Alles, was nicht Leistungsphase 1 bis 9 ist, macht die PR-Abteilung
Die „Public Relations“ – also die Beziehungen zur Öffentlichkeit – wollen gepflegt werden. Doch was bedeutet das genau?
Text: Flagner, Beatrix, Berlin; Kraft, Caroline, Berlin
Alles, was nicht Leistungsphase 1 bis 9 ist, macht die PR-Abteilung
Die „Public Relations“ – also die Beziehungen zur Öffentlichkeit – wollen gepflegt werden. Doch was bedeutet das genau?
Text: Flagner, Beatrix, Berlin; Kraft, Caroline, Berlin
Wer erledigt diese vergleichsweise neue Arbeit in der Baubranche, und unter welchen Konditionen? Nachgefragt im Backstage der Planungsbüros
Wie sind Sie jeweils zur Architekturkommunikation gekommen?
Claudia Tiesler Ich habe Architektur studiert und arbeitete danach in einem Büro. Die frühen 2000er waren eine schwierige Zeit, mein Projekt wurde auf Eis gelegt. Als einmal ein Journalist anrief, hieß es unsere Website sei total ver-altet oder es seien keine Fotos vorhanden. Dem habe ich mich angenommen. Aus einigen Wochen wurden Monate und ich habe gemerkt, dass mir diese Arbeit viel mehr Spaß macht als das lange Planen an einem Projekt. Deshalb habe ich mich dann für das Studium Architektur Media Management (AMM) in Bochum entschieden.
Sebastian Tokarz Auch ich habe das Aufbaustudium AMM in Bochum gemacht. Nach meinem Architekturstudium und den ersten Jahren als Planer habe ich gemerkt: Mich interessiert eigentlich an der Architektur vor allem die Konzeptionsphase. Das zweite Studium war sozusagen der Türöffner für die weitere Laufbahn im Bereich Kommunikation.
Milena Kalojanov Ich bin studierte Landschaftsarchitektin und Bauzeichnerin. Ich fand Planung unkommunikativ und einsam. Dann habe ich ein Praktikum in einer Fashion-PR-Agentur gemacht und kam durch Zufall zu zanderroth und Smart- Homing. Mittlerweile sind bei mir auch Business Development und HR dazugekommen. In einem kleinen Büro bekommt man Einblicke in sehr viele verschiedene Aufgabenbereiche, was wirklich das Plus ist an dieser Arbeit.
Tania Ost Bei mir war das schnell klar: Ich bin Architektin und Kommunikationsdesignerin und habe über Fotografie promoviert. Ich habe auch eine eigene Initiative, who made my space?, die sich für faire Architekturkommunikation einsetzt.
Tania Ost Bei mir war das schnell klar: Ich bin Architektin und Kommunikationsdesignerin und habe über Fotografie promoviert. Ich habe auch eine eigene Initiative, who made my space?, die sich für faire Architekturkommunikation einsetzt.
Josse Freund Das Architekturstudium selbst hat mich nicht so gepackt. Ich wollte nicht als Architekt arbeiten und habe dann erstmal bei einem Architekturfotografen als Assistent gearbeitet, bevor ich in einem kleinen Innenarchitekturbüro Projektassistent wurde. Das Büro ist gewachsen und wir brauchten Kommunikation. Ich habe dann die Website gestaltet, Social Media begonnen, Presseanfragen beantwortet und bin so da reingerutscht.
Ist Architekturkommunikation für Sie eher Marketing, gesellschaftlicher Diskurs oder beides? Und warum?
Milena Kalojanov Die Position Architekturkommunikation ist in den letzten Jahren zu einem Hybrid mutiert. Alles, was nicht Leistungsphase 1 bis 9 ist, macht die „PR-Stelle“. Was nicht unbedingt schlecht sein muss.
Sebastian Tokarz Die Kommunikation in Architekturbüros hat immer auch eine Marketing-Komponente, denn es geht darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen. In Deutschland gibt es rund 33.000 Architekturbüros. Etwa achtzig Prozent davon sind 1- bis 3-Personen-Büros – das sind in der Regel keine Strukturen mit eigener Presse-arbeit. Wenn wir also über Kommunikation sprechen, betrifft das nur etwa zwanzig Prozent der Büros. In diesem Kontext sind Bekanntheit, Reputation und Vertrauen zentrale Begriffe – denn Architektur ist eine Dienstleistung, und Auftrag-geber:innen müssen zunächst Vertrauen in die Kompetenz des Büros entwickeln. In meiner aktuellen Rolle bei der Stadt Frankfurt liegt der Fokus stärker auf politischem und gesellschaftlichem Diskurs – hier fehlt die verkäuferische Komponente.
Claudia Tiesler Marketing ist eher das Kurzfristige: Aufmerksamkeit erzeugen, um eine Dienst-leistung zu verkaufen. Kommunikation ist langfristig. Wir müssen dahin kommen, dass Architekt:in- nen Kommunikation als festen Bestandteil ihrer Arbeit verstehen. Menschen begreifen den Wert von etwas nur, wenn sie es verstehen. Es ist ein bisschen so: Kommunikation ist die langfristige Beziehung, Marketing eher wie ein kurzer Flirt.
Tania Ost Zwischen Marketing und Kommunikation – wenn wir diese beiden Bereiche überhaupt klar trennen wollen – liegt die Präsentation, Marketing ist dann die Schau. Im besten Fall ist Kommunikation Repräsentation. Es geht also nicht nur um den einen Architekten oder die eine Architektin, sondern um das gesamte Team, das gemeinsam ein Projekt umgesetzt hat. Manchmal heißt Kommunikation auch, Prozesse sichtbar zu machen: zu zeigen, wie wir arbeiten. Es muss nicht immer nur um das fertige Gebäude gehen, sondern auch um den Weg dorthin – um die Haltung, die Zusammenarbeit, die Abläufe. Das finde ich einen sehr spannenden Aspekt.
Josse Freund Viele denken, Kommunikation sei etwas, das erst am Ende eines Projekts stattfindet – wenn es um schöne Bilder oder eine Projektdokumentation geht. Aber sie ist der erste Schritt der Akquise. Kommunikation heißt auch, unterschiedliche Zielgruppen mitzudenken und aktiv anzusprechen. Intern bedeutet das zum Beispiel, dem eigenen Team Wertschätzung entgegenzubringen. Dann gibt es potenzielle neue Mitarbeitende, die muss man auf anderen Ebenen überzeugen. Und natürlich sind da die Kund:in-nen – für sie geht es vor allem um Vertrauen. Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Kommunikation auch politisch wird, ist die Schweiz: Bei öffentlichen oder halböffentlichen Bauten wird fast immer abgestimmt, ob ein Projekt umgesetzt wird. Kommunikation ist dort Teil eines politischen und gesellschaftlichen Diskurses. Die Parteien, die ein Bauvorhaben umsetzen wollen, müssen die Öffentlichkeit überzeugen.
Können Sie ein Beispiel nennen, wo PR einen echten Unterschied gemacht hat – für das Büro, für ein Projekt oder einen Diskurs?
Milena Kalojanov Das ist auch im Berufsalltag eine klassische Frage, bei der man Zahlen liefern soll. Ich versuche immer zum Jahresende ein Fazit zu ziehen, aber das ist schwierig.
Claudia Tiesler Ich erinnere mich gerne an den Kulturpalast in Dresden, den ich während meiner Zeit bei gmp betreuen durfte. Dort haben wir sehr früh alle Beteiligten an einen Tisch geholt: Vertreter:innen der Stadt, die offiziellen Kommunikationsstellen, die Intendantin und den Dirigenten. Gemeinsam haben wir überlegt, wie man die Kommunikation sinnvoll und stimmig gestalten kann. Das jahrelange gemeinsame an-einem-Strang-Ziehen war fast wie ein Konzert mit vielen Einzelstimmen. Am Ende hatte man das Gefühl, dass eine runde, stimmige Geschichte erzählt wurde, die auch von außen gut angenommen wurde.
Sebastian Tokarz Ich kann aus meiner Zeit bei KSP Engel berichten: Das Architekturbüro hatte im Jahr 2015 den Wettbewerb für den Siemens Campus in Erlangen gewonnen. Zum Auftakt gab es eine Bürgerinformationsveranstaltung und eine Ausstellung aller Entwürfe. Während des gesamten Planungs- und Realisierungsprozesses wurde ein offener Dialog mit der Öffentlichkeit und den Medien geführt. Da hat die Kommunikation viel geleistet, auch deshalb, weil sie von allen Seiten gut gemacht wurde.
Tania Ost Es hängt von der Typologie ab. Die Kommunikation bei einem Forschungsbau verläuft ganz anders als bei einem Theater – einem kulturellen Raum mit großer Bedeutung für die Menschen in der Umgebung, einem Ort der Begegnung. Entsprechend emotional und nah ist auch die Kommunikation. Wir haben jüngst ein Schulprojekt in Köln umgesetzt, das von einem Investor gebaut und von der Stadt angemietet wurde. Diese besondere Konstellation – eine schnelle Realisierung auf ungewöhnlichem Weg –prägt auch die Kommunikation. Details und Projekttypologie können den kommunikativen Rahmen bestimmen.
Wie ehrlich ist PR?
Tania Ost Kommunikation ist immer ein Ausschnitt. Sei es in der Fotografie oder der Textzeile. Wir können nur auf die positiven Dinge aufmerksam machen. Warum auch nicht? Verschleiern wir damit bewusst Fehler? Das ist eine ethische Frage. Fair wäre, alles offenzulegen, viele Stimmen zuzulassen. Vor allen Dingen, allen Projektbeteiligten eine Stimme zu geben, nicht nur dem Architekten – und ich gendere an die-ser Stelle bewusst nicht.
Claudia Tiesler Ich betrachte jedes Projekt erstmal kritisch. Man muss ehrlich bleiben und das ist für mich auch der Unterschied zwischen Kommunikation und Marketing. Natürlich will man ein Projekt nicht schlechtmachen, aber man sollte schon fragen: Ist das wirklich etwas, das an die Medien gehen sollte? Und ist das nicht auch etwas, das man intern im Büro offen diskutieren muss? Man gerät manchmal in eine gewisse Verlegenheit – sei es in Bezug auf die jeweilige Bauaufgabe, die Bauherrschaft oder die Architek-tur selbst.
Milena Kalojanov In einer PR-Position gehört man meistens nicht zum Planungsteam. Das verändert natürlich den Blick auf ein Projekt. Das führt manchmal zu Reibung oder Diskurs im Büro. Gleichzeitig bauen Architekt:innen und verändern etwas, damit reagiert natürlich die unmittelbare Nachbarschaft. Auch das ist eine Form von Kommunikation, mit der man umgehen muss.
Wie läuft das Zusammenspiel zwischen der Kommunikationsabteilung und den Teams aus Entwurf, Planung oder Bauleitung? Kommt es da gelegentlich zu Spannungen oder Missverständnissen, gar Augenrollen, oder erleben Sie die Zusammenarbeit eher als konstruktiv und auf Augenhöhe?
Claudia Tiesler Die Spannbreite reicht von hoher Wertschätzung und Vertrauen bis hin zur Wahrnehmung als reine Serviceabteilung. Es sagten schon Architekt:innen zu mir: „Wie, du hast auch Architektur studiert? Warum sitzt du dann in der PR?“ Oder sie sind der Meinung, sie könnten Texte ohnehin besser formulieren und das solle einfach so übernommen und gedruckt werden – aber das ist unser Part. Ich mische mich ja auch nicht in die Fassadengestaltung ein. Bei mir hat sich die Wertschätzung geändert, als ich mich selbstständig gemacht habe. Auf einmal kommen Leute zu mir, weil sie die Expertise von studio quiet loud schätzen.
Josse Freund Unsere Arbeit ist für viele schwer messbar. Bei Architekt:innen ist klar: Sie haben eine gewisse Abgabeleistung und es gibt eine grobe Vorstellung davon, wie lange so etwas dauert. In der Kommunikation ist das anders. Ein Instagram-Post hat viele oder wenige Likes – das hängt aber davon ab, an welchem Tag und zu welcher Uhrzeit man postet oder ob dir der Algorithmus eine Chance gibt. Insgesamt steigt die Wertschätzung jedoch immer mehr. Es ist leider so, dass es ein gewisses Maß an Komplexität braucht, damit echte Wertschätzung entsteht. IT-Fachkräfte wirken oft wie Zauberer, dabei sind es häufig ganz bodenständige Aufgaben wie: ‚Probieren Sie mal, den Laptop neu zu starten.‘ Kommunikation wirkt nach außen oft simpel – ein Text, ein Bild.
Tania Ost Wenn viele Kolleg:innen nicht ganz einordnen können, was die Architekturkommuni-kation macht, ist es wichtig, selbst intern durch Kommunikation für Aufklärung zu sorgen. Die-ser proaktive Schritt ist nicht zu unterschätzen, wenn es um die Frage nach Wertschätzung geht. Ein zentraler Aspekt dabei ist, sich selbst ernst zu nehmen. Das bedeutet, nicht nur An-fragen umzusetzen, sondern auch eine eigene Haltung zu entwickeln – und diese sichtbar zu vertreten. Dazu gehört, in den Dialog zu gehen, Position zu beziehen und sich auch inhaltlich einzubringen.
Sebastian Tokarz Der Aufgabenbereich vieler PR-Teams ist extrem groß – vom Klingelschild bis zur Weihnachtsfeier. Wir sind oft das Mädchen für alles. Und genau das unterscheidet uns vom ITler: Die haben besondere Fachkenntnisse und ein klares Aufgabenprofil. Das verschafft ihnen ein gewisses Standing. Eigentlich müsste es genau andersherum sein: Jemand der so ein gro-ßes Spektrum an Aufgaben betreut wie wir, müsste doch eigentlich besonders wertgeschätzt werden. Ich habe im Vorfeld unseres Gesprächs recherchiert. Es gibt auch Pressesprecher:in-nen oder Kommunikator:innen, z.B. bei HPP oder bei Sauerbruch Hutton, die als Head of Commu-nications gleichzeitig Associated Partner sind. Das signalisiert nach innen wie nach außen: Für uns hat die Kommunikation einen echten Stellenwert.
Milena Kalojanov Bereits im Architekturstudium entwickeln manche Personen einen starken Charakter. Diese Dominanz prägt oft die spätere Berufskultur. Ich frage mich manchmal generell in der Branche: Gibt es eine Kommunikationsabteilung, weil man erkannt hat, wie wertvoll sie ist? Oder nur, weil es gerade en vogue ist, eine zu haben? Und was traut man ihr wirklich zu? Gilt sie als strategischer Bestandteil? Kommuni-kator:innen im Architekturbüro sind Allrounder: Sie machen Fotos, betreuen Social Media, kuratieren Ausstellungen, schreiben Pressetexte – und springen da ein, wo andere keine Zeit (oder Lust) haben. Man ist der Dreh- und Angelpunkt – und gleichzeitig das Mädchen oder der Junge für alles.
In Architekturbüros werden vielleicht eher andere Personen befördert oder andere Berei-che personell aufgestockt. Sind für Ihre Arbeit ausreichend Ressourcen vorhanden? Sei es in Bezug auf Zeit, Personal oder finan-zielle Mittel?
Sebastian Tokarz Die Mitarbeiterzahl hat mit dem Aufgabenzuwachs nicht Schritt gehal-ten. Im Architekturbüro gelten wir oft als ‚Overhead‘ – wir sind diejenigen, die keine Rechnungen stellen, sondern das Geld ausgeben. Gerade in schwierigen Zeiten spielt das Thema Akquise eine große Rolle. Ich denke, hier könnten wir als Kommunikatoren noch mehr tun, um unseren Stellenwert deutlicher hervorzuheben: Ein Wettbewerbserfolg führt in der Regel zu einem Auftrag, was den Erfolg unmittelbar messbar macht. Eine erfolgreiche Ausstellung lässt sich dagegen schwerer in Zahlen messen. Aber dennoch ist der Wert dieser Erfolge für das Büro, gerade für die Wahrnehmung und Akquise, nicht zu unterschätzen.
Claudia Tiesler In der Architektur gibt es einen Gender Pay Gap – das betrifft nicht nur klassische Planungsaufgaben, sondern vermutlich auch die Kommunikation. Zum Thema Zeit: In meinen fast 12 Jahren bei gmp gab es immer viel Arbeit. Jeden Tag stellte sich die Frage, was Priorität hat. Die Agenda änderte sich oft stündlich, es galt, stets flexibel zu reagieren. Das hatte auch damit zu tun, dass gmp viele Standorte hat und die Medienanfragen konstant und aus allen Ecken der Welt kamen.
Josse Freund Man kann allein ein Büro mit 150 Mitarbeitenden betreuen – aber dann reagiert man nur noch auf Anfragen. Genauso kann ein Büro mit nur fünfzig Leuten vier Personen in der Kommunikation beschäftigen – und plötzlich ist es möglich, parallel ein Buch, eine Ausstellung und sämtliche Social-Media-Kanäle auf hohem Niveau zu bespielen. Für mich zeigt das: Es gibt nicht den einen richtigen Schlüssel.
Was ist die Kernaufgabe der Kommunikation?
Sebastian Tokarz Das Aufgabenspektrum ist über die Jahre immer größer geworden. 2007 wurde das erste iPhone vorgestellt – die sozialen Medien gab es damals noch kaum. Als ich im Jahr 2009 bei KSP Engel anfing, machten wir klassische Pressearbeit: Pressemitteilungen, Broschüren, Publikationen und hin und wieder mal eine Ausstellung. Im Laufe der Jahre kam dann immer mehr dazu: Mitarbeiterbindung und interne Kommunikation, Mitarbeitergewinnung, später auch Business Development. Schließlich folgten noch der ein oder andere Relaunch – und natürlich die sozialen Medien. Und da rede ich ja nicht nur von einem Kanal, sondern von vielen verschiedenen Plattformen.
Claudia Tiesler Es geht darum, die Essenz aus dem Büro, mit den Ressourcen, die man hat, bestmöglich zu kommunizieren.
Tania Ost Priorisieren – das heißt immer auch: sich für etwas entscheiden, und damit vorübergehend gegen etwas anderes. Wir können Dinge später wieder aufgreifen, aber manchmal müssen sie zwischengeparkt werden. Das gehört zur Realität. Unser Team ist tatsächlich gewachsen mit der Zunahme an Aufgaben. Wir sind aktuell zu siebt für 300 Mitarbeiter:innen an fünf Standorten.
Milena Kalojanov Ich bin ganz froh, dass ich nicht so eine Kernaufgabe habe, das ist auch der Grund, warum ich jetzt schon neun Jahre bei zanderroth bin. Aber ja, mit der Zeit muss man Entscheidungen treffen und zum Beispiel dieses oder jenes Medium killen. Viele Büros machen alles, aber eben nur so halb. Dann lieber nur drei Kanäle machen, dafür aber gut. Ich glaube wirklich, das hängt stark von der Größe des Büros ab – und von dem Budget, das so ein Büro einfach ‚übrig hat‘.
Sebastian Tokarz Es kann durchaus ein Vorteil sein, sich wieder stärker auf eine Kernaufgabe zu fokussieren – und damit meine ich nicht, dass man nur eine Aufgabe hat, sondern ein klar de-finiertes Kernaufgabengebiet mit klar umrissenen Zuständigkeiten. Denn genau das, muss ich sagen, geht in Architekturbüros oft ein wenig verloren.
Sprechen wir über Rollenbilder. In der Kommunikation sind Männer deutlich in der Minderheit. Für dieses Gespräch war es leichter, Frauen zu finden. Woran liegt das?
Tania Ost Wenn wir die Architekturkommunikation ein bisschen weiterdenken, dann sind zum Beispiel bei den Fotograf:innen Frauen eher unterrepräsentiert. In der Kommunikation für Architekturbüros würde ich auch ein Verhältnis von fünf zu 95 Prozent Frauen schätzen.
Josse Freund Meiner Erfahrung nach stellen viele Büroleiter:innen oder Personaler:innen mit der Vorstellung ein, Frauen seien gut vermittelnd, deeskalierend, kommunikativ stärker. Die Architektur ist noch sehr konservativ.
Milena Kalojanov Das habe ich auch schon beobachtet. Die Kommunikativen sind meistens Frauen. Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um Stellen handelt, die ursprünglich häufig von Frauen übernommen wurden, die neben der Care-Arbeit oder Kinderbetreuung in Teilzeit – etwa 20, 25 oder 30 Stunden – gearbeitet haben. Ich sagte ja schon: Das Budget, das übrigbleibt, ist für die Kommunikation. Das ist eben oft nur eine halbe Stelle.
Sebastian Tokarz In meinem AMM-Jahrgang in Bochum war es so, dass die Anzahl von Männern und Frauen relativ ausgewogen war. Warum dann weniger Männer in der Architekturkommunikation gelandet sind, kann ich nicht beantworten. Ob die dann eher zu großen Firmen gehen und Produktmarketing machen?
Claudia Tiesler In meinem Jahrgang ist nur ein Mann in die Unternehmenskommunikation gegangen.
Inwiefern verändert sich die Wahrnehmung von Kommunikation, wenn sie von Männern gemacht wird?
Josse Freund Ich glaube, das ist nicht so, sondern sehr sachlich: Wenn es um das Thema Social Media geht, wird vielleicht eher auf mich gehört. Geht es um eine Buchpublikation, hört man eher auf die Kollegin, die darin seit zwanzig Jahren Erfahrung hat.
Milena Kalojanov Es gibt auf jeden Fall eine Diskrepanz: Jüngere Frauen, die in der Pressearbeit tätig sind, werden nicht immer mit der gleichen Ernsthaftigkeit wahrgenommen – ihre Professionalität wird schneller infrage gestellt.
Claudia Tiesler Ich habe mit vielen älteren Architekturkritikern zusammengearbeitet – das war immer sehr wertschätzend und bereichernd. Schwieriger finde ich eher die generelle Wahr-nehmung der Kommunikationsabteilung: Sie soll im Hintergrund bleiben und wird nach außen kaum wahrgenommen, weil Pressevertreter:in-nen meist direkt mit dem Architekten oder der Architektin sprechen wollen. Das ist in großen, international tätigen Büros nicht immer realistisch, insbesondere bei kurzfristigen Anfragen. Kommunikation bedeutet, alles im Hintergrund zu managen.
Sebastian Tokarz …damit das Gebäude, die Ver-fasser:innen oder Büroinhaber:innen glänzen können. Und genau darin sehe ich auch meine Aufgabe. Die Medien wollen meist ein konkre-tes Gesicht – den bekannten Architekten vor der Kamera oder am Mikrofon.
Claudia Tiesler Deswegen finde ich den Titel des Hefts auch so treffend! Es geht wirklich um die Care-Arbeit: dafür zu sorgen, dass andere im Vordergrund gut dastehen – während man selbst im Backstage bleibt.
Milena Kalojanov Dem muss ich widersprechen, denn gerade in der Architektur ist es selten eine einzelne Person, die entwirft – schon gar nicht nur der Geschäftsführer. In Büros ab etwa zehn Personen entsteht der Entwurf mit ihm, aber den Großteil der Arbeit macht das Team.
Ihre Pressetexte gehen auch an die (Fach-)Medien. Manche übernehmen Pressemitteilungen so gut wie unverändert, manche nicht. Wie ordnen Sie es ein, wenn die eigene Arbeit oder die gewählte Ausdrucksweise kritisch hinterfragt wird?
Tania Ost Oft ist es wie eine Blackbox – wir versenden etwas und wissen nicht, wer sich wirklich damit auseinandersetzt. Deshalb empfinde ich Kritik oder Rückmeldung grundsätzlich als etwas Positives. Natürlich ist es nicht angenehm, wenn etwas missverstanden wird und man kei-ne Möglichkeit hat, es richtigzustellen.
Claudia Tiesler Jetzt, wo alle ihre Social-Media-Kanäle selbst bespielen können, sind die Auseinandersetzung mit einem Projekt und die kritische Beschäftigung damit umso wertvoller. Ich musste mich schon bei negativer Berichterstattung rechtfertigen: „Warum steht das da so? Wir haben doch so lange an der Pressemitteilung gearbeitet.“ Aber letztlich ist es eine Information, die wir aussenden – und Journalist:innen oder Redakteur:innen entscheiden, was daraus wird.
Josse Freund Ich weiß nicht genau, bis wann das Werbeverbot für Architekt:innen offiziell galt, aber bei manchen älteren Chefs hat man noch heute das Gefühl, dass selbst eine Web-site wie ein Regelverstoß wirkt – von Social Media ganz zu schweigen. Mediale Berichterstattung sehe ich eher als Form der Anerkennung: Jemand fährt hin, spricht mit Beteiligten, übernachtet, recherchiert und schreibt einen Artikel. Wenn dabei auch kritische Aspekte benannt werden, ist das Pressefreiheit. Allerdings würde ich viele Formate heute gar nicht mehr als klassische Presse bezeichnen. Sie sind eher eine zusätzliche Plattform, vergleichbar mit Insta-gram oder LinkedIn, auf der Inhalte veröffentlicht werden.
Sebastian Tokarz In der Stadtkommunikation eröffnen soziale Medien eine Form von öffentlicher Debatte: Architektur stößt dort auf Zustimmung, Desinteresse – oder auch Ablehnung. Anders als in der Fachpresse, wo meist Positivbeispiele ausgewählt und schlechte Beispiele ignoriert werden, muss man hier auch Kontroversen aushalten. Öffentlichkeitsarbeit für die Stadt bedeutet eben auch, dass politische Gegenspieler mit ganz anderen Vorstellungen öffentlich widersprechen – zum Beispiel, wenn es um die Entwicklung einer Stadt wie Frankfurt geht. Da prallen unterschiedliche Haltungen aufeinander.
Milena Kalojanov In bestimmten Medien sind ja die Kommentare das Spannende.
Sind Fachmedien also zu unkritisch?
Sebastian Tokarz Ich finde, die Fachpresse hat tatsächlich die Pflicht, genauer hinzuschauen, wenn zum Beispiel irgendwo behauptet wird, Architektur sei grün und nachhaltig.
Josse Freund Man muss Kritik ja auch nicht direkt äußern – manchmal reicht es, gezielt Fragen in den Raum zu stellen und damit eine Diskussion anzustoßen. So gibt man auch den Akteuren die Chance, selbst Stellung zu beziehen. Was ich mir wünsche, ist ein kontinuierlicher Austausch. Dass man Themen aufnimmt, wenn sie gerade relevant sind, schnell reagiert, die Debatte führt und auch zu einem späteren Zeitpunkt erneut aufgreift, wenn sie sich zwischendurch beruhigt hat. Und nicht nach dem Motto: „Das Thema hatten wir erst – laut Redaktionsplan kommt das frühestens in einem Jahr wieder.“
Tania Ost Ich wünsche mir, dass der Diskurs insgesamt stärker geführt wird – und zwar nicht nur innerhalb der Baubranche, sondern auch darüber hinaus. Schließlich sind wir alle ständig von Architektur umgeben, und dafür sprechen wir erstaunlich wenig darüber.
Claudia Tiesler Das Bewusstsein dafür, was Architektur für die Gesellschaft und den öffentlichen Raum leistet, muss viel stärker in die Öffentlichkeit getragen werden – auch an die nächste Generation. Wir müssen aus unserer Bubble herauskommen.
Zum Abschluss: Kann Architektur heute noch ohne Kommunikation bestehen?
Milena Kalojanov Nein.
Josse Freund Ja! In Deutschland gibt es nach wie vor das klassische Wettbewerbssystem. Selbst wenn ein Büro keine Website und keine Social-Media-Präsenz hat, kann es Wettbewerbe machen, gewinnen und Projekte realisieren – immer wieder. Man kann diesen Job also auch ohne Kommunikation machen.
Claudia Tiesler Architektur ist etwas Dauerhaftes – sie bleibt bestehen. Aber sie braucht in einer immer komplexer werdenden Welt Kommunikation, um verstanden zu werden. Wer nicht kommuniziert, überlässt die Deutung anderen – und vergibt die Chance, Wirkung bewusst zu gestalten.
Tania Ost Sprache prägt Raum. Denn wie wir über Architektur sprechen – auch im Alltag und außerhalb der Baubranche – beeinflusst, wie wir Räume wahrnehmen und wie sehr wir sie wertschätzen.
Sebastian Tokarz Architektur ist komplex und deshalb erklärungsbedürftig. Gute Kommuni-kation schafft Akzeptanz und Vertrauen.
Josse Freund ist im Bereich Kommunikation bei Penzel Valier in Zürich tätig. Nach dem Architekturstudium in Stuttgart arbeitete er zunächst als Assistent in der Architekturfotografie, anschließend in der Kommunikation für Studio Alexander Fehre, Kinzo und allmannwappner.
Milena Kalojanov verantwortet bei zanderroth und SmartHoming in Berlin die Bereiche Kommunikation und Business Development. Sie ist Landschaftsarchitektin und ausgebildete Bauzeichnerin und war zuvor in der Planung tätig, unter anderem bei Stefan Bernard Landschaftsarchitekten und ST raum a.
Tania Ost ist Teil des Kommunikationsteams von heinlewischer in Berlin. Nach ihrer Tätigkeit in der Planung, unter anderem bei Lederer Ragnarsdóttir Oei, war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HfG Offenbach, wo sie auch promovierte. Seitdem arbeitet sie überwiegend im Bereich der Architekturkommunikation. Sie studierte Architektur und Kommunikationsdesign.
Claudia Tiesler unterstützt mit ihrer Hamburger Agentur sqloud Architekturbüros in strategischer Kommunikation. Mit archibird.de überträgt sie klassische Pressearbeit ins Digitale. Von 2013 bis 2022 leitete sie den Bereich Presse bei gmp von Gerkan, Marg und Partner. Sie studierte Architektur und Architecture Media Management.
Sebastian Tokarz studierte Architektur und Architecture Media Management. Von 2009 bis 2025 leitete er die Öffentlichkeitsarbeit des Architekturbüros KSP Engel. Heute ist er als Pressesprecher für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Dezernats Planen und Wohnen der Stadt Frankfurt am Main verantwortlich.
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