaragen verbannt sind. Der Komplex öffnet sich der Nachbarschaft über verschiedene Durchgänge und Verbindungen für Fußgänger und Radfahrer. Die hohe Mauer, die früher um das Militärkrankenhaus verlief, wurde abgerissen. Die Bewohner der kleinen, an ihrem Rand gelegenen Reihenhäuser konnten hier jetzt private Gärten erwerben.
Auf dem Areal sind mehr als 400 Wohneinheiten verschiedenen Typs entstanden. Ein Viertel wurde von einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft gebaut (davon 55 Prozent soziale Mietwohnungen und 45 Prozent Eigentumswohnungen). Die Stadt legte für 40 Prozent des Wohnungsbestandes einen Höchstpreis fest, um bezahlbares Wohnen zu sichern (2006 wurde der Preis für eine bezahlbare Wohnung auf 1550 Euro pro Quadratmeter festgelegt, mit Indexbindung). Der Rest sind luxuriöse Lofts, die sich hauptsächlich in den historischen Pavillons befinden. Die Wohneinheiten des sozialen Wohnungsbaus sind über das ganze Areal verteilt und von denselben Architekten entworfen worden, die auch die Eigentumswohnungen geplant haben. Die soziale Durchmischung wird durch die Vielfalt der Wohnungstypen gefördert, die sehr unterschiedliche Personengruppen ansprechen (z.B. ältere Menschen, junge Familien, Singles). Der Standort bietet Raum für andere städtische Nutzungen wie Geschäfte, Büros und Ateliers. In die historische Kapelle wird ein preisgekröntes Restaurant einziehen, das ehemalige Heizhaus wird in einen Co-working-Space für junge Künstler und andere kreativ Tätige verwandelt.
Für die Finanzierung der verschiedenen Zugänge zu dem Areal erhielt das Projekt staatliche Gelder aus dem Stadterneuerungsfonds. Dies sind Maßnahmen, die auch der umliegenden Gegend zugute kommen. In der Van Luppenstraat erwarb die AG VESPA das Gebäude einer ehemaligen Uniformschneiderei, das künftig eine Kindertagesstätte beherbergen und gleichzeitig einen öffentlichen Durchgang zum Groen Kwartier ermöglichen soll. Auf der Westseite (Lamorinièrestraat) wird eine Außenstelle des Sozialamts einen halböffentlichen Durchgang für Passanten und Besucher des Viertels zur Verfügung stellen.
Die Entscheidung, den Standort umzuwidmen, hat ihn als städ­tischen Raum wiederbelebt, der der ganzen Umgebung zugute kommt. Die soziale Durchmischung, das Kulturerbe, die Verkehrsberuhigung und die Grünflächen charakterisieren eine neue Form städtischen Lebens im Groen Kwartier. Das öffentliche Grün, das dieses Projekt bietet, steht in starkem Kontrast zum vorstädtischen Wohnen, zu Grünflächen in Privatbesitz und zu anderen innerstädtischen Wohnbauprojekten. So wird das Quartier vom einst weißen Fleck zum strategischen Standort in der komplexen Stadt.
Die Beteiligung der Stadt an diesem im Wesentlichen privaten Erschließungsprojekt wurde von Anfang an eindeutig festgeschrieben. Die Projektleiter der AG Stadsplanning und der AG VESPA treffen sich alle zwei Monate mit Vertretern des Investors, um aktuelle Fragen zu diskutieren und Probleme zu lösen. Diese Besprechungen – die vertraglich festgelegt wurden – haben geholfen, Vorurteile aus dem Weg zu räumen und sich eine gemeinsame Sichtweise zu erarbeiten.
XL | Nieuw Zuid
Die großangelegte Erschließung von Nieuw Zuid zu einem nachhaltigen Viertel kann dem Rand der Innenstadt neues Gleichgewicht verschaffen. Seit die Güter-Transfer-Aktivitäten des Hafens in den sechziger Jahren eingestellt wurden, ist der Betrieb auf dem früheren Rangierbahnhof größtenteils eingestellt. Die ersten Impulse für die Wiederbelebung des Geländes waren im Jahr 2006 die Eröffnung des neuen Justizgebäudes von Richard Rogers und die Renovierung des ehemaligen Güterbahnhofs durch die Bank van Breda. Seit 2010 besitzen die privaten Investoren Triple Living einen großen Teil (etwa 18 Hektar) des Ge­ländes von Nieuw Zuid. Von Anfang an entschlossen sich die Investoren und die Stadt zu einer engen Zusammenarbeit. Der Stadtbaumeister überzeugte die Investoren davon, einen gemeinsamen Entwurfswettbewerb für einen das gesamte Gebiet umfassenden Masterplan auszuschreiben. Dieser Wettbewerb wurde von Secchi und Viganò gewonnen.
Als Scharnier zwischen der Innenstadt, den Vorstädten, der Schelde und mehreren größeren Grünflächen und Verkehrsin­frastrukturen kommt Nieuw Zuid eine wichtige Bedeutung zu. So liegt es nahe, dass die Stadt eine zentrale Rolle beim Schutz der räumlichen Qualität des Projekts übernimmt. Sie hat weitere Wettbewerbe organisiert, die sich dem öffentlichen Raum, dem neuen Wärmekraftwerk und den geplanten Wohntürmen widmeten.
Die Straßen des Viertels verlaufen im rechten Winkel zur Schelde. So haben alle Häuser einen Blick auf die Schelde, die Stadt oder den Park. Dies unterscheidet sich von Projekten, bei denen eine privilegierte Häuserreihe als Goldrand am Wasser errichtet wird. Sozialwohnungen sind als integraler Bestandteil des Projekts über das ganzen Viertel verstreut. Die geplanten Gebäude variieren hinsichtlich Größe, Typ, Budget und Standort, damit ein Wohnviertel für ein möglichst vielfältiges Publikum entsteht. Geschäfte, Büros und öffentliche Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen richten sich nicht ausschließlich an die neuen Bewohner. Sie werden auch Abhilfe für bestehende Engpässe in den umliegenden Gebieten schaffen.
Fußgänger und Radfahrer bekommen mehr Platz im öffentlichen Raum: Für Autos werden zentral unterirdische Parkmöglichkeiten geschaffen, was der Lebensqualität des Viertels insgesamt zugute kommt. Die kompakte Erschließung erlaubt die Anlage eines großen Parks, der von der ganzen Stadt genutzt werden wird. Wasser-, Energie- und Abfallmanagement werden ganz großgeschrieben, ein weiterer Hinweis, dass die Stadt Antwerpen und die privaten Investoren es sich zum Ziel gesetzt haben, hier ein Musterbeispiel für nachhaltige Entwicklung zu erschaffen.
Fakten
Architekten Studio Associato Bernardo Secchi Paola Viganò, Mailand
aus Bauwelt 12.2014
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