Bauwelt

British Film Institute in London


Carmody Groarke Architects verliehen dem British Film Institute an der Londoner Southbank Strahlkraft. Zur Themse präsentiert sich das in einem Brückenkopf verstaute Kino nun mit einer hell erleuchteten Front. Ein Foyer-Umbau, der aus dem Straßenbau bekannten Materialien Gemütlichkeit entlockt.


Text: Astbury, Jon, London


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    Die illuminierten Panels des umgebauten Kinos machen den Raum unter der Waterloo Bridge einladender als „unter der Brücke“ üblich.
    Foto: Luke Hayes

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    Die illuminierten Panels des umgebauten Kinos machen den Raum unter der Waterloo Bridge einladender als „unter der Brücke“ üblich.

    Foto: Luke Hayes

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    Das Kino ist Teil einer Kultur-Meile, nebenan befindet sich das National Theatre. Carmody Groarke ziehen eine Zwischenebene ein: Im Café werden die Stahl­betonrippen fast greifbar.
    Foto: Luke Hayes

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    Das Kino ist Teil einer Kultur-Meile, nebenan befindet sich das National Theatre. Carmody Groarke ziehen eine Zwischenebene ein: Im Café werden die Stahl­betonrippen fast greifbar.

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    Die Umbaumaßnahme fokussierte den Empfangs­bereich des British Film Institute, der Saal blieb unangetastet.
    Foto: Luke Hayes

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    Die Umbaumaßnahme fokussierte den Empfangs­bereich des British Film Institute, der Saal blieb unangetastet.

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    Die Einsichtigkeit des öffentlichen Gebäudeabschnitts macht auch das vorgelagerte Kai attrak­tiv zum Flanieren.
    Foto: Luke Hayes

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    Die Einsichtigkeit des öffentlichen Gebäudeabschnitts macht auch das vorgelagerte Kai attrak­tiv zum Flanieren.

    Foto: Luke Hayes

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    Das Polycarbonat-Dach steht unter der Brücke hervor, wodurch die Signalwirkung zum Fluss verstärkt wird.
    Foto: Luke Hayes

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    Das Polycarbonat-Dach steht unter der Brücke hervor, wodurch die Signalwirkung zum Fluss verstärkt wird.

    Foto: Luke Hayes

Das Southbank Centre und das benachbarte National Theatre gehören zu Londons bekanntesten und umstrittensten Bauwerken von Moderne und Brutalismus. Anstoß für die umfassende kulturelle Neugestaltung dieses einstigen Industriegeländes in der Mitte von London war 1951 das Festival of Britain, bei dem das Beste gefeiert werden sollte, was das Land nach dem Zweiten Weltkrieg in Kunst, Technik und Architektur zu bieten hatte. Dauerhafte Gebäude wie die Royal Festival Hall, aber auch temporäre Skulpturen, Pavillons und Freizeitparks leiteten eine gut drei Jahrzehnte dauernde intensive Entwicklung ein, die sich bis heute fortsetzt.
Das Kino war ein zentraler Bestandteil des Festivals und spielt an dieser Stelle von jeher eine wichtige Rolle. Die Bebauungsabfolge erzählt hier eine ziemlich einzigartige Geschichte der Beziehung zwischen Architektur und Kinoerlebnis: Den Anfang machte 1951 das Telekinema – ein grauer Stahlbau neben den Bögen der Waterloo Station, in dem während des Festivals sowohl Fernsehsendungen als auch speziell für das Festival produzierte Filme gezeigt wurden. 1957 zog das British Film Institute (BFI), das für die Programmgestaltung des Telekinema zuständig gewesen war, in seinen jetzigen Standort unter der von Sir Giles Gilbert Scott entwor­fenen Waterloo Bridge um, deren wuchtige Form aus Beton 1942 die Ästhetik des Brutalismus der Southbank gewissermaßen vorwegnahm. Diese Brücke führt quer durch das Areal und trennt das Southbank Centre einschließlich der 1968 erbauten Hayward Gallery im Westen vom 1976 von Denys Lasdun errichteten National Theatre im Osten. Die vier Leinwände des Kinos befinden sich unter den Bögen der Brücke,
was im Inneren nicht allzu offensichtlich wird.
Das National Film Theatre, wie das Kino anfangs hieß, wurde 2007 in BFI Southbank umbenannt. Das Gebäude nahm das einstige Museum of the Moving Image (1999–2002) auf und wuchs wei­-ter unter die Waterloo Bridge: Eine große Mediathek des BFI – entworfen von Adjaye Associates – sowie ein Laden, Studios, ein Café und ein Restaurant entstanden. 1999 (ein gutes „Kinojahr“) öffnete das BFI Imax nördlich der Waterloo Bridge mit der größten Kinoleinwand Großbritanniens in einer zylindrischen Glasstruktur, entworfen von Avery Associates.
Obwohl die Covid-19-Pandemie Ängste bezüglich der Zukunft des Kinos wegen des Erfolgs der Streaming-Dienste befeuert hat, scheint diese Londoner Gegend alles zu bieten, was zufälli­-ge Besucher wie auch Cineasten sich wünschen, von Blockbustern auf der Großleinwand bis hin zu Archivsammlungen und kuratierten Programmen. Allerdings erweisen sich die im letzten Jahrzehnt aufgekommenen Boutique-Kinos als Konkurrenz, denn nun erwarten Besucher die Bereitstellung von Angeboten, die dem eigentlichen Kinobetrieb oft nachgeordnet sind – Lounges, Bars, Räume für private Veranstaltungen und Bonusprogramme.
Das BFI Southbank befindet sich als Teil einer staatlich geförderten Organisation in einer guten Ausgangslage, um diese diversen Stürme zu überstehen. So gab es im letzten Jahrzehnt verschiedene erfolgreiche, aber auch verworfene Vorschläge für Umbaumaßnahmen. Am dramatischsten war die Ablehnung des 2018 von Ole Scheeren vorgelegten Entwurfs für einen neuen, 180 Millionen Pfund teuren Hauptsitz des BFI. Seitdem gab man sich mit einigen bescheideneren Änderungen zufrieden: unter anderem 2012 eine neue Bibliothek, 2017 die Modernisierung der Mediathek und im Juni 2021 die Ausschreibung über 1 Million Pfund zur Modernisierung des Laden-, Kassen- und Personalbereichs.

Queen’s Walk entlang der Themse

Doch hier betrachten wir eine andere Renovierung – das Ergebnis eines Wettbewerbs des Ro­yal Institute of British Architects (RIBA), bei dem fünf Architekturbüros eingeladen waren, die Gastronomiebereiche und die Interaktion des Kinos mit der Hauptpromenade der Southbank, dem Queen’s Walk, neu zu gestalten. Bis dahin öffne­te es sich mit einer verglasten Front und einem vom Zeitgeist überholten Café zu dieser Straße, die unter der Waterloo Bridge hindurchführt. Das Londoner Büro Carmody Groarke bekam den Zuschlag für das Projekt, das 2018 fertiggestellt wurde.
Die größte Herausforderung bestand in der Sichtbarkeit. Obwohl schon so lange vor Ort, spielte das Kino im Quartier keine besondere Rolle, was bei einem Gebäude unter einer Brücke nicht verwundert. Damit steht das BFI an der Southbank allerdings nicht allein da: Wie kann man sowohl das gegenüberliegende Ufer ansprechen (dem alle Gebäude in dieser Gegend Vorrang einräumen) als auch die Belvedere Road und den Upper Ground im Süden? Jeder Versuch, einen Eingang an der Vorder- oder der Rückseite des BFI zu gestalten, wird von der Waterloo Brid-ge überschattet. Deshalb befand sich die Hauptfassade seit 2007, großflächig verglast, an der Theatre Avenue gegenüber dem National Theatre. In einer Zeit, in der das Kino für die Besucher persönlicher und intimer werden muss, bewirkten dieser das Lebensgefühl der Neunzigerjahre vermittelnde Glaskasten und das anschließende große Foyer das genaue Gegenteil.
Die Renovierung hatte also zwei Ziele: Es war nötig, den Eingang am Ufer prominent zu platzieren, damit sich das Kino in der betriebsamen Kulisse der Southbank behaupten könnte. Außerdem sollten die Räume den Charme der Bouti­que-Kinos bekommen – ein Lokal und Event­bereiche –, um ein Publikum über die ausgesprochenen Kinogänger hinaus anzusprechen.
Carmody Groarkes Ansatz war deshalb so erfolgreich, weil sie nicht versuchen, die Brücke in den Hintergrund zu drängen oder zu ignorieren. Vielmehr wird ihre Form gefeiert, und sie dient als Kontrapunkt zu dem neuen, eleganten Ausdruck. In einer verhaltenen Art-Deco-Referenz an die Kinos des „Goldenen Zeitalters“ präsentiert sich der neue Eingang durch ein, wie es die Architekten formulierten‚ „absichtlich low-tech“ gehaltenes Vordach mit einer Brüstungsverkleidung aus glasfaserverstärktem Kunststoff, das über dem sanierten Café mit seiner durchgehenden Glasfassade liegt. Es ragt östlich und westlich sogar so weit hinaus, dass es an beiden Seiten der Brücke hervorlugt und damit von allen Blickwinkeln aus auf den Eingang hinweist.
Im Inneren ermöglicht eine große, kreisrunde Aussparung in der Decke des Erdgeschosses den Blick auf die Brückenunterseite. Wie bei Boutique-Kinos en vogue, ist die Atmosphäre getragen und schwer. Eine Palette dunkler Rot- und Brauntöne hebt sich gegen schwarze Metalltei­-le und unverkleidete Rohrleitungen ab. Bezüge zu Kinoattributen – etwa die Neonschriftzüge und von den Zwanzigerjahren beeinflusstes Mobiliar – gibt es, jedoch sorgt die Gegenwart der Brückenunterseite mit ihren Querträgern dafür, dass das Ganze geerdet bleibt. Während eine Betonbrücke üblicherweise eher ein Gefühl von Kälte erzeugt, findet man hier ein warmes Ambiente.
Im Obergeschoss bildet die runde Aussparung einen zentralen Bezugspunkt für eine Galerie­bar, die sich auf eine Terrasse auf dem Vordach ausdehnt und Ausblicke auf das Nordufer sowie die Unterseite der Brücke bietet. Der neu gewonnene Raum ist zwar mit rund 100 Quadratmetern relativ bescheiden doch das Gebäude profitiert immens von der neuen Perspektive auf die Umgebung, die etwa beim Neujahrsfeuerwerk bestimmt voll zur Geltung kommt. Auch von außen ist die Brücke durch eine gläserne Fläche über dem Vordach gerahmt und als Blickfang inszeniert. Diese subtile Geste verleiht dem Eingang Tiefe und spielt auf die Leinwände an, die sich im Bauch des Brückenkopfes befinden.
Als Hinweis auf das langjährige Erbe dieses Ortes wurde im Rahmen des Projekts das ursprüngliche Leuchtschild des National Film Theatre an der Seite der Waterloo Bridge restauriert (entworfen in den Fünfzigerjahren von dessen Architekt Norman Engleback). Es ist zu hoffen, dass sich dieses Gespür für Kontinuität auch in der künftigen baulichen Entwicklung des Orts finden wird. Die Form, in der Kino Teil des Lebens ist, verändert sich über die Jahre, doch seine Bedeutung als kultureller Raum, das zeigen die Zeitschichten an der Southbank, war stets gegeben. Schreiben wir die Geschichte fort!
Aus dem Englischen von Beate Staib



Fakten
Architekten Carmody Groarke Architects, London
Adresse Belvedere Rd, London SE1 8XT, Vereinigtes Königreich


aus Bauwelt 25.2021
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